Neuer Wirkstoff gegen Gefässverkalkung

Wenn im Körper Blutgefässe oder andere Weichteile verkalken, ist das ein Problem. Forschende der ETH Zürich und des ETH-Spin-offs Inositec fanden nun einen Wirkstoff, der diese Gefässverkalkung verhindert.

Verkalkte Heizstäbe
Nicht nur Heizstäbe verkalken. Es gibt auch Krankheiten, bei denen die Weichteile des menschlichen Körpers verkalken. (Bild: Shutterstock)

Forschende der ETH Zürich und des ETH-Spin-offs Inositec entwickelten einen neuen Wirkstoff gegen Gefässverkalkung. Davon betroffen sind viele Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz. Bei ihnen ist der Stoffwechsel gestört, was dazu führen kann, dass sich Kalziumsalze in Weichteilen – zum Beispiel in Blutgefässen oder sogar auf Herzklappen – ablagern und diese verhärtet. Häufige Folgen davon sind schwere Herzkreislauferkrankungen, die mitunter tödlich enden können. Bevor Patienten vom Wirkstoff profitieren können, braucht es allerdings weitere Untersuchungen und Tests.

«Bei der Verkalkung handelt es sich um ins Gewebe eingelagerte Kalziumphosphatkristalle», erklärt Jean-Christophe Leroux, Professor für Galenik an der ETH Zürich. «Der Wirkstoff lagert sich an Kalziumphosphatkristalle an und verhindert so, dass diese weiter wachsen können.»

Abkömmling eines Naturstoffs

Das neue Molekül ist strukturell verwandt mit der Phytinsäure. Diese kommt natürlicherweise in Hülsenfrüchten und Getreide vor und bindet Phosphat und verschiedene Mineralstoffe wie zum Beispiel Kalzium, Magnesium und Eisen. Die Pflanzen nutzen das Molekül in ihren Samen, damit den daraus spriessenden Keimlingen genügend dieser Stoffe zur Verfügung stehen.

Dass Phytinsäure auch in der menschlichen Blutbahn eine Wirkung entfaltet, ist schon eine Weile bekannt. Das Molekül muss dazu injiziert werden, weil es über die Verdauung nicht in den Körper aufgenommen wird. Derzeit laufen klinische Studien, in welchen andere Wissenschaftler die Wirksamkeit von Phytinsäure gegen Gefässverkalkung untersuchen.

Molekülsammlung durchforstet

«Das Problem ist allerdings, dass Phytinsäure nicht besonders stabil ist und in kurzer Zeit vom Körper abgebaut wird», sagt Antonia Schantl. Sie ist Doktorandin in Lerouxs Gruppe und Erstautorin der in der Fachzeitschrift externe SeiteNature Communications veröffentlichten Arbeit. Leroux und seine Mitarbeitenden setzten sich daher zum Ziel, das Molekül durch gezielte chemische Veränderungen zu stabilisieren. Sie entwickelten eine Reihe von verwandten Molekülen, welche die ETH patentieren liess. Um eines oder mehrere dieser Abkömmlinge dereinst als Medikament vermarkten zu können, gründeten ETH-Professor Leroux gemeinsam mit weiteren Beteiligten das Spin-off Inositec, welches von der ETH die Lizenz erwarb, die Molekülfamilie nutzen und vermarkten zu dürfen.

In einem von der Schweizer Innovationsförderagentur Innosuisse mitfinanzierten Projekt durchforstete Lerouxs Gruppe an der ETH nun gemeinsam mit Inositec sowie mit Forschenden weiterer Hochschulen diese Molekülsammlung. Die Wissenschaftler testeten die Moleküle im Reagenzglas auf ihr Vermögen, das Wachstum von Kalziumphosphatkristalle im Blut zu verhindern, sowie auf ihre Stabilität. Ausserdem testeten sie die Wirksamkeit in einem Krankheitsmodell in Ratten. In diesen Studien erwies sich eines der Moleküle aus der Sammlung als besonders geeignet.

Bevor für den Wirkstoff eine Zulassung als Medikament beantragt werden kann, werden die Wissenschaftler der ETH gemeinsam mit Inositec sowie Dritten in weiteren Tests unter anderem Fragen der Medikamentensicherheit und der optimalen Dosierung nachgehen.

An dieser Arbeit waren neben den Forschenden der ETH Zürich und von Inositec solche des Universitätsspitals Lausanne, der Universitäten Antwerpen und Edinburgh sowie der McGill University in Montreal beteiligt.

Literaturhinweis

Schantl AE et al.: Inhibition of vascular calcification by inositol phosphates derivatized with ethylene glycol oligomers. Nature Communications, 5. Februar 2020, doi: externe Seite10.1038/s41467-019-14091-4

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