Magnetische Blutreinigung zur Heilung von Sepsis
Mit fast 50 Millionen Betroffenen pro Jahr, hohen Kosten sowie vielen Todesfällen ist die Sepsis - auch bekannt als Blutvergiftung - eine der grössten medizinischen Herausforderungen der Welt. Das ETH-Spin-off hemotune AG hat eine preisgekrönte Technologie zur Bewältigung dieses Problems entwickelt.
Wir haben mit hemotune Gründer Lukas Langenegger über die neue Technologie gesprochen.
Worin besteht die grosse Herausforderung für die Heilung der Sepsis und warum ist das so ein wichtiges Thema?
Die Sepsis ist eine lebensbedrohliche fehlgesteuerte Immunreaktion auf eine bakterielle oder virale Infektion. Die Infektion selbst ist nicht unbedingt tödlich, kann aber zu einer Sepsis führen, die schwere Komplikationen bis hin zum Organkollaps verursachen kann. Aufgrund ihrer Verbreitung hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sie 2017 zu einer Gesundheitspriorität erklärt. Da es bis heute keine Heilung gibt, werden Sepsis-Patienten sehr lange auf der Intensivstation versorgt. Abgesehen davon, dass sie mit 20 % aller Todesfälle weltweit in Verbindung gebracht wird, fallen für die Behandlung von Sepsis die höchsten Spitalkosten an, wobei die Kosten jedes Jahr steigen.
Ihre Erfindung hat den Swiss Technology Award 2020 gewonnen. Wie funktioniert die Technologie?
Viele Krankheiten wie Vergiftungen, Infektionen oder Autoimmunerkrankungen werden durch die Zirkulation bestimmter Moleküle im Blutkreislauf verursacht. Die effizienteste Behandlung wäre, diese Moleküle zu entfernen. Die bahnbrechende Blutreinigungstechnologie von Hemotune macht genau das.
Die Technologie basiert auf winzigen magnetischen Kügelchen ("HemoBeads"), die 300 Mal kleiner sind als ein rotes Blutkörperchen. Sie sind auf der Oberfläche mit Bindungsstellen ausgestattet und fangen nur die gewünschten Stoffe ein, ohne andere wichtige Blutbestandteile zu beeinträchtigen. Die "HemoBeads" werden in einer dialyseähnlichen Maschine mit dem Blut des Patienten vermischt, wo sie die Giftstoffe einfangen und dann mittels Magnetfilter entfernt werden.
Durch Verwendung einer Mischung von "HemoBeads" mit unterschiedlichen Bindemitteln können verschiedene schädliche Verbindungen gleichzeitig entfernt werden. Dies ist besonders interessant für komplexe Krankheiten wie die Sepsis, bei denen mehrere Verbindungen das Fortschreiten der Krankheit vorantreiben.
Wenn wir diese Technologie einer medikamentösen Behandlung gegenübersetzen, sehen wir verschiedene Vorteile. Erstens müssten die Patienten keine Medikamente einnehmen, da die Blutreinigung ausserhalb des Körpers stattfindet. Zweitens wäre die Markteinführung einer Medikamentenbehandlung mit mehrfacher Wirkung äusserst komplex und kostspielig, da mehrere Medikamente kombiniert werden müssten. Die Markteinführung eines neuen medizinischen Geräts ist viel effizienter, da es weniger Zeit bis zur Marktreife benötigt und billiger ist als Medikamente.
Betreffend Sepsis haben wir mit weltweit führenden Experten zusammengearbeitet, um eine präzise Behandlung mit Mehrfachwirkung zu entwickeln, die das Gleichgewicht des Immunsystems wiederherstellt und die Behandlungsergebnisse insgesamt verbessert. Wir möchten nicht nur eine bessere Versorgung der Patienten erreichen, sondern auch eine Behandlung zu angemessenen Kosten der Allgemeinheit zugänglich machen.
Wird die Technologie bereits angewendet? Wann werden Patienten von der neuen Methode profitieren können?
Derzeit sind wir dabei, die präklinischen Tests abzuschliessen. Ausserdem haben wir kürzlich eine wissenschaftliche Zusammenarbeit mit der Abteilung für Intensivmedizin der Universität Bern begonnen, um eine klinische Studie vorzubereiten. Wir beabsichtigen, bis Ende 2022 mit der klinischen Prüfung zu beginnen und die ersten Patienten in der Schweiz und Europa zu behandeln.
Wie sehen Ihre Pläne für die Zukunft aus?
Zurzeit sind wir Teil von "Wyss Zürich", dem gemeinsamen Forschungszentrum der Universität Zürich und der ETH Zürich, wo wir viel Unterstützung erhalten. Letzten Sommer schlossen wir unsere erste Finanzierungsrunde ab und erhielten 5,1 Millionen CHF, um unsere Technologie weiter zu entwickeln. Trotz der weltweiten Pandemie ist es hemotune gelungen, ein sehr starkes Konsortium unter der Leitung von OCCIDENT und mit Beteiligung der koreanischen Medizintechnikfirma Green Cross Medical Science Corp. (GCMS) und der Zürcher Kantonalbank aufzubauen. Da unser Team stark gewachsen ist, sind wir kürzlich in den Biotechnopark in Schlieren umgezogen, wo wir unsere eigenen Labore und Büros haben.
Abgesehen vom Abschluss der Entwicklungsarbeit suchen wir nun nach weiteren Investoren, um die klinischen Studien für die Sepsis zu finanzieren. Dies wird ein grosser Schritt in Richtung Implementierung der Technologie in Kliniken sein. Da unsere Technologie angepasst werden kann, sehen wir grosses Potenzial, sie in Zukunft auch für andere Krankheiten einzusetzen.
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Seit 1996 wurden an der ETH Zürich 471 Spin-offs gegründet. ETH transfer, die Technologietransferstelle der ETH Zürich, unterstützt anerkannte ETH-Spin-offs im Gründungsprozess und in den ersten Jahren ihrer Tätigkeit.
Wyss Zurich:
externe Seite Wyss Zurich ist ein gemeinsames Forschungszentrum der Universität Zürich und der ETH Zürich (Eidgenössische Technische Hochschule Zürich), das durch eine grosszügige Spende des Schweizer Unternehmers und Philanthropen Dr. h.c. mult. Hansjörg Wyss ermöglicht wurde. Es wurde gegründet, um die übergreifende Forschung zu fördern, die sich auf die Entwicklung von Behandlungsmethoden und klinischen Therapien sowie neuartigen Technologien und intelligenten Systemen in den aufstrebenden Bereichen der Regenerativen Medizin und Robotik sowie deren Hybridtechnologien konzentriert.