Besser schlafen dank SleepLoop
Der Forschungsverbund «Hochschulmedizin Zürich» hat am Mittwoch das neue Flagship-Projekt «SleepLoop» vorgestellt. Damit möchten die Forschenden ein weit verbreitetes Übel unserer Zeit angehen: ungenügend erholsamer Schlaf und dessen negative Folgen für Gesellschaft und Wirtschaft.
Schlafstörungen haben sich in den letzten Jahrzehnten zu einem Volksleiden entwickelt. Hört man sich in seinem Bekanntenkreis um, vernimmt man oft Klagen, dass Personen in letzter Zeit grad sehr schlecht schliefen, in der Nacht stundenlang wachlägen und kaum mehr Ruhe fänden.
Jede dritte Person in Industrieländern leidet an Schlafmangel. Das kann schwerwiegende Folgen für die Gesellschaft und Wirtschaft haben, wie beispielsweise der Reaktorunfall von Tschernobyl zeigt. Die diensthabende Sicherheitsmannschaft war übermüdet und hatte falsch reagiert.
Schlafqualität im Fokus
Forscher und Mediziner wollen das Übel an der Wurzel packen und haben das Projekt «externe Seite SleepLoop» lanciert, mit dem sie die Schlafqualität verbessern möchten. Das Projekt wurde soeben an der Jahresversammlung von Hochschulmedizin Zürich, einem Verbund von in der medizinischen Forschung tätigen universitären Institutionen auf dem Platz Zürich, der Öffentlichkeit präsentiert.
Die Idee von SleepLoop ist, von Menschen in Ruhe die Hirnwellen zu messen und darauf basierend das Gehirn, abgestimmt auf das Individuum, mit Tönen zu stimulieren. Dies soll dafür sorgen, dass die Nervenzellen zeitlich besser synchronisiert werden, was den Schlaf vertieft und damit die Schlafqualität steigert. Auch das Gegenteil ist möglich: Trifft das akustische Signal zum entgegengesetzten Zeitpunkt des Schwingungszyklus‘ ein, so wird der Schlaf oberflächlicher.
Initiiert wurde das Projekt von den Schlafforschern Reto Huber vom Interdisziplinären Zentrum für Schlafmedizin am Kinderspital Zürich und Christian Baumann von der Klinik für Neurologie des Universitätsspitals Zürich. Hauptverantwortlich für die Technologieentwicklung ist Walter Karlen, Leiter des Labors für Mobile Gesundheitssysteme der ETH Zürich, ins Boot. Am Projekt beteiligt sind insgesamt 16 Forschungsgruppen der ETH und der Universität Zürich.
Mobile Schlafforschung
Auditive Stimulation ist an sich nichts Neues. Im Schlaflabor der Universität Zürich wird bereits seit geraumer Zeit damit experimentiert. Allerdings müssen Forschende das Elektroenzephalogramm von Probanden während der ganzen Nacht kontinuierlich überwachen, die richtigen Schlafphasen erkennen und dann die Töne zur Stimulation anpassen, damit der Proband nicht aufwacht.
«Das ist schwierig und aufwendig», sagt Walter Karlen, Professor für mobile Gesundheitssysteme. Auch für die Studienteilnehmer sei dies aufwendig, da sie im Schlaflabor übernachten müssten, das obendrein auch nur für wenige Personen ausgelegt sei.
Karlen möchte deshalb im Rahmen seines Teilprojekts ein tragbares Gerät entwickeln, das die Hirnwellen misst, automatisch auswertet und dann das Gehirn eines Nutzers zum richtigen Zeitpunkt auditiv stimuliert. Das Gerät soll einerseits handlich und bedienerfreundlich sein, damit es Probanden nach Hause nehmen und mehrere Tage oder Wochen benutzen können, andererseits soll es qualitativ hochstehend sein, damit die Daten für die Forschung genutzt werden können.
Geräte mit Senioren testen
Darüber hinaus wird Karlen in der ersten Projektphase zusammen mit seinem Team das Schlafverhalten von älteren Menschen über 65 Jahren untersuchen. «Gerade ältere Menschen klagen oft über Schlafstörungen», sagt Karlen. «Wir möchten deshalb herausfinden, ob auch Seniorinnen und Senioren von der auditiven Stimulation profitieren.» Ab Anfang Januar werden die ETH-Forschenden Probandinnen und Probanden für ihre Studie rekrutieren und diese mit «SleepLoop»-Geräten ausstatten.
Bei diesem Teilprojekt geht es neben der Erhebung von Daten zum Schlaf von älteren Menschen auch darum, die Bedienbarkeit der Geräte zu testen und zu optimieren. «Ein wichtiges Ziel ist, dass die Leute die Geräte möglichst selbständig ohne ständigen technischen Support anwenden können», betont Karlen.
Lindert SleepLoop Parkinson-Symptome?
Das Forscherkonsortium will mit «Sleeploop» aber auch weitere Anwendungen erforschen. Bei neurodegenerativen Erkrankungen wie Parkinson möchten die Wissenschaftler beispielsweise untersuchen, ob mehr Tiefschlaf die typischen Symptome am Bewegungsapparat mildern und die Lebensqualität verbessern kann. Wer unter Depressionen leidet, wird häufig mit akutem Schlafentzug als einem der wirksamsten Mittel zur Stimmungsverbesserung behandelt. Mit «SleepLoop» können die Forschenden den Schlaf partiell oberflächlicher machen, um einen therapeutischen Effekt ohne Nebenwirkungen zu erzielen.
Nicht zuletzt steht der Schlaf in engem Zusammenhang mit vielen weiteren Körperfunktionen, vom Stoffwechsel bis zum Immunsystem. Bei der Vorbeugung und Behandlung von Zivilisationskrankheiten wie Diabetes oder Herz-Kreislauferkrankungen birgt diese Technologie enorme Möglichkeiten.
«Die Schlafforschung hat in Zürich eine lange Tradition und sie hat mich stark in meiner Forschung inspiriert», sagt ETH-Professor Karlen. Doch sie berge noch viele offene Fragen. Mit «SleepLoop», so hofft er, liessen sich bisherige Grenzen der Schlafforschung überwinden.
Hochschulmedizin Zürich und seine Flagship-Projekte
«Hochschulmedizin Zürich» ist ein Verbund von ETH Zürich, der Universität Zürich und den hier angesiedelten universitären Spitälern. Er hat zum Ziel, zwischen diesen Institutionen die interdisziplinäre Zusammenarbeit in den Ingenieurwissenschaften, Naturwissenschaften und der klinischen Anwendung zu fördern. Neben andern Fördermassnahmen initiiert Hochschulmedizin Zürich pro Jahr unter dem Begriff Flagship-Projekt ein visionäres Grossprojekt. Bereits laufende Flagship-Projekte sind externe Seite Zurich Heart, externe Seite Zurich Exhalomics und externe Seite Skintegrity.