Zeugen aus der Frühzeit der Erde
Wie die Gesteine im untersten Erdmantel zusammengesetzt sind, lässt sich nur indirekt ermitteln. Anhand von Isotopenmessungen in vulkanischen Gesteinen konnten ETH-Forscher nun zeigen, dass sich tief im Erdinnern immer noch Material aus der Frühzeit der Erde befinden muss.
Wie genau ist die Erde im tiefsten Inneren zusammengesetzt? Diese Frage versuchen Erdwissenschaftlerinnen und Erdwissenschaftler mit ausgeklügelten Verfahren zu beantworten. Mit Hilfe von seismischen Wellen beispielsweise rekonstruieren sie die Strukturen im Erdinnern, was Rückschlüsse über die Dynamik des Geschehens und damit indirekt auch über die Zusammensetzung der Gesteine erlaubt.
An einigen Stellen gibt es auch Zeugen an der Erdoberfläche, die über den tiefen Erdmantel direkt Auskunft geben. So weiss man beispielsweise aufgrund der erwähnten seismischen Daten, dass das Lavamaterial von bestimmten Vulkaninseln wie beispielsweise Hawaii aus sehr grossen Tiefen stammen muss. Über lange Zeit stieg es als heisse Blase aus den untersten Bereichen des Erdmantels, nahe der Grenze zum Erdkern, bis an die Erdoberfläche auf.
Die Kombination hilft weiter
Die chemische Analyse dieser vulkanischen Gesteine erlaubt zwar Rückschlüsse, wie der Erdmantel zuunterst aufgebaut ist. Doch die Sache hat einen Haken: Die ältesten dieser Vulkaninseln sind gerade mal 150 Millionen Jahre alt, also noch relativ jung. Will man alleine mit diesen Gesteinen die Entwicklung des tiefen Erdmantels über die letzten 4,5 Milliarden Jahre zurückverfolgen, kommt man nicht weit.
Glücklicherweise gibt es eine weitere Quelle, die Licht in diese Angelegenheit bringt: Sogenannte Kimberlite stammen grösstenteils ebenfalls aus den untersten Schichten des Erdmantels. Und sie sind wesentlich älter als die Basalte der Vulkaninseln. Die ältesten Kimberlite sind mehr als 2 Milliarden Jahre alt, und man findet sie vor allem auf den alten Kernen der Kontinente.
Sehr lange Halbwertszeiten
SNF Ambizione Fellow Andrea Giuliani und Postdoktorand Angus Fitzpayne vom Departement Erdwissenschaften haben nun zusammen mit Kollegen aus den USA und Australien Daten über die Zusammensetzung Kimberliten zusammengetragen und mit eigenen Messdaten ergänzt. Dabei konzentrierten sich die Wissenschaftler auf die Isotope der drei Elemente Strontium, Neodym und Hafnium. Diese drei Elemente erlauben es, die Zusammensetzung des Ursprungsmaterials dieser Gesteine während der gesamten Geschichte der Erde zu rekonstruieren, da die radioaktiven Isotope dieser Elemente sehr lange Halbwertszeiten haben.
Mit den Daten konnten Giuliani und seine Kollegen zeigen, dass Kimberlite und die Basalte der Vulkaninseln das gleiche Ausgangsmaterial haben. Damit konnten sie auch eine Frage klären, über die sich Geologen seit längerem uneins sind. Während die einen Geologen postulieren, dass es sich um altes Material aus den Anfängen der Erde handeln muss, denken andere, dieses Material wäre erst später durch Umwälzungen im Erdmantel entstanden.
Ähnlichkeit mit chondritischen Meteoriten
Die Forscher haben nun basierend auf den Daten hochgerechnet, welche Isotopenzusammensetzung die untersuchten Gesteine vor 4,5 Milliarden Jahren hatten. Dabei kommen sie zum Schluss, dass das ursprüngliche Material in den Gesteinen eine ähnliche Zusammensetzung gehabt haben muss wie die chondritischen Meteorite, aus denen die Erde entstand. Das heisst: Im untersten Bereich des Erdmantels gibt es also tatsächlich unverändertes Material aus der Anfangszeit der Erde.
Giuliani räumt ein, dass die Resultate, die kürzlich in der Fachzeitschrift externe Seite PNAS publiziert wurden, noch etwas spekulativ sind. «Die ältesten von uns berücksichtigten Gesteine sind rund 2 Milliarden Jahre alt», erklärt er. «Deshalb ist unser Schätzung noch etwas unsicher.» Der Forscher möchte in einem nächsten Schritt weitere und ältere Kimberlite sowie weitere Gesteinstypen in seine Analyse einbeziehen, um unser Bild vom unteren Erdmantel weiter zu schärfen.
Literaturhinweis
Giuliani A et.al.: Remnants of early Earth differentiation in the deepest mantle-derived lavas. PNAS 5. Januar 2021. doi: externe Seite 10.1073/pnas.2015211118