Paradigmenwechsel in der Spanntechnik
Werkstücke effizient in Maschinen einzuspannen ist herausfordernd und wird in Zukunft mit zunehmender Automatisierung und der Verbreitung von additiv gefertigten Freiformflächen noch schwieriger. In Zusammenarbeit mit inspire und der ETH Zürich hat die Firma Gressel eine innovative Lösung mit überraschenden Vorteilen gefunden.
Lukas Weiss (Leiter Maschinenkonzepte bei inspire) gibt im Interview Einblick in das Projekt.
Was ist die Herausforderung beim Spannen von Werkstücken?
Das konventionelle Einklemmen zwischen zwei Spannbacken hat diverse Nachteile:
- Verformung des Werkstücks
- Materialverlust (zusätzliche Materialzugabe zum Spannen, sog. Spannverlust)
- begrenzte Zugänglichkeit
- Schwierigkeit bei Freiformflächen und bei Automatisierung
Die Firma Gressel hatte eine Lösungsidee, die auf den ersten Blick simpel aussieht, aber wie so oft, lag die Tücke im Detail.
Warum ist die Idee innovativ und worin liegen die Tücken?
Die Idee von Gressel besteht darin, kleine Bolzen an die Werkstücke anzuschweissen und die Werkstücke damit einzuspannen. Der Vorteil ist, dass die Bolzen unabhängig von der Werkstück-Geometrie immer gleich aussehen und so ein universelles Handling-Interface darstellen. Die Herausforderung bestand nun darin, diese Idee rentabel und zuverlässig (d.h. mit einer Null-Fehler-Toleranz) umzusetzen. Dazu gehört die Dimensionierung der Bolzen, die Materialauswahl und die Evaluation des Schweissprozesses. Darüber hinaus muss die gesamte Fertigung angeschaut werden: Wie verändert diese Art des Spannens die Prozessabläufe? Unter welchen Bedingungen rentiert sich das?
Gressel hat sich für eine Zusammenarbeit mit inspire entschieden, um das Problem ganzheitlich und wissenschaftlich fundiert zu betrachten.
Marcel Schlüssel (Gressel):
«inspire und die ETH Zürich haben bei der Problemlösung über den Tellerrand hinausgeschaut. Die Ideen und Lösungsansätze aus der Projektzusammenarbeit haben uns zusätzlich zu neuen Produkten inspiriert.»
Was war das Ergebnis dieser Zusammenarbeit?
In dem Projekt konnten wir zeigen, dass diese Spannmethode funktioniert und damit alle Nachteile des konventionellen Spannens umgangen werden. Besonders wichtig war der Nachweis der Zuverlässigkeit der Bolzenschweissung. Dieses Verfahren ist in der Blechverarbeitung zwar etabliert, aber bei diesem Projekt kamen verschiedene Werkstoffe zum Einsatz (Stähle, Alu-Legierungen). Die gefundene Lösung mit einer halbautomatischen CNC-Bolzenschweissstation garantiert eine hohe Massgenauigkeit und Qualität der Verbindung.
Ein weiteres wichtiges Ergebnis war die Simulation der Auswirkungen der Bolzenposition auf das Werkstück sowie die Gestaltung der Klemmbacken. Alle Ergebnisse wurden in Praxistests validiert, mit Pilotanwendern getestet und zum Patent angemeldet.
Was sind die (zum Teil unerwarteten) Vorteile der neuen Methode?
Mit der Methode können unterschiedlichste Werkstücke reproduzierbar genau, prozesssicher und wirtschaftlich gespannt werden. Ein grosser Mehrwert ist die Ressourceneffizienz, da es keinen Spannverlust mehr gibt.
Darüber hinaus haben wir einen weiteren Riesenvorteil identifiziert, den wir zu Beginn gar nicht im Visier hatten: Die neue Spanntechnik ist sehr attraktiv für die Automatisierung. Dank der neuen Technik kann man bei der automatischen Teilefertigung mit Roboterunterstützung einen universellen Greifer verwenden und es sind nur noch Standardtablare anstelle von vielen teilespezifischen Paletten erforderlich. Somit wird das Werkstück-Handling einfacher und kostengünstiger.
Wie geht es weiter?
Gressel hat die neue Spanntechnik bereits als Produkt auf dem Markt eingeführt und damit einen Paradigmenwechsel in der Branche eingeleitet.
In Zusammenarbeit mit der ETH Zürich gibt es ein Nachfolgeprojekt mit Gressel im Bereich additive Fertigung. Das inspire-Team von Prof. Meboldt (pd|z Product Development Group Zurich) untersucht den Einsatz der neuen Spanntechnik für additiv gefertigte Komponenten. Mit bisherigen Spannmethoden ist es schwierig, Freiformflächen einzuspannen und da könnte diese neue Methode eine zukunftsweisende Lösung sein.
Lukas Weiss (inspire):
«Es ist eine besondere Herausforderung, Selbstverständliches wie die etablierte Spanntechnik in Frage zu stellen. Die Praxisnähe half, auch Studierende in die Ausarbeitung zu involvieren.»
Kontakt / Links:
Lukas Weiss, inspire
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