Forschung für eine effizientere Industrie

Die ETH Zürich übernimmt die Leitung eines neuen Bundes-Kompetenzzentrums für Energieforschung (SCCER). Dessen Ziel ist es, industrielle Prozesse energieeffizienter zu gestalten. Über die Ansätze und Herausforderungen unterhielt sich ETH-News mit dem Leiter des neuen Zentrums, ETH-Professor Philipp Rudolf von Rohr.

Vergrösserte Ansicht: Philipp Rudolf von Rohr
Philipp Rudolf von Rohr, Professor für Verfahrenstechnik und Leiter des «SCCER Effizienz von industriellen Prozessen». (Bild: Fabio Bergamin / ETH Zürich)

Vor einem Jahr beschlossen die Eidgenössischen Räte auf Antrag des Bundesrats, die Energieforschung in der Schweiz finanziell zu stärken. Dies im Zusammenhang mit der im Nachgang an Fukushima avisierten Energiewende. Als Kernstück der Fördermassnahmen wurden acht Energieforschungs-Kompetenzzentren (SCCER, für englisch Swiss Competence Centers for Energy Research) geschaffen. Sechs davon sind bereits aktiv, mit zwei Zentren im Bereich Effizienz nehmen nun die letzten beiden SCCER ihren Betrieb auf. Bei einem davon liegt die Leitung an der ETH Zürich.

ETH-News: Worum geht es im neuen «SCCER Effizienz von industriellen Prozessen»?
Philipp Rudolf von Rohr: Der Bund möchte mit seiner Energiestrategie erreichen, dass die verarbeitende Industrie bis im Jahr 2050 zwanzig bis vierzig Prozent weniger Energie verbraucht. Einerseits kann man das über Effizienzsteigerungen bestehender Herstellungsprozesse erreichen, anderseits über völlig neue energiearme Herstellungskonzepte. Wenn man es beispielsweise schafft, auf einen Teilprozess zu verzichten, muss man ihn nicht mehr optimieren. Forschungs- und Entwicklungsbedarf gibt es da auf verschiedenen Ebenen. An der ETH Zürich haben mehrere Professuren grosse Erfahrung auf diesem Gebiet. Das dürfte auch der Grund sein, warum der Bund uns gebeten hat, dieses Kompetenzzentrum zu leiten.

Können Sie weitere Beispiele geben für Ansätze, die verfolgt werden sollen?
Ich kann Ihnen zwei Beispiele von bestehenden ETH-Projekten geben. Rechenzentren sind grosse Energieverbraucher, weil die Computer gekühlt werden müssen. Heute werden in Datenzentren die Räume gekühlt. ETH-Professor Dimos Poulikakos arbeitet an der direkten Wasserkühlung einer neuen Generation von Computerchips, welche effizienter ist. Ein anderes Beispiel ist die chemische und pharmazeutische Industrie, mit der ich mich seit langem befasse. Derzeit laufen in dieser Branche Bestrebungen, auf effizientere Herstellungsmethoden umzustellen. Bisher wurden kleinere Mengen an Chemikalien meist im sogenannten Batch-Verfahren produziert. Dabei müssen Reaktionsgefässe immer wieder erhitzt und abgekühlt werden. Im Vergleich dazu haben kontinuierliche Herstellungsprozesse nicht nur einen geringeren Energiebedarf, sondern produzieren in der Regel auch weniger Abfall und nutzen die Ausgangsmaterialien besser.

Sind 40 Prozent Energieeinsparung in der Industrie überhaupt realistisch?
Ich bin zuversichtlich, dass wir ein Zwischenziel – 10 Prozent Einsparungen bis 2020 – erreichen werden. Doch ich muss zugeben: 40 Prozent Einsparungen sind sehr ambitioniert, denn in den letzten Jahren hat die Industrie ihre Prozesse bereits stark optimiert. Einzelne Prozesse können daher nur noch beschränkt verbessert werden. Betrachtet man die Systeme grossräumig, ist jedoch mehr Potenzial vorhanden. Auch daran wird an diesem SCCER geforscht. Beispielsweise daran, wie man Industrieabwärme stärker in Fernwärmenetzen nutzen kann oder diese Wärme mit Erdwärme, Solarenergie oder Biomasse auf höhere Temperaturen bringt, um damit Strom zu erzeugen. Dieses Teilprojekt leitet die EPFL. Neben dieser Hochschule und der ETH Zürich beteiligen sich an dem SCCER auch die Fachhochschulen Ostschweiz und Luzern.

Ursprünglich plante der Bund, im Bereich Effizienz ein einziges SCCER zu schaffen, das sowohl die industriellen Prozesse als auch die Gebäudetechnik umfasst.
Ja, aber wir haben erkannt, dass das Feld uneinheitlich ist. Deshalb hat der Bund den Bereich auf zwei Kompetenzzentren aufgeteilt. Ein neues SCCER unter der Leitung der Empa befasst sich mit Effizienzsteigerungen in der Gebäudetechnik, wir leiten jenes zu den industriellen Prozessen. Auch der Bereich unseres SCCER ist sehr divers. Die Ansätze zur Effizienzsteigerung in verschiedenen Branchen und ihren Prozessen könnten unterschiedlicher nicht sein. Erschwerend ist, dass sich die Prozessindustrie schnell wandelt. Wir wissen heute nicht, welche Industriezweige auch in den nächsten Jahrzehnten in der Schweiz produzieren und ob einige ihre Produktion ins Ausland verlagern werden. Daher ist es nicht einfach zu entscheiden, auf welche industriellen Prozesse wir uns in dem SCCER fokussieren sollen.

Wie gehen Sie damit um?
Einerseits möchten wir im ersten Teilprojekt, das wir nun mit Hochdruck vorantreiben, detailliert analysieren, welche Industrien besonders energieintensiv sind. In diesen Bereichen möchten wir in den anderen Teilprojekten Schwerpunkte setzen. Andererseits wird sich ein Teilprojekt des SCCER explizit mit Prozesstechnologien beschäftigen, die branchenübergreifend die Energieeffizienz verbessern sollen. Dabei geht es beispielsweise darum, häufig verwendete Komponenten wie zum Beispiel Wärmetauscher oder Speichersysteme zu verbessern. Dies sind Komponenten, die praktisch in allen Branchen anzutreffen sind.

Die SCCER

Die Schaffung von acht Swiss Competence Centers for Energy Research (SCCER) ist eine der zentralen Massnahmen, mit denen der Bund die Energiewende fördern und die Energieforschung vorantreiben möchte. Die SCCER umfassen unter anderem Effizienzsteigerungen von der Stromgewinnung über den Energietransport bis zum Energieverbrauch sowie alternative Formen der Stromgewinnung und Energiespeicherung. Im Rahmen der SCCER ist sowohl Grundlagenforschung, anwendungsorientierte Forschung als auch der Transfer der Ergebnisse in die Wirtschaft vorgesehen. Bis 2016 hat der Bund für die Forschungszentren insgesamt 72 Millionen Franken bereitgestellt. Ausgeschüttet werden die Gelder über die Bundesförderagentur KTI.

In allen acht Forschungszentren arbeiten universitäre Hochschulen, Fachhochschulen und Industriepartner zusammen. Drei der SCCER stehen unter der Leitung der ETH Zürich. Neben dem Zentrum zur «Effizienz von industriellen Prozessen» (Professor Philipp Rudolf von Rohr, 2,7 Millionen CHF) sind dies die Zentren zur Strombereitstellung (Professor Domenico Giardini, 12 Millionen CHF) und zu «effizienten Konzepten, Prozessen und Komponenten in der Mobilität» (Professor Konstantinos Boulouchos, 10 Millionen CHF; ETH-News berichtete)

Weitere Informationen zu den SCCER: externe Seite www.kti.admin.ch

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