Projekt rETHink: Fit bleiben für die nächsten 20 Jahre
Die Ansprüche an die ETH Zürich steigen – von aussen wie von innen. Um auch den künftigen Herausforderungen gerecht zu werden, hat die Schulleitung vor einem Jahr das Organisationsentwicklungsprojekt rETHink gestartet, das nun Fahrt aufnimmt.
Die ETH Zürich ist eine Erfolgsgeschichte. Die Hochschule bewegt sich auf internationalem Spitzenniveau, in der Lehre wie in der Forschung und im Wissenstransfer. «Doch der Druck auf die ETH steigt», stellte ETH-Präsident Joël Mesot fest, als er 2019 sein Amt antrat.
Zum einen ist da der härtere globale Wettbewerb in Forschung und Bildung, der sich etwa in den aufstrebenden Hochschulen in Asien manifestiert. Zum anderen wirbt die Privatwirtschaft zunehmend um die gleichen Talente wie die Wissenschaft. Die Politik ist stolz auf «ihre» ETH, sie stellt gleichzeitig aber vermehrt Fragen nach der Governance – auch im Zusammenhang mit einzelnen Fällen von Fehlverhalten, die Schlagzeilen machten. Schliesslich bekommt die Hochschulwelt den gesellschaftlichen Wertewandel zu spüren mit entsprechenden Erwartungen der Mitarbeitenden an eine professionelle strategische und personelle Führung. Dabei wird auch das Thema Vielfalt immer wichtiger.
«Die ETH Zürich ist in den letzten Jahren schnell gewachsen – allein die Anzahl Studierenden hat sich seit 2000 mehr als verdoppelt – und sie ist kulturell und fachlich immer vielfältiger geworden», sagt Joël Mesot. Die Strukturen und Prozesse seien aber weitgehend die gleichen blieben. Vor diesem Hintergrund lancierte der ETH-Präsident letztes Jahr zusammen mit der Schulleitung das Organisationsentwicklungsprojekt rETHink, das in einem partizipativen Prozess zentrale Fragen der Hochschule adressieren will.
Spitzenstellung halten
«Mit rETHink wollen wir die Spitzenstellung der ETH in den kommenden 20 Jahren halten können», sagt Mesot. Das Zusammenspiel zwischen Professuren, Departementen und Zentralen Organen soll optimiert werden. Die Forschenden und Lehrenden sollen so ihre Kernaufgaben noch besser wahrnehmen. «Gleichzeitig wollen wir auch in der Führungskultur und Personalentwicklung zu den besten Hochschulen der Welt zu gehören und unsere Stellung als einer der Innovationsmotoren der Schweiz langfristig sichern», sagt Mesot. Last but not least will er an der ETH auch eine breite Diskussion über die Betriebskultur führen.
rETHink hat in den letzten Monaten richtig Fahrt aufgenommen. Nach aussen hin sichtbar wird das durch die Erweiterung der Schulleitung: Julia Dannath-Schuh hat am 1. November ihr Amt als neue Vizepräsidentin für Personalentwicklung und Leadership angetreten, und Vanessa Wood wird am 1. Januar 2021 ihre Arbeit als Vizepräsidentin für Wissenstransfer und Wirtschaftsbeziehungen aufnehmen. Damit werden die über die Jahre aufgebauten Kompetenzen in diesen beiden Themengebieten gebündelt und weiter ausgebaut.
rETHink nimmt Formen an
Aber auch innerhalb der Hochschule wird rETHink immer fassbarer. So haben sich im Herbst 2020 über 130 ETH-Angehörige aus allen Hochschulgruppen – Dozierende aller Stufen, Studierende und Mitarbeitende – in verschiedenen Fokusgruppen mit grundlegenden Fragen rund um die Professur auseinandergesetzt. Thematisiert wurden die Aufgaben einer Professur, neue Aufgaben, die sich aus den steigenden Ansprüchen ergeben und damit verbunden die Frage nach dem Einsatz der Ressourcen. Aber auch die Bedeutung der Autonomie für eine Professur, Führungs- und Betreuungsfragen und viele weitere Aspekte wie die Zusammenarbeit in den Departementen und mit den Verwaltungseinheiten wurden diskutiert.
Die Ergebnisse der Fokusgruppen werden zurzeit ausgewertet und verdichtet, bevor mögliche Massnahmen erarbeitet werden und in die Diskussion einfliessen. Ausgehend von den Ergebnissen werden sich weitere Arbeitsgruppen mit der Frage beschäftigen, welche Konsequenzen sich daraus für die ETH-weiten Strukturen ableiten lassen, mithin für die Organisation und Aufgaben von Instituten, Departementen und den zentralen Verwaltungseinheiten.
Parallel dazu haben der ETH-Präsident und die Rektorin eine breite Wertediskussion angestossen. Ausgangspunkt stellen die fünf Werte dar, die von der Strategiekommission für den Strategie- und Entwicklungsplan 2021-24 erarbeitet wurden: Verantwortung, Offenheit, Vielfalt, Teamgeist und Exzellenz. Sind das die Werte, die an der ETH bereits gelebt werden? Wie manifestieren sie sich im Arbeitsalltag? Gibt es andere Werte, die für eine gute Zusammenarbeit unabdingbar sind? Nach ersten Diskussionen in informellen Workshops hat die ETH einen Blog lanciert, in dem alle ETH-Angehörigen eingeladen sind, sich zu diesen Fragen individuell zu äussern. Aufgrund der Rückmeldungen wird die Wertediskussion im kommenden Jahr dann strukturiert in die ganze Hochschule hinausgetragen. Das Ziel: Eine möglichst breite Reflexion über die ETH-Kultur.
«Ich bin begeistert, welchen Schwung das Projekt aufgenommen hat – und dies trotz der grossen zusätzlichen Belastung, die die Coronakrise für die ETH-Angehörigen mit sich brachte», zieht Mesot eine erste Zwischenbilanz. Mit der thematischen Ausweitung der Diskussion, aber auch der Vertiefung bisheriger Themen werden die Partizipationsmöglichkeiten steigen. Hier erwartet Mesot eine möglichst breite Beteiligung der ETH-Angehörigen. Darauf soll eine Konsolidierung folgen mit dem Ziel, rETHink in einen kontinuierlichen Prozess zu überführen, bei dem die Organisation und Kultur der ETH beispielsweise in jährlichen Workshops reflektiert werden.
Dieser Text ist in der Ausgabe 20/04 des ETH-Magazins Globe erschienen.