Ein ganzes Semester tüftelten und werkelten Roland Brunschweiler und Pascal Minder im Rahmen ihrer Bachelorarbeit an der idealen Materialmischung für ihr Betonkanu «TruchETH». Gestern dann wurde das vier Meter lange und 90 Kilogramm schwere Gefährt zum Transport nach Brandenburg an der Havel verladen, zusammen mit dem Weidenkanu vom Betonkanuverein der ETH Zürich. An der Regatta treten Studierende aus ganz Europa gegeneinander an, insgesamt 80 Teams aus 30 Institutionen. Dabei geht es darum, einen Parcours auf Zeit zu fahren – aber auch um die Konstruktion und das Design der Boote.
In der Vergangenheit belegten die Zürcher Teams regelmässig vordere Ränge, insbesondere im Kategorie «Konstruktion». In diesem Jahr hingegen zielten Brunschweiler und Minder bewusst auf den Preis für Nachhaltigkeit.
Das besondere an «TruchETH»: Hier besteht die Bewehrung ganz aus Altkleidern. Dafür haben sie gebrauchte Jeans und T-Shirts in Stoffbahnen geschnitten und miteinander verwoben. Das entstandene Netz funktioniert ähnlich wie ein Glasfasergewebe und übernimmt die auftretenden Zugkräfte. Bestrichen ist das Stoffnetz mit mehreren Schichten von «Beton», der auf umweltfreundlichem Zement und Pflanzenkohle basiert. Mit diesen natürlichen Zusatzstoffen soll das verbrauchte CO2 wieder im Beton gespeichert werden.
Kreislauf der Verschwendung
«Wenn man von einem Kanu aus Stoff und Beton hört, denkt man sicher nicht zuerst an Nachhaltigkeit», erzählt Bachelor-Student Pascal Minder vom Departement Bau, Umwelt und Geomatik (D-BAUG). «Aber Nachhaltigkeit wie auch Verschwendung hat viele Gesichter.» Ein externe Seite Bericht im Schweizer Fernsehen hatte die beiden Studenten aufgerüttelt. Die Reportage dokumentiert, wie westliche Länder jedes Jahr kaum vorstellbare Mengen an Altkleidern in Entwicklungsländer schicken. Diese, oft als Spenden gedachte Textilien, finden dort aber keinen Platz mehr und landen vielfach im Meer oder werden verbrannt – wie etwa in Ghana, wo täglich 160 Tonnen Textilien ankommen.
Mit ihrem Kanu wollen Brunschweiler und Minder somit Lösungsansätze für zwei Herausforderungen schaffen: Einerseits für das CO2-Problem der Bauindustrie, andererseits für die Abfallberge der Fast-Fashion-Industrie. Während der viermonatigen Entwicklungs- und Experimentierphase haben sie festgestellt, dass Stoff einen sehr guten Verbund mit Beton macht. «Stoff hat sehr interessante Eigenschaften», so Brunschweiler, der ebenfalls Bauingenieurwissenschaften studiert. «Und man kann wirklich viel mit Stoff machen. Mit unserem Kanu aus Stoff und Beton möchten wir zeigen, dass Altkleider erneut und vielseitig gebraucht werden können, zum Beispiel auch in der Bauindustrie.»