Nachhaltige Bautechnologie als Zugpferd

Digitale Architektur, biomedizinische Grundlagen, molekulare Ingenieurwissenschaft und mathematische Physik: Mit diesen Themen hat sich die ETH Zürich bei den Forschungsschwerpunkten durchgesetzt.

Vergrösserte Ansicht: Molekulare Ingenieurwissenschaft
Die gelben Sechsecke stellen molekulare Kommunikationskanäle dar wie sie der Schwerpunkt «Molecular Systems Engineering» untersucht. (Bild: D-BSSE)

Mit dem Schwerpunkt «Digitale Fabrikation und hoch entwickelte Bauprozesse in der Architektur» will das ETH-Institut für Technologie in der Architektur neue Ansätze für die Forschungs- und Baupraxis entwickeln. Mit seiner Ausrichtung auf innovative Planungs- und Bauprozesse sowie auf nachhaltige Bautechnologien setzt die «Digitale Fabrikation» die strategischen Themen des Departements Architektur (D-ARCH) fort, also Urbanisierung, Klimawandel und Ressourcenknappheit im Zeitalter der Informationsgesellschaft. Das Programm ergänzt zudem die Aktivitäten des «Future Cities Laboratory» in Singapur.

An der ETH beteiligen sich vier Departemente: Architektur, Informationstechnologie und Elektrotechnik, Maschinenbau und Verfahrenstechnik, sowie Bau, Umwelt und Geomatik. Geplant ist, ein digital fabriziertes Wohnmodul im Gebäudelabor «Nest» der Empa und der Eawag zu errichten. Sobald das neue Lehr und Forschungsgebäude «Arc_Tec_Lab» auf dem Hönggerberg gebaut ist, wird die «Digitale Fabrikation» einen zentralen Standort haben. In der geplanten Multi-Robotik-Forschungsanlage werden die Forschenden grossmassstäbliche Fabrikationsprozesse testen. «Das Interesse an unserem relativ neuen Forschungsgebiet ist in den letzten Jahren enorm gewachsen. Aber dass jetzt auch die Politik und der Bund das Themenfeld auf nationaler Ebene unterstützt, ist nochmals eine neue Dimension. Dies eröffnet für unser Forschungsgebiet vollkommen neue Möglichkeiten», sagt der Leiter des Schwerpunkts, Matthias Kohler, Professor für Architektur und Digitale Fabrikation am Departement Architektur.

Molekulare Grundlagen der Gesundheit

Die Co-Leitung des Programms «RNA und Krankheit» teilen sich die Universität Bern und die ETH Zürich. Die Erforschung von Ribonukleinsäuren (RNAs) ist in den letzten zehn Jahren in der biomedizinischen Wissenschaft immer wichtiger geworden. Die ETH Zürich baut sie nun passend zu ihren strategischen Initiativen «Technologie und Wissen für die Gesundheit» respektive «Personalisierte Medizin» aus.

Ausser sich vor Freude ist Frédéric Allain: Der in Frankreich geborene Professor am Departement Biologie ist Co-Leiter des NFS «RNA und Krankheit». «Der Schweiz bietet sich jetzt die Chance, sich als international sichtbarer Leader der RNA-Biologie zu etablieren», sagt er.

Gemäss Allain wird der Schwerpunkt ein besseres Verständnis der RNA-Funktionen für die Gesundheit und die Mechanismen der Erkrankung ermöglichen: Schliesslich habe die RNA-Forschung in den vergangenen Jahre eine Reihe bedeutender Entdeckungen gemacht. Diese Fortschritte ermöglichen es, zu verstehen, wie RNA Genomdynamik und Zellbiologie steuern und genetische Krankheiten verursachen können.

«Indem wir die Spitzenforschung vernetzen, wollen wir das Grundlagenwissen über die Rolle der RNA für die Physiologie der Zellen und Organismen vorantreiben», erklärt Allain. An der ETH Zürich beteiligen sich sechs Professuren. Das multidisziplinäre RNA-Programm verbindet Wissen aus Chemie, Biochemie, Biophysik, Zellbiologie und Physiologie. Weiter hat die ETH in den vergangenen Jahren Technologie-Plattformen für Mikroskopie und Genomik geschaffen.

Langfristig sollen neue medizinische Anwendungen und therapeutische Ansätze entstehen. «Das RNA-Programm wird die ETH nachhaltig mit medizinischen Fakultäten und der Industrie verknüpfen.»

Schlüsselrolle für theoretische Forschung

Die Forschung an der Schnittstelle zwischen Mathematik und theoretischer Physik ist aktuell ein sehr kreatives Forschungsgebiet. Der Schwerpunkt «The Mathematics of Physics (SwissMAP)» will nun die Zusammenarbeit zwischen Mathematikern und Physikern weiter ausbauen.

«Dass wir ‹SwissMAP› umsetzen dürfen, zeigt, welche Bedeutung die theoretische Forschung für die Schweiz hat», sagt Giovanni Felder, Professor am ETH-Departement Mathematik und Co-Leiter des Programms. Neben Arbeitsgruppen der ETH Zürich und der Universität Genf, dem Leading House, beteiligen sich theoretische Physiker des Cern sowie Forschende der EPFL, der Universitäten Zürich und Bern an SwissMAP.

Typische Forschungsgebiete, in denen sich Mathematik und Physik berühren, sind die Wahrscheinlichkeitstheorie und die Geometrie: Wenn etwa Physiker, die mit der Quantenfeldtheorie und Stringtheorie arbeiten, die Elementarteilchen beschreiben, entwickeln sie geometrische Begriffe, die zu neuen Erkenntnissen in der Mathematik führen.
Wenn sie die Thermodynamik mikroskopisch beschreiben, lassen sie sich auch durch die Wahrscheinlichkeitstheorie anregen, sagt Felder. Er selber untersucht mathematische Eigenschaften von Modellen der statistischen Mechanik und der Quantenfeldtheorie. «Die Mathematik entwickelt neue Methoden, welche der Physik nutzen und umgekehrt regen viele Ideen aus der Physik die mathematische Forschung an», betont Felder.

Auch das interdisziplinäre Institut für theoretische Studien (ETH-ITS) spielt eine Rolle im Forschungsnetzwerk: «Im Institut wollen wir innovative theoretisch Forschende aus Mathematik, Physik oder Informatik an die ETH holen. Ihr Wissen möchten wir natürlich mit ‹SwissMAP› verbinden, um so neue theoretische Einsichten zu ermöglichen», verdeutlicht Felder, Direktor des Instituts.

Molekulare Staubsauger aus der Natur

Der Forschungsschwerpunkt «Molecular Systems Enginieering» leiten die Universität Basel und die ETH Zürich zu gleichen Teilen. Ihr Ziel ist es, die Systembiologie zu einer neuen, molekularen Ingenieurswissenschaft weiterzuentwickeln. Die Forschungskompetenzen der Universität Basel in Chemie, Physik und Biologe ergänzen dabei hervorragend das in Basel ansässige Departement Biosysteme (D-BSSE) der ETH Zürich und seine Expertise in synthetischer Biologie und Systembiologie. Das Programm wird nicht nur die bestehende Zusammenarbeit zwischen dem D-BSSE und speziell dem Departement Chemie der Universität Basel ausbauen, sondern auch in Basel ansässige Firmen einbeziehen.

Sehr glücklich über den Zuschlag ist Daniel Müller, Professor am Departement Biosysteme und Co-Leiter des NFS «Molecular Systems Engineering»: «Wir haben jetzt die einzigartige Chance, in Basel einen ganz neuen Forschungszweig aufzubauen», erklärt der Professor für Biophysik.

Mit den vereinten Kräften der ETH, der Universität Basel und der Industrie wollen die Initianten eine neuartige «Molekulare Ingenieurwissenschaft» etablieren: «Dabei orientieren wir uns am Vorbild der Natur», sagt Müller. In der Natur gibt es so genannte molekulare Fabriken: Das sind Moleküle, die ihrerseits neue Moleküle erzeugen und diese zu Fabriken zusammenbauen. Dieses Prinzip wollen die Forschenden verstehen, damit sie selbst molekulare Fabriken herstellen können. Etwa zur Energieumwandlung oder zur Bekämpfung von Zellstörungen oder Umweltverschmutzung. «Zum Beispiel arbeiten wir an ‹molekularen Staubsaugern›, mit denen sich dereinst Umweltgifte beseitigen lassen», sagt Müller. In der Medizin könnten künstliche molekulare Fabriken zur Heilung von Zuckerkrankheit oder Blindheit beitragen.

Derzeit sind in diesem Schwerpunkt 25 Forschungsgruppen miteinander verbunden. In naher Zukunft sollen es bis zu 30 sein. «Da ‹molekulare Fabriken› sehr komplex organisiert sind, können wir sie nur verstehen, wenn viele Gruppen ihr Wissen verbinden. Die Kompetenzen einer einzelnen Gruppe reichen nicht, um sie zu verstehen», legt Müller dar.

Vergrösserte Ansicht: RNA und Krankheit
Struktur einer Ribonukleinsäure, die Frédéric Allain, Co-Leiter bei «RNA und Krankheit», erforscht. (Bild: Frédéric Allain Group)
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