So stellen sich Studierende den Campus Zürich vor
Das Hochschulgebiet soll sich zu einem Wissens- und Gesundheitscluster entwickeln. In Masterarbeiten des Departements Architektur haben Studierende der ETH Zürich Szenarien skizziert, wie man sich einen städtischen Campus im Herzen der Stadt Zürich vorstellen könnte.
Wie kann sich das Hochschulgebiet im Zentrum von Zürich zu einem lebendigen Stadtteil und städtischen Campus entwickeln? Mit dieser Frage haben sich 17 Architekturstudierende der ETH Zürich zehn Wochen lang auseinandergesetzt. Der «Campus Zürich» ist eines von drei Themen, in denen sie in diesem Herbst ihr Masterstudium im Departement Architektur abschliessen konnten.
«Wir wollten den Studierenden die Möglichkeit bieten, mit ihren Campus-Szenarien innerhalb einer aktuellen, städtebaulichen Debatte einen Beitrag zu formulieren», sagt Hubert Klumpner, zusammen mit Alfredo Brillembourg einer der Professoren des «Urban Think Tank» an der Professur für Architektur und Städtebau der ETH Zürich, von denen die Aufgabenstellung formuliert wurde. Diese Aufgabenstellung wurde mit ihrem wissenschaftlichen Assistenten Hannes Gutberlet vorbereitet, wobei weitere sechs ETH-Professoren für Architektur individuelle Masterarbeiten betreuten. Zudem unterstützten zusätzliche Professuren die Arbeiten im Bezug auf Landschaftsarchitektur, Verkehr und Mobilität, Energie und Nachhaltigkeit sowie Soziologie und künstlerische Darstellung.
Gemeinsame Räume mitten in der Stadt
In ihrem «Urban Think Tank» untersuchen Brillembourg und Klumpner, wie Menschen in verschiedenen sozialen und kulturellen Umgebungen öffentliche Plätze und Quartiere nutzen und wie sich diese Erkenntnisse auf andere Stadtteile übertragen lassen. Dieser Gedanke spiegelt sich besonders in der konkreten Aufgabe und im Titel des Masterthemas: «Der Begriff des ‹Campus Zürich› bezieht sich darauf, dass sich rund um das Universitätsspital, die Universität und die ETH Zürich ein intensiv und gemeinsam nutzbarer Stadtraum entwickeln kann», erklärt Klumpner.
Seiner Konzeption nach ist ein städtischer Campus durchlässig und mit der umliegenden Stadt ineinandergreifend verbunden. In gemeinsam nutzbaren oder öffentlichen Räumen könnten sich die Menschen begegnen – ähnlich wie das heute auf der Polyterrasse, in der Säulenhalle des ETH-Hauptgebäudes oder im Lichthof der Universität passiert, wo sich Hochschulangehörige mit Gästen und Besuchern durchmischen. Ein Beispiel für offene, ins Stadtleben eingebettete Top-Hochschulen geben die Campuskonzepte der Columbia University in New York oder die Oxford University in England.
Ausser an Referenzbeispielen und Fachliteratur orientiert sich die Aufgabenstellung des Masterthemas auch an den Planungsgrundlagen der laufenden Gebietsentwicklung des Hochschulgebiets Zürich Zentrum, wobei sie sich teilweise von den tatsächlichen Planungsvorgaben unterscheidet, wie etwa in dem Aspekt eines grossen Anteils von gemeinsam genutzten Räumen und Programmen oder der Überlagerung von verschiedenen Nutzungen.
Individuelle Visionen
«Uns liegt es am Herzen, dass die Studierenden eine individuelle städtebauliche Vision entwerfen konnten. Diese sollte zwar auf konkrete, quantitative Ansprüche und Interessen ausgerichtet sein, gleichzeitig aber den Planungsfreiraum haben, qualitative Aspekte wie etwa die Zwischen- und Aussenräume, die stadträumlichen Qualitäten oder Prozesse des Städtebaus eigenständig einzuordnen. Davon erhoffen wir uns ‹frische› Diskussionsbeiträge, wie sich im Hochschulgebiet eine identitätsstiftende, räumliche Gesamtqualität erreichen lässt», sagt Hannes Gutberlet.
Einige Studierende thematisieren in ihren Visionen denn auch, wie sich der Campus mit Repräsentativbauten an der Rämistrasse verdichten und durch grosszügige Parks oder direkte Verbindungen mit dem Quartier oder der Altstadt aufwerten liesse – die Vorschläge beinhalten zum Beispiel eine S-Bahnstation (Yifei Wang, Andreas Meier), einen Werkhof zwischen ETH Zürich und Universitätsspital (Lex Schaul) oder einen Steig, der sich zwischen Universität und ETH Zürich zum Niederdorf hinzöge (Manuel Lergier).
Andere Studierende skizzieren, wie man die Strassen sowie Frei- und Zwischenräume zwischen den Gebäuden und Strassen nutzbringend und identitätsstiftend erschliessen könnte (Nadine Cenoz, Lex Schaul, Basil Witt, Andrea Kunz, Isabelle Fischer) oder sie berücksichtigen die Etappierung und soziologische Aspekte wie Motivation und Bedürfnisse von Interessengruppen (Joel Baur, Leon Faust, Sara Nigg).
Oder sie machen Vorschläge für gemeinsame Räume und Verbindungen, die stark auf den bestehenden Gebäuden aufbauen: Das können Verbindungsbrücken zwischen den Gebäuden sein (Andreas Meier) oder ein wurzelartiges, unterirdisches Geflecht von Räumen für Mensen, Bibliotheken und Hörsälen (Alexander Müller, Nina Cattaneo).
Eine umfassende städtebauliche Vision haben Florian Baumgartner, Cyrill Dettling und Paolo Giannachi entworfen: Sie würden Bahnhofstrasse und Rämistrasse zu einem metropolitanen Ring zusammenschliessen und so die Repräsentativbauten wichtiger Institutionen miteinander verbinden. Ein Netzwerk von bestehenden Gärten verbinden sie mit einem neuen Park, der den Übergang zum Wohnquartier bildete. «Eine fassbare städtebauliche Vision könnte dazu beitragen, dass die Menschen besser verstehen, welche qualitative Entwicklung sie im Hochschulgebiet erwartet», sagt Paolo Giannachi.
Die Arbeiten wurden Vertreterinnen und Vertretern des Kantons und der drei Institutionen, die an der Planung des Hochschulgebiets beteiligt sind, vorgestellt und positiv aufgenommen. «Ich bin offen für eine Diskussion, wie wir die Ideen der Studierenden in die gegebenen Rahmenbedingungen und in die weitere Gebietsentwicklung einbringen können», sagt Peter Bodmer, Delegierter des Regierungsrates für das Projekt Berthold und die Gesamtkoordination im Hochschulgebiet.
Bilder der Ausstellung




Ausstellung der Architektur-Masterarbeiten
Die Masterarbeiten zum Campus Zürich sind bis zum 12. Januar 2016 im ETH-Hauptgebäude ausgestellt - mit 113 anderen Masterarbeiten aus dem Departement Architektur zu architektonischen oder konstruktiven Themen.
ETH-Hauptgebäude
Rämistrasse 101
Foyers D, E und EO Nord und Süd
Montag - Freitag: 06.00 - 22.00 Uhr
Samstag, Sonntag: 08.00 - 17.00 Uhr
Kommentare
Unsere Arbeitsgruppe ARZ (Arbeitsgruppe Raumplanung Zentrum) bestehend aus ehemaligen ETH und UNI, Dozenten und Mitarbeitern, Ärzten und Quartierbewohnern hat den Plan BERTHOLD gründlich durchleuchtet. Die vorliegenden Dokumente, die den Studenten für ihre Arbeit gedient haben, beinhalten unvollständige Informationen. Es fehlen Massstäbe bei den Plänen zur Kontrolle, Grössenangaben des Planungsgebietes, städtebauliche Grunddaten, eine unabhängige Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) wurde nicht durchgeführt. Die Ermittlung der Bedürfnisse von ETH, UNI und Spital ist nicht nachvollziehbar, sie beruht auf Wunschzahlen der Institute und wurden von den Planern von BERTHOLD noch verdoppelt. Die Räume der ETH und der UNI, nicht nur im Zentrum, sind stark unternutzt, eine flexible Nutzung fehlt. Der Nachweis, wie die zukünftigen ca. 50‘000 Benutzer jeden Tag ihren Arbeits- und Studienort mit dem ÖV erreichen, fehlt. Ein massiver volumetrischer Eingriff in das Hochschulquartier neben den Gebäuden unter nationalem Denkmalschutz ist weder städtebaulich tolerierbar, noch ist ein so dichter Forschungs- und Unterrichtscampus mitten in zentrumsnahen Wohnquartieren sozial verträglich. Die Masterarbeiten der Studenten mit ihren grossen Freiflächen und sehr massvollen Gebäudeentwicklungen zeigen das Bedürfnis nach Öffnung des Universitätsquartiers. Das sollten die Verfechter des Plans Berthold zur Kenntnis nehmen und nicht durch einen überlasteten Richtplan zur Masslosigkeit auffordern.
Mit dem Masterthema «Campus Zürich» hat das Departement Architektur den Studierenden die Chance gegeben, dass sie selbständig – und durchaus mit Unterschieden zur der laufenden Planung - einen Diskussionsbeitrag zur Weiterentwicklung des Hochschulquartiers entwerfen können. Die Aufgabe der Studierenden war es, Szenarien und Varianten zu entwerfen, welche die laufende Planung im Hochschulgebiet Zürich Zentrum ergänzen und durch zusätzliche oder neue Aspekte bereichern.
Die Arbeiten der Architekten sind die Auslotung der Möglichkeiten des Plans Berthold, des geplanten medizinischen Campus. Es ist sinnvoll, die vorhandenen Probleme zu explorieren. Seit langem ist der Planungsunterricht nicht mehr im Lehrplan der Architekten der ETH. Die angehenden Architekten meinen, dass man planerische Probleme durch architektonisches Projektieren lösen kann. Das ist ein fataler methodischer Irrtum. Der Vergleich mit der Medizin ist dabei nützlich. Ein Eingriff in einen lebendigen Organismus betrifft immer das Ganze. Immer schon wurde ohne Rücksicht auf Verluste experimentiert. Konrad Röntgen opferte die Hand seiner Frau, um die Strahlung zu testen. Die vorliegenden Projekte zeigen, dass die Studenten die im Plan Berthold richtplanmässig geforderten 1,2 Million Quadratmeter Geschossflächen im Hochschulgebiet (Ausnutzungsziffer 3,5) mit täglich 50‘000 Benutzern nicht kannten. Sie wünschen sich hingegen ein offenes Universitätsquartier mit vielen Parks. Eingriffe in einen Stadtkörper sind vorgängig überprüfbar, Human- und Stadtökologie anerkannte Wissenschaften. Bei der Stadt kann man die totale Veränderung oder den Tod eines Gebietes verursachen. Berthold geht von maximierten Forderungen aus, seine Auswirkungen auf die Stadt sind nicht untersucht. So löblich die synergetischen Forschung ist, so unprofessionell ist diese Implantation untersucht worden. Der Plan Berthold ist nicht das gepriesene Jahrhundertprojekt, sondern ein Trojanisches Pferd.
Der revidierte Richtplan legt den Rahmen fest innerhalb dessen die weitere Planung des Hochschulgebiets und insbesondere die Ausarbeitung von Gestaltungsplänen erfolgen können. Er stellt also eine Maximalvariante des städtebaulich Möglichen dar. Die sehr unterschiedlichen Bedürfnisse werden sorgfältig abgewogen, von maximierten Forderungen kann nicht die Rede sein. Ziel ist, das Notwendige - wo möglich - mit dem Wünschenswerten zu verbinden. Die von Kanton und Stadt zusammen mit den Institutionen und fachkundigen Experten erarbeiteten Grundlagen und städtebaulichen Vertiefungsstudien widerlegen den Vorwurf einer unprofessionellen oder gar nicht stattfindenden Untersuchung der Auswirkungen auf das Gebiet. Die öffentlich einsehbaren Berichte http://www.bertholdareal.chcall_made zu den Themen Umwelt, Verkehr, Energie und Freiräume belegen dies klar.
Ich bin stolz auf das, was die Diplomanden dieses Jahr geleistet haben. Ich reise Jahr für Jahr aus Deutschland an, um alles anzuschauen, und dieses Jahr war wieder eine positive Überraschung. Ein Hoch auf die Diplomanden!