Geothermie-Projekt St. Gallen: Was bleibt?
Mit hydrothermaler Geothermie Energie zu gewinnen scheint für die Stadt St. Gallen ein Traum zu bleiben: Die Erkenntnisse aus dem Produktionstest der Tiefenbohrung sind ernüchternd. Welche Schlüsse lassen sich aus dem Projekt ziehen?
Die St. Galler Stadtwerke berichteten vor wenigen Tagen über die Ergebnisse der Tiefenbohrung. Aus dem Untergrund lässt sich mit ca. fünf Litern hundertgrädigem Wasser pro Sekunde nur gerade ein Zehntel der Wassermenge produzieren, die man sich als Minimalziel gesetzt hatte. Das ursprüngliche Betriebskonzept – heisses Wasser aus dem Untergrund für die Energiegewinnung zu fördern und mittels einer zweiten Bohrung wieder zurückzuführen – muss nun überdacht werden. In Relation zu den Kosten des Projektes von bislang rund 43 Millionen Franken ist das ein enttäuschender Befund.
Suche nach alternativer Nutzung
Derzeit klären die Projektverantwortlichen ab, ob sich aus dem bestehenden Bohrloch geothermische Energie mit einer Tiefen-Erdwärmesonde, der Förderung aus nur einer Bohrung («Singletten-Nutzung») oder mit dem ursprünglichen Konzept einer «Dubletten-Nutzung» gewinnen liesse, wobei die Wirtschaftlichkeit dieser Projekte fraglich ist. Zwar wurde etwas überraschend Methangas entdeckt, doch ob dieses Vorkommen kommerziell genug interessant ist, müsste sich erst zeigen. Ohnehin verfolgt die Stadt St. Gallen die Vision einer erneuerbaren Energiezukunft, in die Erdgas nicht wirklich passt. Zudem hat das durch die Tiefenbohrung ausgelöste Erdbeben der Magnitude 3.5 vom letzten Sommer nicht nur den Untergrund in St. Gallen kräftig erschüttert. Auch das Vertrauen der Projektbetreiber und Aufsichtsbehörden in die Machbarkeit eines hydrothermalen Kraftwerkes inmitten einer wenig berechenbaren geologischen Verwerfungszone hat stark gelitten.
Lehren für die Zukunft
Welche Schlüsse lassen sich aus dem Geothermie-Projekt in St. Gallen ziehen? Persönlich erscheinen mir vier Punkte besonders wichtig:
- Terra incognita: Der Untergrund bleibt voller Überraschungen, und die Wissenschaft lernt mit jedem Projekt, mit jeder Bohrung dazu. Leider lassen sich bis heute weder die Durchlässigkeit des Untergrundes für Wasser noch die dort herrschenden tektonischen Vorspannungen vor einer Bohrung verlässlich abschätzen.
- St. Gallen ist nicht München: Die Durchlässigkeit des Untergrundes in der Region St. Gallen ist ungenügend verglichen mit erfolgreichen Projekten im Raum München. Vielleicht herrschen in wenigen Kilometern Entfernung ganz andere Bedingungen, aber die in St Gallen nachgewiesene geringe Durchlässigkeit ist sicher keine gute Nachricht für künftige Projekte in der Ostschweiz.
- Erdwärme ohne Erdbeben – ein Fernziel: Änderungen der Spannungsverhältnisse im Untergrund durch menschliche Eingriffe können Erdbeben auslösen. Das ist sogar oftmals gewollt, denn Mikrobeben erhöhen die Durchlässigkeit des Gesteins und damit auch die Wirtschaftlichkeit eines Geothermie-Projektes. Doch mit solchen Eingriffen ausreichend kleine Beben zu erzeugen und gleichzeitig Schäden an der Erdoberfläche sicher auszuschliessen ist eine Kunst, die wir bislang noch nicht verlässlich beherrschen. In der dichtbesiedelten Schweiz sollte man daher einen Sicherheitsabstand von grösseren aktiven Verwerfungen einhalten.
- Kommunikation und Transparenz als Erfolgsfaktoren: Der umfassenden und transparenten Kommunikation der Stadt St. Gallen und den Stadtwerken ist es zu verdanken, dass die lokale Bevölkerung das Geothermie-Projekt trotz des Erdbebens weiter unterstützte. Das ist bemerkenswert und eine wichtige Lektion für ähnliche Vorhaben.
Künftige hydrothermale Projekte in der Schweiz müssen jetzt im Lichte der St. Galler Erfahrungen erneut über die Bücher. Etwa anders sieht es aus für Projekte des Typus «Basel» im kristallinen Grundgebirge – diese werde ich in einem späteren Blogbeitrag beleuchten.