Von der Zellwand bis zum Staudamm: Diese Barrieren untersuchen ETH-Forschende
Elektronik, Landschaft, Biologie: Barrieren betreffen alle Bereiche unseres Lebens. Deshalb befassen sich an der ETH Zürich unterschiedlichste Forschungsdisziplinen damit.
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Warum Dämme brechen
2019 barst in einer brasilianischen Eisenerzmine der Damm eines Absetzbeckens – mit verheerenden Folgen für Mensch und Umwelt. Lange war unklar, wie es zur Schlammlawine von Brumadinho kommen konnte. Denn das Becken war seit Jahren nicht mehr mit neuen Tailings, wie die feinkörnigen Rückstände aus der Erzaufbereitung genannt werden, beladen worden. ETH-Forschende konnten einen physikalischen Mechanismus und andere Einflussfaktoren identifizieren, die den Dammbruch erklären. Ihre Modelle zeigen, wie vorerst kleine, unauffällige Gleitflächen in den Tailings sich im Laufe der Zeit horizontal ausweiteten. Dadurch setzten sich die Tailingsschichten in Bewegung und liessen den Damm durch ihr Gewicht bersten. Durch klassische Monitoringsysteme liessen sich solche Dammbrüche bisher nicht vorhersehen. Der neue Ansatz hilft bei der Risikobewertung von Absetzbecken.
«Globe» Eine Welt ohne Barrieren
Dieser Text ist in der Ausgabe 24/03 des ETH-Magazins Globe erschienen.
Ein wichtiger Schutz
Die Haut schützt den Körper vor Wasserverlust und verhindert, dass Allergene und Krankheitserreger in den Körper eindringen. Funktionsstörungen oder Verletzungen der Haut können zu schweren medizinischen Problemen führen. Das interdisziplinäre Grossprojekt Skintegrity treibt seit 2016 die Erforschung der Haut und ihrer Erkrankungen voran. Es bringt Expertinnen und Experten zusammen, die neue Methoden entwickeln, um Wunden, Entzündungen und Hauterkrankungen besser zu diagnostizieren und zu behandeln. Auch Wissenschaftler:innen, Ärzt:innen und Ingenieur:innen bilden sich bei Skintegrity aus und können die gewonnenen Erkenntnisse praktisch anwenden. Ursprünglich als kollaboratives Vorzeigeprojekt der Hochschulmedizin Zürich im Jahr 2016 ausgewählt, ist Skintegrity seit 2020 eine Forschungsinitiative auf nationaler Ebene.
Hoffnung bei Hirnerkrankungen
Störungen des Gehirns wie Depressionen, Angstzustände oder Epilepsie haben ihren Ursprung oft in bestimmten Hirnregionen. Mit nicht-invasiven Behandlungen wie Medikamenten lassen sich diese Regionen meist nicht gezielt ansprechen. ETH-Professor Mehmet Fatih Yanik hat mit seinem Team eine neue Technologie entwickelt, mit der Medikamente mit gebündeltem Ultraschall kontrolliert in bestimmten Hirnbereichen verabreicht werden können. Die Medikamente werden auf biologischen Trägern ins Hirn gebracht und durch das Blut transportiert. Nach der Freisetzung aus den Trägern durchqueren die Medikamente die Blut-Hirn-Schranke. Diese organische Barriere, die das Hirn vor Giftstoffen oder Krankheitserregern schützt, wird dabei nicht beeinträchtigt. Die neuartige Methode kann zu einem Durchbruch bei der Behandlung von Hirnerkrankungen führen.
Zellen als Computer
Zellen sollen dereinst mit künstlichen genetischen Programmen ausgestattet werden, die ähnlich funktionieren wie elektronische Schaltsysteme. Solche neu programmierten Zellen könnten in unserem Körper wichtige medizinische Aufgaben wahrnehmen. Zum Beispiel, indem veränderte Immunzellen Tumorzellen bekämpfen. Da Tumorzellen unterschiedliche genetische Ausprägungen haben, müsste das Programm dann so lauten: «Bekämpfe eine Zelle, wenn sie vom Typ X oder Y oder Z ist.» In der Mathematik und der Elektronik wird diese Funktion als Oder-Gatter bezeichnet. Zur Anwendung kommen soll die zelluläre Informationsverarbeitung vor allem in der medizinischen Diagnostik und Therapie. Forschende am Departement für Biosysteme konnten erste Schritte mit einer menschlichen Zelle dieser Art bereits 2021 machen.
Giftfreie Textilmembran
Atmungsaktive, wasserdichte Regenjacken sind mit Membranen ausgestattet. Diese verfügen über winzige Poren, die Dampftröpfchen, wie sie beim Schwitzen entstehen, durchlassen, die viel grösseren Wassertropfen hingegen nicht. Oftmals enthalten solche Membranen umweltschädliche und gesundheitsgefährdende Fluorverbindungen. Dies wollte Mario Stucki ändern: Während seines Studiums an der ETH Zürich entwickelte er eine umweltfreundliche Membran, die ohne Fluorverbindungen auskommt. Auf die Idee kam er im Rahmen seiner Masterarbeit in der Gruppe von Wendelin Stark, Professor für Funktionales Materialengineering der ETH Zürich. Stucki verfolgte die Vision in seiner Doktorarbeit und später als Geschäftsidee weiter. Zusammen mit Anna Beltzung gründete er das ETH-Spin-off Dimpora. Ihre neueste Entwicklung: eine Membran, die auf Rizinus- statt auf Erdöl basiert.
Weniger Zersiedelung
Neue Wohnquartiere, versiegelte Flächen, Mehrverkehr: Durch Zersiedelung und Zerschneidung der Landschaft entstehen in der Schweiz immer mehr unüberwindbare Barrieren für Pflanzen und Tiere. Für eine nachhaltige Raum- und Landschaftsentwicklung, vor allem auch mit Blick auf künftige Generationen, braucht es die Balance zwischen den drei grundlegenden Aspekten Wirtschaft, Umwelt und Soziales. Das Institut für Raum- und Landschaftsentwicklung der ETH Zürich und seine drei Forschungsgruppen haben es sich zur Aufgabe gemacht, die zunehmende Komplexität des Zusammenspiels dieser Aspekte zu verstehen. Die Forschenden wollen Wege für eine nachhaltige Entwicklung aufzeigen, um so die voranschreitende Zersiedelung des Landes oder übermässigen Verkehr in Agglomerationen und Transiträumen eindämmen zu können.