Euler: Mehr Power für die Forschung
Am Montag hat die ETH Zürich den neuen Hochleistungsrechner «Euler» am CSCS-Rechenzentrum in Lugano eingeweiht. Er bietet Forschenden mehr Rechenleistung und Flexibilität für die Datenauswertung und komplexe Simulationen.
Bernd Rinn, der Leiter der im April 2013 gegründeten Abteilung «Scientific IT Services» (SIS) der ETH-Informatikdienste, erinnert sich, wie er im März, als die Testphase begann, ein wenig aufgeregt war. «Wir befanden uns gerade in der heissen Phase», sagt er.
Mehrere Mitarbeiter seines Teams waren in Lugano am «Swiss National Supercomputing Centre» (CSCS). Ihr Auftrag: Den neuen Hochleistungsrechner «Euler» in Betrieb zu nehmen, der kurz zuvor vom amerikanischen IT-Produzenten «Hewlett Packard» in einer grossen Halle des CSCS aufgebaut worden war.
Die neuen Computertürme sind dort auf einer gekühlten «Insel» zu einem begehbaren Rechteck aneinandergereiht. Darin sind 416 «Knoten» installiert, einzelne Computer, ähnlich wie PCs mit jeweils 64 Gigabyte Speicherkapazität, die bei Bedarf auf 256 Gigabyte erweiterbar sind.
Die Installation und die Tests sind mittlerweile abgeschlossen und am Montagabend wurde «Euler» in Anwesenheit eingeladener Gäste aus Wissenschaft und Wirtschaft eingeweiht. Damit stehen der ETH – gemeinsam mit dem bisherigen ETH-Hochleistungsrechner «Brutus» – 440 Teraflops Rechenleistung zur Verfügung, also 440‘000 Milliarden mögliche Rechenoperationen pro Sekunde.
Dass Euler im Gegensatz zu Brutus nicht in Zürich sondern in Lugano steht, hat einen einfachen Grund: Das CSCS nutzt zur Kühlung seiner Rechner das naheliegende Seewasser. Das ist ein Standortvorteil, denn immer öfter wird die Rechenleistung von Hochleistungscomputern nicht mehr durch die verfügbare Energie limitiert, sondern durch die Möglichkeit zur Kühlung. Hinzu kommt, dass in Lugano genügend Raum für den Ausbau des Systems zur Verfügung steht.
Kein Supercomputer
«Das ‹High Performance Computing› ist zu einem der wichtigsten Treiber der Forschung geworden», sagt Rinn. «Man streckt sich zur Decke.» Mit anderen Worten: Die Kapazitätsgrenzen bestimmen zunehmend, welche Forschung möglich ist und somit auch gemacht wird.
Heute kommt praktisch keine naturwissenschaftliche Disziplin mehr ohne Hochleistungsrechner aus: Klimawissenschaftler modellieren globale Temperaturänderungen und Eisschmelzen. Geologen erstellen Erdbeben-Vorhersagen. Biologen wiederum brauchen die Hochleistungsrechner zur Verarbeitung und Analyse von Sequenzierungsdaten.
Wer heute in der internationalen Spitzenforschung zuvorderst mit dabei sein will, braucht massenhaft Rechenleistung und Speicher. Mit «Euler» rückt die ETH in die Spitzengruppe der international verfügbaren Hochleistungsrechner auf.
Rinn betont jedoch, dass Euler nicht ein weiterer «Supercomputer» sei, wie zum Beispiel «Piz Daint», der ebenfalls am CSCS steht. Solche Supercomputer werden Forschungsgruppen für äusserst aufwendige Berechnungen kurzfristig in ihrer Gesamtheit zugewiesen. Zugang zu solchen Rechnern hat jedoch nur, wer die gesamte Rechnerkapazität auslasten kann und dafür ausgefeilte Algorithmen einsetzt.
«Euler» hingegen ist ein «General Purpose»-Computer, der für sämtliche ETH-Forscher gedacht ist und mit dem hunderte von Mitarbeitern gleichzeitig arbeiten können. Dabei wird die Rechenkapazität nach einem «Shareholder»-System vergeben: Einzelne Forschungsgruppen oder auch Departemente kaufen bei den Informatikdiensten eine bestimmte Rechenleistung, sogenannte «Shares». Darüber hinaus steht ein Teil der Rechenkapazität jederzeit allen Mitarbeitenden offen.
Virtuelle Arbeitsumgebungen dank Cloud
Stolz ist Rinn nicht nur auf die neue Hardware, sondern auch auf die Ausweitung der Software: «Die ‹Euler›-Hardware kann ganz unterschiedliche Gesichter zeigen.» Dafür wird eine eigene «Euler-Cloud» aufgebaut, eine virtuelle Arbeitsumgebung. Wissenschaftler können sich darin ihre Arbeitsinstrumente frei aussuchen und zusammenstellen, ohne dass sie auf ihrem eigenen Rechner grössere Modifikationen vornehmen müssten.
«Das ist für all diejenigen Forscher interessant, für die das bisherige System Brutus zu wenig flexibel war», erklärt Rinn. Sein Team bietet den Forschern zudem Hilfe beim Aufbau solcher virtuellen Arbeitsumgebungen, wobei hunderte von Programmen aus verschiedenen Quellen kombiniert werden können.
In den vergangenen zwei Monaten wurde die Betriebssoftware aufgesetzt und die Stabilitäts- und Leistungs-Tests durchgeführt. Seit einigen Wochen haben ausgewählte Testbenutzer dem neuen Hochleistungsrechner mit eigenen Programmen auf den Zahn gefühlt. Im Anschluss an die Einweihung können nun sämtliche ETH-Forscher mit der Maschine arbeiten.
Doch das ist erst der Anfang: In einer zweiten Phase, die bereits in Planung ist, wird Euler weiter ausgebaut. Bis Mitte 2015 sollen nochmals zusätzliche 250 bis 400 Teraflops hinzukommen – je nach Ansprüchen und Budget der «Shareholder».
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Neues Intel Zentrum für Paralleles Rechnen an der ETH Zürich
Das Scalable Parallel Computing Labor (SPCL) an der ETH Zürich unter Leitung von ETH-Professor Torsten Hoefler ist das erste und bislang einzige Intel Zentrum für Paralleles Rechnen in der Schweiz. Solche Zentren arbeiten daran, neue Parallelisierungs-Methoden für Berechnungen mit grossen Datenmengen zu entwickeln, um den Bedarf an Hochrechenleistung im wissenschaftlichen Rechnen zu decken. Der Schwerpunkt des an der ETH angesiedelten Zentrums liegt darin, solche wissenschaftlichen Berechnungen für «Manycore» Prozessorarchitekturen mit zehn bis mehreren hundert Recheneinheiten zu optimieren.
Das Zentrum am SPCL wird mit dem CSCS und MeteoSwiss zusammenarbeiten, um die Wetter- und Klimasimulationssoftware COSMO auf der Multiprozessorarchitektur Xeon Phi zu beschleunigen. Dadurch sollen Wettervorhersagen kostengünstiger und effizienter werden. Ausserdem ergänzt Hoefler den Informatik-Lehrplan an der ETH um Lehreinheiten in Software Design und Programmierung für parallele Manycore-Systeme.