Quantensprung in der Simulation von Supraleitern
Ein von ETH-Forschern weiterentwickelter Algorithmus simuliert Hochtemperatur-Supraleitung um ein vielfaches schneller. Das Forschungsteam wird dafür vom US Department of Energy mit Zugang zum Supercomputer «Titan» belohnt.
Peter Staar, Doktorand an der ETH Zürich bei Professor Thomas Schulthess, hat während seiner Doktorarbeit einen Algorithmus zur Simulation von Festkörpern wie Supraleitern, weiterentwickelt. Mit dem Algorithmus kommen die Forscher gemäss eigenen Angaben exponentiell schneller zum Ziel als vorher, in manchen Fällen sogar bis zu eine Milliarde Mal schneller. Mit dem neuen Algorithmus gelang es ihnen, auf dem Supercomputer «Titan» am Oak Ridge National Laboratory 15'000 Trillionen Rechenoperationen pro Sekunde – 15 Petaflops – durchzuführen. Doch der neue Algorithmus arbeitet nicht nur schneller, mit ihm haben die Wissenschaftler auch zwei zentrale Probleme bei der Simulation von Hochtemperatursupraleitern überwunden. Darüber hinaus zeigen die neuen Berechnungen, dass die einfachsten Modelle Supraleitung bei Raumtemperatur nicht verbieten.
Widerstandslos Strom leiten
Die Forscher selbst betiteln ihre Publikation, mit der sie für den Gordon Bell Prize nominiert wurden, als Quantensprung in der sogenannten time to solution-Simulation (Lösungszeit) von Modellen von Hochtemperatursupraleitern. Das US Department of Energy anerkennt die Leistung des Teams mit seinem INCITE award: Es erhält im Jahr 2014 Rechenzeit auf dem Supercomputer «Titan» im Wert von etwa zwei Millionen Dollar.
Supraleiter und vermutlich auch die wenig verstandenen Hochtemperatur-Supraleiter bestehen aus Materialien, in deren Kristallgitter sich bei mindestens -234 Grad Celsius respektive -140 Grad Celsius bei Hochtemperatursupraleitern Elektronen paarweise zu sogenannten Cooper-Paaren anordnen. Im System kommt es dann zu einem Phasenübergang, bei dem der elektrische Widerstand des Materials Null wird und Strom ohne Energieverlust fliessen kann.
Solche Phasenübergänge wurden bisher näherungsweise mit dem Algorithmus DCA (Dynamical Cluster Approximation) simuliert. Dabei wird aufgrund der Komplexität des zu simulierenden Quantensystems und der damit einhergehenden Rechenintensität der untereinander wechselwirkenden Teilchen nur ein kleiner Ausschnitt des Kristallgitters simuliert, ein Cluster von Atomen. «Mit den bisherigen Methoden klappt das qualitativ sehr gut», sagt Staar, «doch quantitativ die genaue sogenannte Sprungtemperatur zu ermitteln, bei der ein Phasenübergang stattfindet, war bis anhin nicht möglich». Das zentrale Problem von DCA sei, dass die kritische Temperatur stark von der Grösse des Clusters und dessen Geometrie abhängt. «Das erlaubt es uns nicht, eine einheitliche und präzise Sprungtemperatur zu bestimmen.»
Aussagekräftigere Simulationen
Durch die Überarbeitung und Erweiterung von DCA durch Peter Staar zum neuen Algorithmus DCA+ werden die Cluster nicht stufenweise, sondern kontinuierlich berechnet. Dadurch erübrigt sich das Geometrieproblem und die Ergebnisse des Clusters stimmen überein, auch wenn die Geometrie etwa durch eine Rotation im Kristallgitter verändert wurde. Einen weiteren Durchbruch bringt das neue Verfahren beim sogenannten Fermionic Sign Problem, das bei der Simulation von Quantensystemen mit der sogenannten Monte Carlo Methode auftritt. Mit ihr ist es aufgrund der mathematischen und physikalischen Gegebenheiten nicht möglich, die Sprungtemperatur explizit zu bestimmen.
Mit DCA+ sei das Fermionic Sign Problem zwar nicht gelöst, aber der Effekt würde verzögert, erklärt Staar. «Dadurch können wir den Punkt erreichen, an dem der Übergang zur Supraleitung stattfindet, und die Sprungtemperatur bestimmen.» Für ihn ist jedoch mindestens ebenso wichtig, dass die neuen Rechnungen mit diesem simplen Modell Supraleitung bei Raumtemperatur nicht ausschliessen. Wird dies durch weitere Berechnungen an komplexeren und materialspezifischen Modellen bestätigt, könnte dies eine seit Jahrzehnten anhaltende Diskussion neu beleben. Die Weiterentwicklung von Supraleitern gilt in den Materialwissenschaften als vielversprechendes Gebiet mit vielen potenziellen Anwendungen in Energietechnik und in der Elektronik. Von Supraleitung bei Raumtemperatur wird seit den Achtzigerjahren geträumt, als die Hochtemperatursupraleiter entdeckt wurden.