Knochen reagieren positiv auf Kraft von aussen
Forschende wollen mit Vibrationen das Wachstum von Knochen anregen. Eine neue Studie liefert nun die Grundlagen für die Entwicklung von neuen Therapien. Dereinst könnten Patienten nach Knochenbrüchen und mit altersbedingtem Knochenschwund profitieren.
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In Kürze
- Forschende der ETH Zürich präsentieren erstmals räumlich hochaufgelöste Daten zur Aktivität von Genen in den Zellen eines Knochens.
- Sie zeigen damit: Mechanische Reize beeinflussen die Aktivität von Genen im Knochen stark. Solche Reize können daher gezielt therapeutisch genutzt werden.
- Die Ergebnisse könnten die Grundlagen liefern zu neuen Therapieansätzen gegen Knochenschwund und damit Knochen nach einem Bruch schneller heilen.
Knochen wachsen nicht einfach irgendwie. Vielmehr reagieren die Knochenzellen auf äussere Kräfte. Heilt ein Knochen nach einem Bruch unter gezielter mechanischer Belastung, wird er unter Umständen grösser, dichter und stabiler als er vor dem Bruch war. Forschende unter der Leitung von Ralph Müller, Professor am Departement Gesundheitswissenschaften und Technologie, zeigten dies vor drei Jahren bei Mäusen. Die Wissenschaftler:innen verwendeten damals zur Fixierung von Knochenbrüchen spezielle Platten. Diese ermöglichten es, die beiden heilenden Knochenteile mehrmals pro Woche während einigen Minuten in einer Vibrationstherapie rhythmisch aneinanderzupressen.
Die Mechanismen hinter dem Einfluss von mechanischen Reizen auf die Knochen blieben lange verborgen. «Erst wenn wir diese Mechanismen verstehen, können wir basierend darauf neue Therapien entwickeln», sagt Neashan Mathavan, Wissenschaftler in Müllers Gruppe und Erstautor einer neuen externe Seite Studie. Er denkt dabei nicht nur an die Heilung von Knochenbrüchen, sondern auch, wie sie sich verhindern lassen, insbesondere bei älteren Personen. Im Alter nimmt die Knochendichte ab, und die Knochen werden anfälliger für Brüche. «Neue Therapieansätze, um den Knochenabbau im Alter zu verzögern, wären wünschenswert.»
Genaktivität für jeden Punkt entschlüsselt
Mathavan, Müller und ihre Kolleginnen und Kollegen untersuchten nun sehr detailliert, wo in einem heilenden Knochen welche Gene aktiv sind. Sie machten dies wiederum bei Mäusen mit einem gebrochenen Oberschenkelknochen, dessen Heilung sie mit einer Vibrationstherapie unterstützten. Mit hoher räumlicher Auflösung bestimmten sie für jeden Punkt im Knochen, welche Gene dort aktiv sind und welche nicht. Diesen dreidimensionalen Atlas zur Genaktivität kombinierten sie mit Informationen zu Kräften, die am jeweiligen Ort wirkten. Die Forschenden errechneten diese Kräfte mit Computersimulationen. «Wir wissen nun von jeder einzelnen Stelle im Knochen, welche mechanischen Bedingungen dort herrschen, wo Knochen gebildet und wo Knochen abgebaut wird», erklärt ETH-Professor Müller.
So konnten die Forschenden zeigen, dass bestimmte Gene spezifisch in den Bereichen des Knochens aktiv sind, die mechanisch stark belastet werden. Darunter sind Gene, welche zur Bildung der Kollagen-Grundstruktur des Knochens beitragen, und solche, die die Knochenmineralisierung fördern. Umgekehrt sind Gene, die die Knochenbildung hemmen, an diesen Stellen nicht aktiv, jedoch in Bereichen, die mechanisch nicht belastet werden.
Die Wissenschaftler:innen werden ihre detaillierten Erkenntnisse nun nutzen, um neue Therapieansätze vorzuschlagen, damit Knochenbrüche besser heilen und Knochen auch im Alter stark bleiben. Speziell dem Thema Knochenalterung werden sie sich in ihrer Forschung bei Mäusen nun verstärkt widmen.
Denkbar wäre der gezielte Einsatz von Medikamenten, die gewünschte Gene aktivieren oder hemmen. Müller könnte sich aber ebenso eine Vibrationstherapie oder eine Kombination von beidem vorstellen. «In welche Richtung es geht, werden wir sehen», sagt er. Der Forscher erwartet von der Vibrationstherapie Vorteile: «Bei der Vibrationstherapie rechne ich mit weniger Nebenwirkungen als bei einer Behandlung mit Medikamenten.»
Literaturhinweis
Mathavan N, Singh A, Correia Marques F, Günther D, Kuhn GA, Wehrle E, Müller R: Spatial transcriptomics in bone mechanomics: Exploring the mechanoregulation of fracture healing in the era of spatial omics. Science Advances, 1. Januar 2025: doi: externe Seite 10.1126/sciadv.adp8496
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