Von der Erde bis zu fernen Welten: ETH-Forschungsbereich heisst nun Erd- und Planetenwissenschaften
Das Departement Erdwissenschaften der ETH Zürich wurde umbenannt: Seit dem 1. August heisst es Departement Erd- und Planetenwissenschaften, abgekürzt D-EAPS. Departementsvorsteher Johan Robertsson erklärt, warum die Namensänderung logisch und notwendig war.
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ETH News: Johan Robertsson, Ihr Departement hat soeben den Namen gewechselt. Was war der Grund für diese Umbenennung?
Johan Robertsson: Wir waren mehr als bereit für diese Namensänderung. Schon heute arbeiten mehr als die Hälfte der Professorinnen und Professoren unseres Departements an Themen, die direkt oder indirekt mit dem Weltraum zu tun haben, mit Ansätzen, die in den Erdwissenschaften verankert sind, aber eng mit Chemie, Physik und Biologie zusammenhängen. Das Themenspektrum reicht von der Fernerkundung der Erde aus dem Weltraum über die Erforschung von Exoplaneten bis hin zu Gravitationswellen. Unser Departement war massgeblich an der InSight-Mission zum Mars beteiligt. Unsere Forschenden untersuchen die Dynamik anderer Planeten, wie sie entstehen und sich im Laufe der Zeit entwickeln. Wir sind auch an Missionen beteiligt, bei denen Gesteinsproben von Asteroiden oder vom Mars gesammelt und in unseren Labors analysiert werden. Mit den neuesten Grossteleskopen untersuchen unsere Forschenden die geochemischen Signaturen von Exoplaneten auf Hinweise für Leben. Nicht zuletzt sind mehrere unserer Professorinnen und Professoren Mitglieder des Centre for Origin and Prevalence of Life (COPL), wo dieser Bereich eine zentrale Rolle spielt.
Wie hat sich die Berufung des ehemaligen NASA-Wissenschaftsdirektors Thomas Zurbuchen zum Professor in Ihrem Departement auf die Namensgebung ausgewirkt?
Einer der Gründe, warum wir Thomas Zurbuchen vor zwei Jahren für die Ehrendoktorwürde der ETH nominiert haben, war, dass die Forschung in unserem Departement stark von den NASA-Weltraummissionen unter seiner Leitung profitiert hat. Wir freuen uns sehr, dass Thomas ein Jahr später als Professor zu uns gestossen ist und nun direkt im Departement arbeitet. Dass das Departement das Wort «Planet» im Namen trägt, ist übrigens kein Alleinstellungsmerkmal. Mehrere Top-Universitäten weltweit haben gleichnamige Departemente, zum Beispiel Harvard, Berkeley oder das MIT in den USA oder auch das britische Imperial College. Der Name ist also weder neu noch ungewöhnlich, sondern beschreibt besser, was wir eigentlich tun. Begonnen hat dieses Forschungsfeld vor mehr als 50 Jahren, als die NASA-Mission Apollo 11 Proben von der Mondoberfläche mitbrachte, die in unserem Edelgaslabor analysiert wurden.
Zur Person
Johan Robertsson ist seit 2012 Professor für Angewandte Geophysik und Leiter der Forschungsgruppe Explorations- und Umweltgeophysik (EEG) am Institut für Geophysik des Departements für Erd- und Planetenwissenschaften (D-EAPS, vormals D-ERDW). Seit 2022 ist er der Departementsvorsteher.
Stehen alle Professoren hinter dem neuen Namen?
Wie Sie sich vorstellen können, ist die Umbenennung eines Departements für viele Mitarbeitende eine grosse Sache. Wir hatten aber eine breite Unterstützung im Departement, und in der entscheidenden Departementskonferenz wurde der neue Name einstimmig mit nur einer Enthaltung angenommen. Das zeigt, wie stark die Planeten- und Weltraumforschung im Departement verankert ist.
Bedeutet die Umbenennung, dass die traditionellen Themen der Erdwissenschaften zugunsten der Planetenwissenschaften reduziert werden?
Nein, ganz im Gegenteil. Eine unserer Hauptaufgaben ist die Ausbildung und Lehre der zukünftigen Geologinnen und Geologen in der Schweiz. Wie in anderen naturwissenschaftlichen Disziplinen werden gewisse Themen mit der Zeit umfassend erforscht und kaum mehr aktiv weiterentwickelt. Sie bleiben jedoch für die Vermittlung der Grundlagen sehr wichtig. Zum Beispiel haben wir in den letzten 150 Jahren ein tiefes Verständnis dafür entwickelt, wie Prozesse an der Erdoberfläche Sedimentgesteine bilden. Dieses Wissen können wir nun nutzen, um neue Welten wie den Mars zu erforschen. Dadurch werden etablierte Themen wiederbelebt und erneut zu aktiven Forschungsthemen, die uns helfen, die Erde und andere Planeten besser zu verstehen.
Wird es eine Verschiebung bei den Professuren geben, hin zu mehr Weltraumprofessuren und weniger klassischer Geologie?
Wir haben nicht vor, durch Neuberufungen die Weltraumforschung auf Kosten der klassischen Geowissenschaften auszubauen. Schon jetzt arbeitet etwa die Hälfte der Professoren des Departements an planetaren Themen, und wir werden versuchen, diese Mischung beizubehalten.
Was versprechen Sie sich vom neuen Namen?
Ich hoffe, dass der neue Name dazu beiträgt, dass Maturandinnen und Maturanden sowie zukünftige ETH-Studierende besser verstehen, wie vielfältig die Themen und Berufe sind, die ein Studium an unserem Departement bietet. Die Namensänderung ist auch wichtig, um uns weltweit zu vermarkten. Sie kann uns helfen, Fördergelder zu akquirieren und Möglichkeiten für Kooperationen zu schaffen.
Wollen Sie mit dem neuen Namen auch das Nachwuchsproblem in den Geowissenschaften lösen?
Die geringen Studierendenzahlen in unserem Bereich widerspiegeln einen weltweiten Trend. Doch die Erdwissenschaften waren noch nie so wichtig und relevant wie heute. Geowissenschaftlerinnen und Geowissenschaftler werden gebraucht, um die grossen gesellschaftlichen Herausforderungen wie Klimawandel und Georisiken zu bewältigen. Zudem sind die Erdwissenschaften eng verknüpft mit einer der grössten und faszinierendsten Fragen der Menschheit: Gibt es Leben auf anderen Planeten als der Erde? Die Suche nach geochemischen Signaturen, die auf Leben hinweisen, ist daher ein Schwerpunkt in unserem Departement. Ich hoffe, dass die heutige Generation und die zukünftigen Studierenden die Geowissenschaften genauso spannend und aufregend finden wie wir. Und natürlich hoffe ich, dass die Zahl der Studierenden der Erdwissenschaften nicht nur an der ETH, sondern weltweit steigt.
Der neue Name passt zum neuen Master-Studiengang «Space Systems» ...
Genau. Wir haben das neue Master-Programm gemeinsam mit den Departementen Physik, Maschinenbau und Verfahrenstechnik sowie Informationstechnologie und Elektrotechnik entwickelt. Wir starten diesen Herbst mit der ersten Kohorte von rund 30 Studierenden aus Schweizer Universitäten. In einem Jahr werden wir den Studiengang vollständig öffnen und erweitern, so dass sich auch ausländische Studierende bewerben können.
... aber nicht mit dem Bachelor-Studiengang «Erd- und Klimawissenschaften». Gibt es Pläne, die Bezeichnung oder den Studiengang anzupassen?
In unserem Bachelor-Studiengang gibt es bereits viele verschiedene Wege, die die Studierenden einschlagen können. Momentan diskutieren wir aber eine Überarbeitung des Bachelor-Studiengangs, um Studierenden noch mehr Flexibilität zu ermöglichen. Unser Ziel ist es, das Studium so zu gestalten, dass es für ein breiteres Spektrum von Studierenden attraktiv ist.
Wie genau? Was verstehen Sie unter «mehr Flexibilität» im Bachelor-Studium?
Die Geowissenschaften umfassen ein breites Themenspektrum. Wenn Studierende alle Aspekte des Faches studieren müssen, bleibt wenig Raum für Wahlfächer. Wenn sich einzelne Studierende schon im Bachelor stärker spezialisieren wollen, brauchen sie mehr Flexibilität bei der Fächerwahl. Die Zeit reicht einfach nicht aus, um im Bachelor alles zu lernen. Wir müssen also dafür sorgen, dass sich Studierende, die sich schon im Bachelor stärker spezialisieren, genau wissen, in welche Richtung sie sich entwickeln. Konkret: Wenn jemand nach dem Studium für ein Geologiebüro in der Schweiz arbeiten will, muss er oder sie in bestimmten Themen ausgebildet werden. Wenn sich jemand aber für Planetenwissenschaften interessiert, braucht die Person andere Fähigkeiten. Natürlich gibt es Überschneidungen, aber man muss die richtige Mischung finden, die den Neigungen und dem gewünschten Profil der Studierenden entspricht. Wie wir diese Flexibilität umsetzen, wird derzeit intern intensiv diskutiert.