Globale Klimapolitik – Taktgeber oder Begleitmusik?
Die Conference of the Parties (COP) funktioniert als Forum zur politischen Meinungsbildung zwar gut, als Plattform zur Aushandlung konkreter Massnahmen gegen den Klimawandel hingegen schlecht. Wenn nun auch der energietechnische Wandel in den Vorreiterstaaten schwächelt, drohen der globalen Klimapolitik magere Zeiten.
Ende November treffen sich die Vertragsparteien der UN-Klimarahmenkonvention (Framework Convention on Climate Change, UNFCCC) wieder zu ihrer jährlichen Grossveranstaltung, dieses Mal in Paris, um das klimapolitische Geschick der Welt zu verhandeln. Den Rahmen und das Regelwerk dazu bildet die Conference of the Parties (COP). Sie hat zwei verschiedene Funktionen.
Einerseits dient sie als Forum zur politischen Meinungsbildung an der Schnittstelle von Regierungen und Zivilgesellschaft. Deshalb nehmen jedes Jahr neben den Vertretern von über 190 Staaten auch Tausende von Vertretern der Zivilgesellschaft teil. Der im massenmedialen Raum geführte Diskurs, in dem Regierungen neue oder vermeintlich neue Vorschläge präsentieren und ihre Politik zu rechtfertigen versuchen, nimmt denn auch um die COP herum stark an Intensität zu. Andererseits dient die COP auch als Plattform, um konkrete Massnahmen gegen den Klimawandel auszuhandeln.
Durchzogene Bilanz
Bei der ersten Aufgabe schneidet die COP eigentlich sehr gut ab. Sie ist im Vergleich zu vielen anderen globalen Gouvernanz- oder Steuerungsprozessen sehr offen, in dem sie den unterschiedlichsten staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren die Möglichkeit bietet, ihre Anliegen und Interessen kundzutun, Defizite im Klimaschutz zu thematisieren und Lösungsansätze vorzuschlagen. Sie ist auch transparent, was nicht zuletzt an der Präsenz von Tausenden von NGOs und Medienvertretern liegt.
Wenn es darum geht, die Leistungsfähigkeit und damit auch die Legitimität von globalen Gouvernanz-Prozessen wie der COP zu beurteilen, sprechen Politikwissenschaftler meist von Input (wie Politik gemacht wird) und Output (was dabei konkret herauskommt). «Wie» globale Klimapolitik erfolgt, daran lässt sich wenig aussetzen. Was sie jedoch an Lösungen hervorbringt, ist mehr als dürftig. Für das Problem mangelnden Outputs ist allerdings nicht die COP als solche verantwortlich – vielmehr sind es die unterschiedlichen Interessen der beteiligten Staaten und nicht-staatlichen Akteure, die einer wirksamen Lösung im Wege stehen. [1]
Legitimität könnte leiden
Damit eine Gouvernanz-Struktur stabile und langfristig wirksame Lösungen erzeugen kann, muss sie letztlich beiden Kriterien genügen – in diesem Fall auch Output generieren. Im Dezember 1997 verhandelte die COP zwar erfolgreich das Kyoto Protokoll, dreht sich aber spätestens seit Inkrafttreten dieses Protokolls im Jahr 2005 wie der Hamster im Rad. Sie droht damit vom Taktgeber zur klimapolitischen Begleitmusik zu verkommen und an Legitimität einzubüssen. Selbst wenn es in Paris gelingen sollte, die einseitigen Zusagen der beteiligten Staaten – die sogenannten Intended Nationally Determined Contributions (INDC) – in ein halbwegs verbindliches Format zu bringen, sind wir noch sehr weit weg von einer wirksamen Antwort auf das Klimaproblem.
Auch wenn ich die COP in Paris mit grosser Skepsis betrachte, halte ich sie im Prinzip nicht für sinnlos. Zumindest lieferte sie bisher für diejenigen politischen Akteure, die auf lokaler, nationaler oder EU-Ebene eine Transformation der Energieversorgung weg von fossilen Brennstoffen anstreben, einen Referenzrahmen zur Rechtfertigung ihrer Anliegen.
Schwächelnder Umbau von «unten»
Angesichts der mageren Ausbeute an konkreten Resultaten und Massnahmen der COP seit über zehn Jahren müsste nun der Antrieb zur oben genannten Transformation des Energiesystems vor allem von der lokalen bis nationalen Ebene her kommen. Aber genau in diesem Punkt kann ich die Hoffnung derjenigen nicht ganz nachvollziehen, die – losgelöst von der COP – auf eine solche «bottom-up» Dynamik setzen, um die Output-Lücke auf der globalen Ebene zu kompensieren und damit die Legitimität der Klimapolitik insgesamt zu stärken. Dass die energietechnische Transformation von unten zumindest derzeit nur begrenzt funktioniert, zeigt zum Beispiel Deutschland, immerhin klimapolitischer Vorreiter der Welt: Die Wirkungskraft innovativer Politikinstrumente, allen voran die Einspeisevergütung («feed-in-tarrifs»), scheint ihre Grenzen erreicht zu haben. Der Anteil der Sonnen- und Windenergie an der deutschen Stromversorgung wächst inzwischen deutlich langsamer. Und wie der Anteil der Kohle-basierten Stromproduktion (über 40 Prozent, ein grosser Teil davon Braunkohle) bei gleichzeitigem Ausstieg aus der Atomenergie massiv reduziert oder gar eliminiert werden könnte, steht in den Sternen. Hinzu kommt, dass die Emissionen aus dem Verkehr nicht sinken, und eine Elektrifizierung des Individualverkehrs wenig Sinn macht, so lange der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromversorgung nicht massiv ausgebaut werden kann.
Die Lage in der Schweiz sieht ähnlich aus: Es liegt bisher kein politisch realisierbares Konzept für den Ausstieg aus der Kernenergie vor, das mit einer gleichzeitigen massiven Reduktion der Treibhausgasemissionen kompatibel wäre. Und auch bei den Emissionen des Strassen- und Flugverkehrs sind keine Lösungen in Sicht.
Negative Signalwirkung
Wenn Länder wie China, Indien oder Brasilien die zögerliche und höchst bescheidene Klimapolitik in reichen Industriestaaten beobachten, können sie eigentlich nur zu einem Schluss kommen: Eine Reduktion ihrer Emissionen lohnt sich nur so weit, wie sie die lokale Luftverschmutzung und Entwaldung bekämpfen und so die Lebensqualität ihrer Bevölkerung verbessern.
Sollte die COP ihre Legitimation und damit auch Taktgeber-Funktion aufgrund mangelnder Verhandlungsfortschritte noch weiter einbüssen und gleichzeitig auch die Dynamik «von unten» weiter stottern, stehen der globalen Klimapolitik magere Zeiten bevor.
Eine gekürzte Version dieses Textes erschien als Autorenbeitrag in der externe Seite NZZ.
Weiterführende Informationen
[1] Bernauer, T. (2013): Climate Change Politics. Annual Review of Political Science, doi: externe Seite 10.1146/annurev-polisci-062011-154926.