helpfulETH – Ingenieurslösungen für die Coronakrise
Die beiden Eidgenössischen Technischen Hochschulen lancieren eine neue Initiative namens helpfulETH. Damit bieten sie Spitälern und anderen Gesundheitsinstitutionen Lösungen für aktuelle Problemstellungen an, die sich durch die Coronakrise ergeben haben.
Der Alltag in Spitälern und anderen Gesundheitseinrichtungen wie Pflegeheimen hat sich durch die Coronavirus-Pandemie massiv verändert. Dies gilt nicht nur für Patientinnen und Patienten, sondern auch für die Arbeitsabläufe von Ärztinnen und Ärzten und dem Pflegepersonal, die in ihrer Arbeit ganz neuen Gefahren ausgesetzt sind. Was vorher eingespielt war, muss neu überdacht werden, und manchmal fehlen schlicht die Geräte oder Instrumente, um gewohnte Tätigkeiten unter den neuen Umständen auszuführen. Hier setzt helpfulETH ein, eine gemeinsame Forschungsinitiative der ETH Zürich und der EPF Lausanne, die heute offiziell lanciert wird.
Ingenieursleistungen für Kliniken
helpfulETH bietet Ingenieurleistungen an, um rasch Lösungen für Problemstellungen aus dem Gesundheitssektor zu entwickeln, die durch die aktuelle COVID-19-Pandemie entstanden sind. Ob medizinische Geräte oder anderen technische Ressourcen, die Informationstechnologie, Daten- und Risikoanalyse, aber auch Lieferkettenmanagement betreffen: Mitarbeitende aus dem Gesundheitssektor können über eine Website ihre diesbezüglichen Bedürfnisse angeben oder ihre Problemstellungen eintragen.
«Eine Bedingung ist, dass die Personen, die ein Bedürfnis melden, von ihrem Betrieb offiziell beauftragt wurden, das heisst ein Mandat haben, Lösungen innerhalb Ihrer Organisation zu testen und umzusetzen», sagt Stephan Fox, Leiter des «Feasibility Lab for Healthcare Innovation» der ETH Zürich, in dem die Idee für diese Hilfeleistung entstand. «Denn uns ist es wichtig, dass die Produkte und Dienstleistungen, die wir entwickeln, auch und besonders im Alltag dann tatsächlich ihre Anwendung finden.»
Gebündelte Power von ETH und EPFL
Das Feasibility Lab wurde im Januar 2020 von Mirko Meboldt, Professor für Produktentwicklung und technisches Design, zusammen mit Detlef Günther, Vizepräsident für Forschung an der ETH Zürich, ins Leben gerufen. «Bereits seit Jahren ist die ETH mit Spitälern und Kliniken im Gespräch und entwickelt Lösungen für den klinischen Alltag», erklärt Günther den Hintergrund der Initiative. Ende letzten Jahres hat er gemeinsam mit Meboldt beschlossen, diese Initiative in einem Lab zu institutionalisieren. Erste Projekte sind angelaufen, und dann kam die Corona-Krise. «Wir haben sofort reagiert und beschlossen, unsere Anstrengungen ganz auf die neuen Bedürfnisse des Gesundheitssektors auszurichten. So standen plötzlich nicht mehr dauerhafte Lösungen im Fokus der Anstrengungen: «Die Projekte zielen vielmehr darauf ab, für die aktuellen Bedürfnisse innerhalb von Tagen oder Wochen eine Lösung zu finden, wir sprechen auch von Zwischenlösungen», erklärt Meboldt.
Parallel dazu entstanden an der Schwesterhochschule in Lausanne Projekte und Initiativen, die in die gleiche Richtung zielten. Über die nationale Taskforce COVID-19 hatte Günther Kontakt zu Andreas Mortensen, seinem Amtskollegen an der EPFL. «Es war uns sofort klar, dass wir mehr erreichen können, wenn wir unsere Anstrengungen bündeln», sagt er. Deshalb ist helpfulETH jetzt eine Initiative der beiden Hochschulen. In Lausanne werden die Aktivitäten von David Atienza Alonso, Leiter des Labors für eingebettete Systeme (ESL) an der Fakultät für Ingenieurwissenschaften verantwortet.
Das Netzwerk von helpfulETH umfasst bereits rund 100 Forschende – hauptsächlich aus den Ingenieurswissenschaften –, Studierende, Ärzte, aber auch Industriepartnerinnen der beiden Hochschulen. «Es können sich aber auch weitere Universitäten beteiligen», betont Günther.
Wie helpfulETH funktioniert
Ein Rekrutierungsteam beurteilt die eingegangenen Bedürfnisse auf ihre Dringlichkeit, die technische Realisierbarkeit, die Breitenwirkung und auch dahingehend, ob die entsprechende Ressourcen im Netzwerk verfügbar sind. «Wir müssen uns das Recht vorbehalten, auch mal Projekte abzulehnen, für die wir denken, dass sie diese Anforderungen nicht erfüllen», gibt Fox zu bedenken.
Für geeignete Projekte sucht das Team einen Projektleiter und unterstützt ihn, ein Projektteam aus dem Freiwilligenpool von helpfulETH zusammenzustellen. Das Projektteam erarbeitet dann in engem Austausch mit den Verantwortlichen aus den Gesundheitsinstitutionen eine Lösung. Dabei kann es auf die Expertise von Experten aus der Praxis zählen, beispielsweise bei juristischen oder regulatorischen Fragen.
Produktionsstätten an der ETH
Für die Umsetzung steht an der ETH zurzeit der Makerspace im Student Project House zur Verfügung, der mit 3D-Druckern, Lasercuttern usw. eingerichtet ist und von Studierenden betrieben wird – selbstverständlich unter Einhaltung sämtlicher Social-Distance-Vorschriften. Dort wird inzwischen in drei Schichten während 12 Stunden pro Tag gearbeitet. Das Departement Architektur stellt ebenfalls seine Infrastruktur zur Verfügung, die in diesen Tagen für Projekte in Betrieb genommen wird. Und Wyss Zurich hat ebenfalls seine Infrastruktur angeboten.
Die Lösungsfindung ist ein iterativer Prozess. In den Labors wird ein erster Prototyp erarbeitet, der in die Kliniken geht, beispielsweise eine Schutzmaske, die das ganze Gesicht abdeckt. Der Einsatz dieser Maske wird im Spital gefilmt; diese Aufnahmen dienen dem Projektteam dazu, das Produkt weiterzuentwickeln, bis es seine Funktion erfüllen kann. Ist es soweit, wird das neue Produkt über die helfpulETH-Website allen Akteuren des Schweizer Gesundheitswesens zur Verfügung gestellt.
Ein Dutzend Projekte in Arbeit
Momentan sind ein gutes Dutzend Projekte in Bearbeitung, darunter drei, die schon bald ausgerollt werden können, wenn alles nach Plan läuft. Viele weitere Bedürfnisse wurden bereits angemeldet und werden geprüft. «Wir können noch Verstärkung brauchen», sagt Stephan Fox und ruft alle, die sich mit ihrer Expertise beteiligen wollen, dazu auf, sich über die Website zu melden.