Hochpräzise Messungen aus dem All

Wie verändert sich unsere Atmosphäre? Wo steigt der Meeresspiegel und wie stark? Zur Beantwortung solcher Fragen können heute Nanosatelliten beitragen. Die dafür an der ETH Zürich entwickelte Positionierungstechnologie hat aber auch industrielle Anwendungen.

Prof. Markus Rothacher gibt im Interview Einblick in die neuesten Weltraummissionen seines Teams.

Warum ist eine millimetergenaue Vermessung der Erde notwendig?
Ein hochpräzises globales Referenzsystem ist zentral für viele Fragestellungen. Nur mit einem millimetergenauen Ursprung des Koordinatensystems kann man bestimmen, wie sich Massen verlagern. Wo steigt der Meeresspiegel? Wo versinken Landmassen? Heutzutage gibt es noch grosse Ungenauigkeiten bei solchen Aussagen.

Welchen neuen Ansatz verfolgen Sie an Ihrem Institut für Geodäsie und Photogrammetrie?
Dank der Fortschritte in der Miniaturisierung können wir heute kleine preisgünstige Satelliten bauen. Diese sogenannten Nanosatelliten sind im Gegensatz zu herkömmlichen Satelliten erschwinglich und können im Schwarm eingesetzt werden. Dadurch kann die Erde lückenloser beobachtet werden. Das funktioniert aber nur, wenn die Nanosatelliten immer genau wissen, wo sie sich befinden.

Die Position von Satelliten zu bestimmen war bisher ein teures Unterfangen, oder?
Ein weltraumtauglicher Empfänger für die Positionierung hat vor 10 Jahren noch eine halbe Million Dollar gekostet. Wir haben nun eine Lösung für unter 100 CHF entwickelt. Wir verwenden Low-Cost-GNSS-Empfänger des ETH Spin-offs u-blox. Unser Team hat diesen Empfänger fit für den Weltraum gemacht und ein Hochleistungs-Positionierungsmodul daraus gebaut. Mit nur 100 Gramm Gewicht und 100 Milliwatt Stromverbrauch können wir die Satelliten-Flugbahn auf 3-5 Meter genau in Echtzeit bestimmen.

navigation system
Navigationssystem mit Positionierungsmodul und Antennen

Haben die Module die erste Feuertaufe im Weltall überstanden?
Die ersten zwei Demonstrationsmodule wurden im Dezember 2018 und April 2019 ins All geschossen, jeweils weitere fünf folgten im Januar 2021 und jetzt Ende Juni mit SpaceX, dem Raumfahrtunternehmen von Elon Musk. Die Module funktionieren sehr gut und wir haben bereits eine Menge von Daten ausgewertet. Wir bauen jetzt an der nächsten Generation der Positionierungsmodule, die dann nächstes Jahr ins All fliegen werden.

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Start der SpaceX's Transporter-2 Mission

Worin wird sich die nächste Generation der Positionierungsmodule unterscheiden?
Die neuen Module werden nicht nur eine, sondern zwei Frequenzen empfangen können, womit sich die Genauigkeit noch deutlich erhöhen wird. Wir können aus der Verzögerung der GNSS-Signale in der Atmosphäre wichtige Informationen gewinnen. Dadurch sind neue Anwendungen möglich, wie etwa die Erfassung der Wasserdampfverteilung oder die Beobachtung der Sonnenaktivität und des Weltraumwetters.

Für welche industriellen Anwendungen ist diese Technologie interessant?

Die Kommunikation zwischen vernetzten Dingen ist in vielen Bereichen von grosser Bedeutung, zum Beispiel bei Schiffsflotten oder in der Landwirtschaft. Für solche IoT-Anwendungen sind die Nanosatelliten ideal, denn sie können kleine Datenmengen von jedem Ort auf der Welt übertragen. Wir arbeiten mit der Firma Astrocast zusammen, die ein satellitengestütztes IoT-System entwickelt. In den nächsten 3 Jahren wird eine Konstellation von circa 80 Satelliten im All aufgebaut werden. Das ist einmalig und wird nicht nur industrielle Anwendungen ermöglichen, sondern unserem Team an der ETH auch wissenschaftliche Erkenntnisse zur Beobachtung des Systems Erde bringen.

Kontakt/Links:

Prof. Markus Rothacher, Institute of Geodesy and Photogrammetry

Projekt Webseite

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