Fehlerkorrektur in der Quantenwelt
Sebastian Krinner ist der erste Lopez-Loreta-Preisträger der ETH Zürich. Der Physiker hat ein klares Ziel: Er will einen Quantencomputer bauen, der nicht nur leistungsfähig ist, sondern auch fehlerfrei arbeitet.
«Hier, zuunterst in diesem weissen Behälter, sind die Schaltungen», erklärt Sebastian Krinner mit sichtlichem Stolz, nachdem er den Besucher durch den grossen, mit Hightech-Apparaturen überstellten Raum geführt hat. Zuhinterst im Labor des Quantum Device Lab hat der Physiker sein Experiment aufgebaut – und hier wird er wohl in den nächsten Jahren noch etliche Arbeitsstunden verbringen. Denn Krinner erhält dieses Jahr – als erster überhaupt – den hochdotierten Lopez-Loreta-Preis, der es ihm ermöglicht, in den nächsten Jahren sein Projekt weiter an der ETH Zürich voranzutreiben.
Empfindliche Quantenzustände
Krinner verfolgt ein ambitiöses Vorhaben: Als Oberassistent in der Forschungsgruppe von Andreas Wallraff will er die Entwicklung von Quantencomputern einen entscheidenden Schritt weiterbringen. «Wenn von Quantencomputern die Rede ist, spricht man meistens davon, möglichst viele Qubits zu kontrollieren», erklärt er. «Doch dabei geht oft vergessen, dass die Qubits als Träger der Quanteninformation nicht fehlerfrei arbeiten.» Tatsächlich können die fragilen Quantenzustände leicht gestört werden, so dass sich Ungenauigkeiten und falsche Informationen in die Berechnungen einschleichen.
Wie also schafft man es, die Fehlerquote möglichst tief zu halten? Krinner möchte zeigen, dass dies mit Hilfe von sogenannten logischen Qubits gelingen kann. Bei einem logischen Qubit werden mehrere Qubits so miteinander verschaltet, dass sie wie ein einzelnes Qubit arbeiten, nur eben stabiler und damit weniger fehleranfällig.
Komplexe Versuchsanordnung
Das tönt in der Theorie einfacher als es tatsächlich ist. Zum einen müssen die einzelnen Qubits bereits eine hohe Zuverlässigkeit haben, bevor man sie zusammenschaltet. Wenn sie eine Fehlerquote von mehr als einem Prozent haben, ist die Verknüpfung zu logischen Qubits sogar kontraproduktiv – die Fehlerrate würde dann steigen anstatt sinken. Zum anderen müssen die Qubits auf sehr engem Raum verknüpft werden. Die Ansteuerung der flachen quantenmechanischen Elemente wird dadurch viel anspruchsvoller.
Im Moment ist Krinner daran, einige wenige Qubits zu logischen Qubits zu verknüpfen und ihr Verhalten experimentell zu verifizieren. Im weissen Behälter, dem Herzstück seiner Versuchsanlage, werden die Qubits auf unvorstellbar tiefe Temperaturen von wenigen Millikelvin abgekühlt, also fast auf den absoluten Nullpunkt. Angehängt an einer futuristisch anmutenden Konstruktion und angesteuert über zahlreiche feine Koaxialkabel werden die Qubits danach in der gewünschten Form quantenmechanisch miteinander verschaltet.
Eine klare Vision
Die Welt der Quantenphysik fasziniert Krinner seit Beginn seines Physikstudiums in Regensburg und Paris. Und er hat während seiner Zeit an der ETH mit sehr verschiedenen Systemen gearbeitet. Als Doktorand bei Tilman Esslinger befasste er sich mit ultrakalten Atomen als quantenmechanische Objekte, die in Laserfallen eingefangen und abgekühlt werden. Bei Andreas Wallraff nun arbeitet er mit supraleitenden Schaltkreisen, die er zu Demonstrationszwecken auf seinem Bürotisch präsentieren kann. «Es kommt einiges zusammen bei dieser Arbeit», erklärt Krinner. «Und gerade diese Vielfalt gefällt mir.» Von der theoretischen Arbeit über die Planung- und Durchführung der Experimente bis hin zum Aufbau der komplexen Versuchsanordnung und der Fabrikation der quantenmechanischen Schaltkreise im Reinraumlabor – das Aufgabenspektrum, das der Forscher beherrschen muss, ist in der Tat sehr breit.
Dabei hat Krinner eine klare Vision: Verläuft die Entwicklung der logischen Qubits nach Plan, möchte er diese im zweiten Teil des Projekts zu einem noch leistungsfähigeren Quantencomputer zusammenschliessen. «Quantencomputer haben ein grosses technisches Potenzial, denn sie sind in der Lage, komplexe und aufwändige Rechenaufgaben viel effizienter zu lösen als herkömmliche Computer», erläutert Krinner seine Faszination für sein Forschungsgebiet. «Und sie sind gleichzeitig auch aus wissenschaftlicher Sicht sehr inspirierend, weil die Entwicklung dieser Maschinen uns viele neuen Einsichten vermittelt, wie die Physik in diesen Bereichen funktioniert.» Doch bis Krinner seine Visionen realisieren kann, braucht es noch einiges an Grundlagenarbeit. Immerhin: Der Lopez-Loreta-Preis gibt ihm nun die Möglichkeit, zwei Doktoranden anzustellen, die seinem Projekt zusätzlichen Schub verleihen.
Der Lopez-Loreta-Preis
Eine Million Euro – dieser Betrag wird jeweils an jeden der vier Gewinner des neu geschaffenen Lopez-Loreta-Preises vergeben. Ausgezeichnet werden herausragende Absolventen von vier renommierten Hochschulen in Frankreich und der Schweiz. Das Preisgeld ermöglicht es den Ausgezeichneten, ihre Forschungs- oder Innovationsprojekte über einen Zeitraum von fünf Jahren weiterzuentwickeln. An der ETH Zürich wird der Lopez-Loreta-Preis künftig am ETH Tag vergeben.