Energieautarke Schweizer Haushalte bis 2050?
Im Rahmen einer Masterarbeit untersuchten ein ETH-Student und sein Betreuer, ob mittels Photovoltaik Energie-selbstversorgende Haushalte in der Schweiz bis Mitte Jahrhundert technisch und wirtschaftlich machbar sind.
Bis 2050 könnten viele Ein- und Mehrfamilienhäuser in der Schweiz mit Photovoltaik genügend Energie für den Eigenbedarf produzieren – Heizen und das Aufladen von Elektrofahrzeugen miteingerechnet. Dies berichten der Masterstudent Ursin Gstöhl und Stefan Pfenninger, Oberassistent an der Professur für Klimapolitik der ETH Zürich, im Fachjournal Plos One.
Ein selbstversorgender Gebäudepark?
Um den Klimawandel einzudämmen, ist eine Abkehr von fossilen Brennstoffen unabdingbar. Solarenergie bietet eine vielversprechende Alternative, die auch die Selbstversorgung mit Energie von einzelnen Haushalten fördern könnte. Frühere Studien untersuchten bereits verschiedene Aspekte von Gebäuden, die ihre eigene Energie produzieren. Die ETH-Forscher sind bislang jedoch die ersten, die das Potenzial in einem Land mit gemässigtem Klima wie der Schweiz umfassend analysiert haben.
Gstöhl und Pfenninger bewerteten die technische und finanzielle Machbarkeit von energieautarken Haushalten, die auf Elektrofahrzeuge setzen und ihren gesamten Energiebedarf einschliesslich Heizung mit selbstproduziertem Solarstrom decken. Anhand bereits verfügbarer Daten untersuchten die Forscher eine Reihe verschiedener Gebäudetypen und Energiebedürfnisse. «Dabei betrachteten wir die technische Machbarkeit und die Gesamtsystemkosten von energieautarken Haushalten im Vergleich zu solchen, die sich auf fossile Brennstoffe und das bestehende Stromnetz stützen», erklärt Gstöhl.
Autarkie technisch realisierbar
Die Studie legt nahe, dass eine vollständige Selbstversorgung bis 2050 für Ein- und Mehrfamilienhäuser in der Schweiz über verschiedene Nutzungsmuster hinweg technisch durchaus möglich ist. Leicht realisierbar wäre Autarkie demnach für energiebewusste Einfamilienhaushalte, die Elektromobile weniger oft und über kürzere Distanzen verwenden.
Im Gegensatz dazu würde ein Mehrfamilienhaus mit konventionellem Energiebedarf und häufigeren und längeren Autofahrten Fortschritte bei der Effizienz der Photovoltaik-Technologie erfordern. Zudem müssten das gesamte Dach und der grösste Teil der Fassade mit Solarpaneelen bedeckt sein. «Potenzielle Konflikte etwa mit Vorschriften zum Erscheinungsbild denkmalgeschützter Gebäude berücksichtigt die Studie nicht. Dies stellt in der Praxis natürlich eine weitere Einschränkung dar», räumt Pfenninger ein.
Wirtschaftlich machbar, aber …
Die prognostizierte finanzielle Machbarkeit der Selbstversorgung hängt von mehreren Bedingungen ab, darunter (noch nicht vorhandene) staatliche Anreize und sinkende Kosten für Energiespeichertechnologien. Alle vollständig energieautarken Gebäude wären teurer als Haushalte, die zwar vollständig elektrifiziert sind, ihren Strom aber nicht nur vom Hausdach, sondern auch aus dem Netz beziehen. Diese Haushalte wiederum wären günstiger als solche, die zum Heizen und für Fahrzeuge noch fossile Brenn- und Treibstoffe verwenden.
«Das heisst, dass sich die Elektrifizierung von Gebäuden für die Haushalte wirtschaftlich lohnt, während die solartechnische Selbstversorgung mit einem deutlichen Kostenaufschlag einhergeht», führt Pfenninger aus.
Dennoch könnte laut der Studie eine Kombination aus sinkenden Energiespeicherkosten, steigenden Preisen für fossile Brennstoffe und politischen Massnahmen dazu führen, dass zukünftig in der Schweiz energieautarke Haushalte an Bedeutung gewinnen werden. Diese Erkenntnisse könnten nach Ansicht der Forscher auch auf andere hoch industrialisierte Länder mit gemässigtem Klima zutreffen.
Literaturhinweis
Gstöhl U, Pfenninger S. Energy self-sufficient households with photovoltaics and electric vehicles are feasible in temperate climate. PLoS ONE 15(3): e0227368. doi: externe Seite https://doi.org/10.1371/journal.pone.0227368