Kohlenstoffsteuer finanziert Lehrprojekt
Wie aus der ETH-weiten Initiative zur Reduktion von Flugreisen ein neues nachhaltiges Lehrprojekt entstand, erklären eine Studentin, ein Doktorand und ein Professor am Departement Maschinenbau und Verfahrenstechnik.
Flugreisen verursachen mehr als die Hälfte der CO2-Emissionen der ETH Zürich, gelten aber in der global vernetzten Wissenschaft zurzeit noch als (fast) unverzichtbar. Dieses Dilemma ist nicht nur für Klimawissenschaftler relevant. Im Rahmen der ETH-weiten Initiative zur Reduktion von Flugreisen1 stellen wir uns auch am Departement Maschinenbau und Verfahrenstechnik (D-MAVT) die Frage: Wie können wir unsere flugbedingten CO2-Emissionen senken, ohne wissenschaftliche Qualität einzubüssen oder die Karrierechancen der Forscherinnen und Forscher zu mindern? Und das in einem Metier, in dem der persönliche Austausch zwischen Forschenden an internationalen Konferenzen nicht nur sehr hilfreich ist, sondern auch zur Kultur gehört.
Bewusster Fliegen
Um den Zielkonflikt zwischen internationaler Zusammenarbeit und Klimaschutz zu entschärfen, beauftragte die Schulleitung der ETH Zürich jedes Departement, individuelle Reduktionsziele und Massnahmen zu erarbeiten. Am D-MAVT brachten wir dafür alle betroffenen Parteien – Professoren, Doktorierende und Studierende – an einen Tisch. Das Ziel der intensiven Diskussionen am Departement: Einen kreativen Vorschlag auszuarbeiten, der das Klima schützt, ohne den wissenschaftlichen Fortschritt zu hemmen.
Flüge besteuern, Lehre fördern
Dass wir die wichtigsten Betroffenen und ihre Bedürfnisse berücksichtigten, war entscheidend für die Entwicklung einer tragfähigen Lösung. Für die Studierenden war klar: Emissionen brauchen einen Preis. Jede ausgestossene Tonne CO2 soll daher etwas kosten. Zudem soll das Thema Nachhaltigkeit ein zentraler Bestandteil des Curriculums werden. Die Professorenschaft setzte sich dafür ein, ETH-Gelder primär für Forschungszwecke und nicht für gängige Emissionszertifikate auszugeben. Die Doktorierenden plädierten schliesslich dafür, vermehrt moderne Technik wie Videokonferenzen zu nutzen, um Flüge zu vermeiden.
Aus diesen unterschiedlichen Bedürfnissen ist die Initiative «CARES» entstanden. Das Kürzel steht für Compensation, Awareness, Reduction und Education in Sustainability:
- Compensation: Seit Anfang 2019 erhebt das D-MAVT eine interne Kohlenstoffsteuer für Flugreisen als eigene Form der Kompensation. Jede Forschungsgruppe bezahlt zusätzlich zum Flugticket einen substantiellen Betrag pro emittierte Tonne CO2. Davon gehen rund 15 Prozent ans BAFU für den Kauf von Emissionszertifikaten. Die restlichen 85 Prozent fliessen in einen internen Fonds. Ein Retourflug Zürich-Boston wird so rund CHF 150 teurer.
- Awareness: Die interne CO2-Steuer soll das Bewusstsein für den Klimaschaden schärfen und einen Kulturwandel hin zu einem bewussteren Umgang mit Dienstreisen herbeiführen. Zudem fördert das Departement alternative Transportmöglichkeiten und baut die Infrastruktur für Videokonferenzen aus.
- Reduction: Der CO2-Austoss durch Flugreisen soll am D-MAVT bis 2025 um 12 Prozent gesenkt werden.
- Education in Sustainability: Der Erlös aus der CO2-Steuer (interner Fonds) wird in Forschungsprojekte von Studierenden investiert, welche die Nachhaltigkeit im Sinne der Sustainable Development Goals2,3 (SDGs) der Vereinten Nationen fördern.
Neue nachhaltige Fokusprojekte
Die Idee, die gesammelten Gelder für Studierendenprojekte einzusetzen, bildet das Herzstück der Initiative. CARES soll die Kreativität der Studierenden fördern, sie für Nachhaltigkeit sensibilisieren und ihre Projektkompetenzen stärken. Studierende können sich mit eigenen Projekten beim Departement bewerben. Je mehr SDGs sie dabei berücksichtigen, umso grösser sind die Chancen für wissenschafltiche und finanzielle Unterstützung.
CARES ergänzt damit das bereits bestehende Lehrformat der Fokusprojekte am D-MAVT, bei denen Bachelorstudierende ihr theoretisches Wissen in der Praxis anwenden.4 Studierende können ein solches Fokusprojekt bereits jetzt als Alternative zu Vorlesungen im dritten Jahr ihres Bachelorstudiums durchführen. Bislang entstanden Fokusprojekte primär auf Initiative von Professorinnen und Professoren. CARES ermöglicht es Studierenden, selbständig Projektideen zu entwickeln und diese unabhängig von Professoren zu finanzieren.
Ein Ansatz mit Zukunft
Wir sind überzeugt, dass CARES für unser Departement das richtige Instrument ist, um CO2-Emissionen zu senken und gleichzeitig wissenschaftliche Innovation zu fördern. Die erhobene CO2-Steuer schafft nicht nur Anreiz, alternative Transport- und Kommunikationsmittel zu wählen, sondern finanziert auch neue Projekte talentierter, junger Studierender. Sie erhalten die Möglichkeit, Lösungen für gegenwärtige Probleme zu finden und die Zukunft unserer Gesellschaft aktiv mitzugestalten.
Für die Forschung bestimmte Gelder werden damit nicht zweckentfremdet, sondern im Gegenteil dort eingesetzt, wo grosses kreatives Potential, aber wenig finanzielle Mittel vorhanden sind. Studierende auf Nachhaltigkeitsfragen zu sensibilisieren hat einen multiplikativen Effekt: Sie werden diese Haltung aus der ETH hinaus in die Arbeitswelt tragen und weiterverbreiten.
Weiterführende Informationen
1 Das Flugreisen-Projekt der ETH Zürich. Siehe auch diesen ETH-News-Artikel: Bewusster Umgang mit Fliegen sowie diesen Blogbeitrag von Christoph Küffer: Ein Jahr lang nicht fliegen.
2 externe Seite Agenda 2030: 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung.
3 Siehe dazu diesen Blogbeitrag von Christine Bratrich, Geschäftsleiterin ETH Sustainability: Agenda 2030 – unsere Verantwortung als Hochschule sowie die Website ETH Zürich und die Agenda 2030
4 Im Rahmen der Fokusprojekte entwickeln Studierende selbständig innovative Produkte. Beispiele sind ein Roboter, der Verschüttete rettet (externe Seite Proboscis) oder eine Ausstellung, die die Speicherung von CO2 im Untergrund erklärt (Carbon Storage Showcase).
Mehr zu CARES
Bachelor-Studierende des Departements Maschinenbau und Verfahrenstechnik, die sich für CARES interessieren, können sich bis zum 28. Februar 2019 mit ihren Projektideen bewerben. Weitere Information zur Initiative und zum Bewerbungsprozess finden sich hier.