Dialog über «ETH+» gestartet

Die Schulleitung, Professorinnen und Professoren haben am ETH Faculty Retreat in Luzern intensiv über die künftige Ausrichtung der ETH Zürich diskutiert. Im Fokus der Gespräche stand insbesondere der strategische Vorschlag der Schulleitung, in den kommenden Jahren die Zahl der Professuren substanziell zu erhöhen.

Retreat Präsident
Damit die ETH auch künftig Schweizer Innovationsmotor Nummer 1 bleibt, schlägt ETH-Präsident Lino Guzzella einen mutigen Wachstumsschritt vor. (Bild: Heidi Hostettler / ETH Zürich) 

Der Vierwaldstättersee lächelte zwar nicht, als sich die rund 270 ETH-Retreat-Teilnehmenden im nasskalten Luzern im Kultur- und Kongresszentrum (KKL) einfanden: Ideale Arbeitsvoraussetzungen jedoch, um frei vom Lehr- und Forschungsalltag gemeinsam intensiv über Ideen zur Zukunft der ETH zu diskutieren.

In seiner Eröffnungsrede ging ETH-Präsident Lino Guzzella auf seine Zeit in der Schulleitung ein. Die unzähligen Stakeholder, mit denen er in- und ausserhalb der Hochschule ins Gespräch gekommen sei, seien in aller Regel beeindruckt von dieser Institution. «Das zeigt mir, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Was die ETH anhaltend leistet, ist ausserordentlich.» Die Schweiz, ja die Welt brauche eine starke ETH. Er habe aber auch erkannt: Diese starke Position ist nicht garantiert. «Wenn wir für die Schweiz und ihre Innovationskraft eine zentrale Impulsgeberin mit internationaler Ausstrahlung bleiben wollen, müssen wir in zusätzliche Spitzenkräfte investieren.» Diese sollen für die ETH neue, zukunftsträchtige Gebiete erschliessen, so der ETH-Präsident.

«ETH+» für neue Spielräume

Mit der Initiative «ETH+» soll für diese Zukunftsgebiete eine substanzielle Zahl neuer Professuren geschaffen werden, um für Forschung und Lehre neue Spielräume zu schaffen. «Ob das am Ende 80 oder 120 oder andere Massnahmen sind, ist zweitrangig.» Für die dafür nötige, breite Diskussion gab Lino Guzzella am Faculty Retreat den Startschuss. Im Fokus stünden besonders die Schnittstellen zwischen den verschiedenen Fachgebieten, weil häufig dort die grossen Durchbrüche und Innovationen stattfinden. Auch soll weiter in die strategischen Schwerpunktgebiete, Digitale Transformation und Medizin investiert werden.

Ein Ziel der Erhöhung der Professorenzahl sei auch ein besseres Betreuungsverhältnis. Eine Professur, die weniger Studierende und Doktorierende betreut als es heute der Fall ist, kann Lehre und Supervision flexibler und zielgerichteter gestalten. Lino Guzzella: «Wir erhoffen uns von diesem Plan auch eine Steigerung der bereits hohen Lehrqualität an der ETH und eine noch bessere Förderung des akademischen Mittelbaus.»

Möglichst viel aus eigener Kraft

Für die Finanzierung der Aufbauphase will die Schulleitung jene Mittel einsetzen, die ETH-weit aufgrund einer nachhaltigen Finanzplanung angespart wurden. Danach soll ein Modell entwickelt werden, das eine bescheidene Reduktion der Grundfinanzierung von Professuren vorsieht und das Anreize setzt, mehr Drittmittel einzuwerben. «Dies muss so geschehen, dass wir weiterhin im internationalen Wettbewerb um die besten Talente mithalten können», hielt der ETH-Präsident fest: «Wir werden das sehr differenziert anschauen und nicht die ganze ETH über einen Kamm scheren. Traditionell kleine Professuren werden sicher einen kleineren Beitrag leisten als die grösseren Forschungsteams.»

Konsens beim Ziel, differenzierte Sicht beim Weg

Das Ziel, die ETH aktiv weiterzuentwickeln und neue Spielräume zu schaffen, stiess bei der Professorenschaft in Luzern auf grosse Zustimmung. Allerdings gab es zum Weg, den die Schulleitung dazu beschreiten will, auch kritische Voten. So wurde angemahnt, das Pferd nicht vom Schwanze her aufzuzäumen und im Hinblick auf die Entwicklungsrichtung zunächst eine Lagebeurteilung zu machen, griffige Ziele und eine Strategie zu formulieren und erst auf dieser Basis die geeigneten Massnahmen zu definieren.

Lino Guzzella räumte ein, dass die Schulleitung bei «ETH+» inhaltlich bewusst offenblieb. Bei ihrer sorgfältigen Betrachtung der Lage habe sich jedoch gezeigt: Der geeignete Zeitpunkt, um diese mutige Wachstumsinitiative zu starten, sei jetzt und nicht irgendwann in der Zukunft. Und: Die Schulleitung wolle den Professorinnen und Professoren ermöglichen, bottom-up und im Sinne der ETH-Kultur aus ihrer eigenen Expertise heraus zu entwickeln, wohin die Reise gehen soll. «Die inspirierte und engagierte Diskussion hier in Luzern zeigt mir, dass das der richtige Ansatz ist, damit das Juwel ETH Zürich, das unsere Vorgänger uns anvertraut haben, auf lange Sicht weiter glänzt.» Basierend auf den Ergebnissen von Luzern werde die Schulleitung bald einen Vorschlag zum weiteren Prozess machen, mit breiter Involvierung der Academia sowie der Mitwirkungsgremien.

 

Austausch zu Selbstverständnis und Zukunft

«ETH plus» zog sich als roter Faden durch den Faculty Retreat vom 10. und 11. November in Luzern. Doch diskutierten rund 270 Assistenz-, ausserordentliche und ordentliche Professorinnen und Professoren sowie die Leiterinnen und Leiter der zentralen Organe unter der Leitung von Gerd Folkers, Leiter der Critical-Thinking-Initiative, viele weitere grundsätzliche Fragen:
 

  • Wie soll sich die ETH strategisch, organisatorisch und personell aufstellen, um auch künftig national und weltweit auf der Erfolgsstrasse zu bleiben?
  • Wie kann die Hochschule die Verankerung in der Schweiz gewährleisten und damit die grosszügige Unterstützung durch Politik und Gesellschaft sichern?
  • Und wie kann bei ETH-Professorinnen und -Professoren die Kultur des guten und verantwortungsbewussten Führungsverhaltens gefördert werden sowie mehr Engagement für die ETH als Ganzes?

Aus den insgesamt 23 Gruppenworkshops kristallisierte sich unter anderem heraus, dass sich die ETH und ihre Leistungsträger noch stärker und Disziplinen-übergreifend der grossen und komplexen Probleme der Gesellschaft annehmen sollen. Ihrer Auftraggeberin, der Schweizer Bevölkerung, gilt es noch klarer verständlich zu machen, was die Leistungen der ETH sind.

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