In Krisen besser kommunizieren
Im Kampf gegen Epidemien muss die Bevölkerung besser eingebunden und respektiert werden, sagt Ursula Jasper. Dies ist eine der Lehren aus der Ebolafieber-Epidemie in Westafrika 2014.
Gesundheitspersonal in Bioschutzanzügen, schwer kranke Menschen in notdürftig improvisierten Krankenstationen, bewaffnete Soldaten, die Ausgangssperren durchsetzen sollen – vielen von uns dürften die dramatischen, wirkmächtigen Fernsehbilder des Ebolafieber-Ausbruchs in Westafrika 2014 noch in Erinnerung sein.
Allein in den drei am schwersten betroffenen Staaten Sierra Leone, Liberia und Guinea erkrankten damals 30'000 Menschen, 11'000 fielen der Epidemie zum Opfer. Der Ausbruch, der von der Weltgesundheitsorganisation lange unterschätzt wurde, traf drei der weltweit ärmsten Länder. Deren Gesundheitssysteme und Infrastruktur waren durch jahrelange Bürgerkriege dezimiert, und die Länder verfügten über viel zu wenig Gesundheitspersonal und Ressourcen, um – selbst in Nicht-Krisenzeiten – eine flächendeckende Grundversorgung aufrechtzuerhalten. Ähnlich ist die aktuelle Situation im Osten der Demokratischen Republik Kongo, wo die anhaltenden gewaltsamen Auseinandersetzungen den Kampf gegen Ebola massiv erschweren.
Klar ist, dass die lokale Gesundheitsversorgung grundlegend verbessert und die internationale Zusammenarbeit vertieft werden müssen, um einer zukünftigen Epidemie mit einem hochansteckenden Erreger nicht machtlos gegenüberzustehen. Weil übertragbare Krankheiten nicht an Landesgrenzen haltmachen, müssen ausserdem die regionalen Akteure effizienter kooperieren. In Westafrika wurden Schritte in die richtige Richtung bereits unternommen. Beispielsweise wurde nach der Ebola-Krise 2014 die Westafrikanische Gesundheitsorganisation gestärkt und in Abuja, Nigeria, ein «Regional Center for Disease Control» geschaffen. Dies ist wichtig, weil es die frühzeitige Erkennung von Krankheitsausbrüchen erleichtert und die regionale Zusammenarbeit stärkt.
Lebensgewohnheiten berücksichtigen
Neben solchen langfristigen institutionellen Massnahmen gibt es jedoch noch ein weiteres, oftmals unterschätztes Handlungsfeld, das für die Menschen unmittelbar greifbar ist und einen grossen Einfluss auf die Verbreitung einer Krankheit hat: die Risiko- und Krisenkommunikation. Wie die Erfahrungen aus früheren Gesundheitskrisen zeigen, ist es für uns alle oft schwierig, Risiken und Gefahren richtig einzuschätzen und Verhaltensweisen zu ändern, um das persönliche Ansteckungs- und Übertragungsrisiko zu reduzieren.
So ist es zum Beispiel während des Ebolafieber-Ausbruchs 2014 sehr schlecht gelungen, Massnahmen wie etwa das «Contact Tracing» zu erklären und dabei die Sorgen, Ängste, Lebensgewohnheiten und Traditionen der Bevölkerung zu verstehen und zu berücksichtigen. Das Contact Tracing ist eine wichtige epidemiologische Massnahme zur Eindämmung von Krankheitsausbrüchen. Es geht darum, Personen zu identifizieren, die Kontakt zu Erkrankten hatten, diese Personen über eine mögliche Ansteckung zu informieren und im Falle einer Ansteckung medizinisch zu versorgen.
Auch ist eine aktive, vorausschauende Risiko- und Krisenkommunikation wichtig, weil sich in Krisensituationen Gerüchte und Fehlinformationen besonders schnell ausbreiten. Dennoch verfügen die Gesundheitsbehörden vieler Länder bislang nicht über die notwendigen Strategien und Mittel zur Gesundheits- und Risikokommunikation, mit der auf verschiedensten Kanälen falsche Informationen schnell aufgegriffen und möglichst korrigiert werden können.
«Die Eindämmung einer schweren übertragbaren Krankheit kann nur gelingen, wenn die Gesundheitsbehörden soziale und kulturelle Strukturen respektieren.»Ursula Jasper
Digitaltechnologien nutzen
Im vergangenen Sommer hielt ich mich für einen zweimonatigen Forschungsaufenthalt in Nigeria auf. Ich habe dort ein Projekt kennengelernt, das die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) zusammen mit der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas durchführt und das unter anderem die Risiko- und Krisenkommunikation in der Region stärken soll.
Interessant ist daran, dass es nicht nur um den Aufbau staatlicher und regionaler Strukturen geht, sondern gezielt auch die lokale Bevölkerung mit eingebunden wird. So werden beispielsweise im Rahmen des Projekts sogenannte «Hackathons» veranstaltet: Programmierwettbewerbe, bei denen Teams aus IT-Entwicklern, Gesundheits- und Kommunikationsexperten gegeneinander antreten, um Apps und Webseiten zu entwickeln, die über Gesundheitsgefahren und Präventionsmassnahmen aufklären und im Krisenfall die Bevölkerung informieren und mobilisieren können.
Das Projekt macht sich die Tatsache zunutze, dass die Zahl der Handy- und Internetnutzer in der Region in den vergangenen Jahren rasant gestiegen ist. Gleichzeitig ermöglicht ein solcher partizipativer Bottom-up-Ansatz, die Bedürfnisse und Fragen, aber auch die vorhandenen Kompetenzen der Bevölkerung besser zu verstehen und die Inhalte sowie das Design der Kommunikationsmittel daran auszurichten.
Denn auch das ist eine Lehre der Ebolakrise, die nicht nur für Westafrika gilt: die Eindämmung einer schweren übertragbaren Krankheit ist mehr als nur eine medizinische und logistische Herausforderung. Sie kann nur gelingen, wenn die Bevölkerung den Gesundheitsbehörden und Organisationen vor Ort vertraut und wenn diese soziale und kulturelle Strukturen respektieren.