Der globale Klimaschutz im Umbruch

Seit fast 25 Jahren bemüht sich die internationale Klimadiplomatie um den Abschluss eines globalen Abkommens. Und ebenso lange sind die Klimawissenschaften ein unerlässlicher Begleiter dieses politischen Prozesses. Doch nun distanzieren sich Klimaforschung und Klimapolitik zunehmend voneinander.

Vergrösserte Ansicht: Getrennte Richtungsschlilder für Politik und Forschung
(Illustration: scottchan / freedigitalphotos)

Nach der Veröffentlichung aller drei Teile des fünften IPCC-Sachstandsberichts und nur anderthalb Jahre vor dem mutmasslich entscheidenden Klimagipfel in Paris hat sich allenthalben Ernüchterung breitgemacht. Heute riskiert kaum noch jemand, den baldigen Durchbruch bei den Klimaverhandlungen zu verkünden, aber auch Warnungen vor nahenden Grosskatastrophen nehmen wesentlich weniger Raum ein.

Pragmatischer Wandel in der Klimapolitik

Hier kündigt sich ein umfassender klimapolitischer Paradigmenwandel an, der nicht mehr das Klimaproblem, sondern zunehmend die Akteure in den Mittelpunkt stellt. Um zu verhindern, dass der politische Prozess durch das wiederholte Scheitern grosserb Klimagipfel endgültig seine Legitimation verliert, hat die Klimadiplomatie faktisch Abstand davon genommen, sich an der ganz grossen Lösung abzuarbeiten. Anders als vor Kopenhagen glaubt kein Klimadiplomat, aber auch kein NGO-Vertreter noch ernsthaft daran, dass es möglich sein könnte, Grossemittenten wie die Vereinigten Staaten oder China durch UN-Verträge auf tiefgreifende Emissionsminderungen zu verpflichten. Die grössten Verschmutzerländer werden vielmehr im Vorfeld des Klimagipfels von Paris selbst bestimmen, was sie beizusteuern bereit sind.

Damit setzt sich im internationalen Klimaschutz eine politische Herangehensweise durch, die klimawissenschaftlich geprägte Vorstellungen von planetaren Grenzen oder einem noch verbleibenden globalen Emissionsbudget in den Hintergrund drängt. Im Mittelpunkt des neuen, akteurzentrierten Paradigmas werden nicht mehr Langfristziele der Klimastabilisierung stehen, sondern die Möglichkeiten und Grenzen der Verhandlungsprozesse – nicht mehr das Wünschbare, sondern das Machbare und nicht mehr möglichst wohlklingende Intentionen, sondern die tatsächlich erreichten Ergebnisse.

Depolitisierung der Forschung

Aufgrund der bislang sehr starken Rolle der Forscher im globalen Klimadiskurs wird sich ein solcher Paradigmenwandel jedoch nur dann vollziehen können, wenn auch die klimawissenschaftliche Politikberatung auf einen pragmatischen Kurs umschwenkt. Dies betrifft nicht primär die Naturwissenschaften. Dass sich die Grundthese vom menschengemachten Klimawandel in den vergangenen Jahren weltweit durchgesetzt hat und sich die klimapolitische Debatte längst nicht mehr darum dreht, ob der Klimawandel überhaupt stattfindet, ist unabweisbar. Dies wird eine Depolitisierung der Forschung befördern, in der wissenschaftliche Unsicherheiten wieder mit grösserer Gelassenheit diskutiert werden können.

Um einiges komplizierter ist die Lage der Klimaökonomen, deren Bedeutung seit dem vierten IPCC-Sachstandsbericht 2007 kontinuierlich zugenommen hat. Mit ihren Modellen, in denen sie die Transformation von Energiesystemen beschreiben, stehen sie inzwischen im Zentrum der klimapolitischen Debatte. Denn sie haben die Deutungshoheit darüber inne, welche Massnahmen zu ergreifen wären, um die auf verschiedenen politischen Ebenen formulierten Ziele relativ kostengünstig zu erreichen.

Das Dilemma der wissenschaftlichen Politikberatung lässt sich am Konzept des Emissionsbudgets besonders gut veranschaulichen. Aus einem gegebenen Stabilisierungsziel, lässt sich ableiten, welche Gesamtmenge an Treibhausgasen noch emittiert werden darf, wenn das Zwei-Grad-Limit noch eingehalten werden soll. Dabei gilt: Je später der globale Emissionsgipfel erreicht wird und je höher dieser Gipfelpunkt liegt, desto grösser müssen anschliessend die jährlichen Reduktionsraten ausfallen.

Politikberatung in der Bredouille

Unter dem Eindruck, dass die Absage an die Erreichbarkeit des Zwei-Grad-Ziels zu einem Fatalismus führen könnte und einem Drittmittelmarkt, auf dem Zuversicht nach wie vor grosszügig honoriert wird, ist eine immer paradoxere Situation entstanden. Mit jedem weiteren Jahr steigender Emissionen fallen die Modellannahmen über die Transformationsfähigkeit unserer Volkswirtschaften immer optimistischer aus. Während es in der Politikberatung lange «Common sense» war, dass der globale Emissionsgipfel deutlich vor 2020 erreicht werden müsse und anschliessende Minderungsraten von jährlich mehr als drei Prozent nicht realistisch seien, hält der neueste IPCC-Bericht auch einen Höchststand der Emissionen 2030 noch für Zwei-Grad-kompatibel, wenn auch nur mit Minderungsraten von sechs Prozent.

Solche Ansätze, die einen späteren Ausgleich für die von der Politik zunächst unterlassenen Emissionsminderungen ermöglichen, untergraben mittelfristig die wissenschaftliche Reputation der Klimaökonomik. Für die Zukunft ist daher verstärkt mit Distanzierungsbestrebungen gegenüber der Politik zu rechnen. Der fünfte IPCC-Sachstandsbericht bietet auch hierfür bereits Anhaltspunkte, indem er normativ-programmatische Aussagen an vielen Stellen bewusst vermeidet und dazu tendiert, die Risiken abzuwägen, die sich mit verschiedenen Politikpfaden und Emissionsverläufen verbinden.

Politik und Forschung driften auseinander

Das Verhältnis von Klimapolitik und Klimaforschung befindet sich gegenwärtig in einer Umbruchphase, in deren Verlauf die jeweiligen Eigenlogiken wieder stärker zur Geltung kommen werden. Die Klimaforschung wird sich daran gewöhnen müssen, dass ihr vergleichsweise privilegierter Status im Wesentlichen auf den Zugang zu Medien, Öffentlichkeiten und Forschungsmitteln beschränkt bleibt. Ihr realer Einfluss auf politisches Handeln jedoch geht kaum über das in anderen Politikfeldern übliche Mass hinaus. Auf die Qualität der klimawissenschaftlichen Wissensproduktion kann sich dies indes nur positiv auswirken.

 

Dieser Beitrag basiert auf einer gekürzten und überarbeiteten Fassung eines Autorenbeitrags von Oliver Geden in der FAZ. Den originalen Beitrag finden Sie externe Seite hier

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Oliver Geden
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