Kreative Kinder dank Spielzeug-Apps
Durch «Augmented Creativity» sollen Kinder zu mehr Kreativität, Kooperation und Interaktion mit ihrer Umwelt animiert werden. Das «Game Technology Center» der ETH Zürich präsentiert seine neusten Apps auf diesem Gebiet an der Informatikmesse CeBIT.
Games auf Smartphones und Youtube-Filmchen auf dem Tablet – Kinder kommen heute schon früh mit den Möglichkeiten von mobilen Geräten in Kontakt. In diesem Umfeld haben klassische Spielzeuge, Farbstifte und Malbücher einen schweren Stand. Deshalb wird auch die Kinderstube zunehmend virtuell erweitert und durch Apps zu zusätzlichem Leben erweckt. Solche Formen der «Augmented Reality» präsentiert das Game Technolgy Center der ETH Zürich an der diesjährigen externe Seite CeBIT, der weltgrössten IT-Messe vom 14. bis 18. März in Hannover.
Echtzeit-Animation von Kinderzeichnungen
Die Forschenden des Game Technology Center und Kollegen und Kolleginnen von Disney Research Zürich haben mehrere neue Apps entwickelt und dafür gleich einen neuen Begriff kreiert: «Augmented Creativity». Darunter verstehen sie die Verschmelzung von animierten, virtuellen Elementen mit der realen Umgebung, um die Fantasie und Kreativität bei Kindern zu beflügeln. «Wir nutzen mit unseren Apps die Begeisterung der Kinder für digitale Geräte und regen sie gleichzeitig dazu an, stärker mit der Umwelt zu interagieren», sagt Bob Sumner, Leiter des Game Technolgy Center. Im Fall des erwähnten Malbuchs funktioniert das wie folgt: Kinder malen im Buch zum Beispiel Tintenfische, Bären und Elefanten in den gewünschten Farben aus. Wer nun die Kamera eines Smartphones oder Tablets mit darauf installierter «Augmented Creativity»-App auf die Zeichnungen hält, sieht auf dem Bildschirm einen animierten Avatar der Figur.
Hinter der App steht ein ausgeklügelter Algorithmus, der die Farbe der animierten Figur auf dem Bildschirm mehrmals pro Sekunde der tatsächlichen Zeichnung anpasst. Der Zeichnungsprozess im Malbuch wird in Echtzeit auf die Animation übertragen. Zudem werden die Rückseiten der Figuren, die auf Papier nicht sichtbar sind, für das virtuelle Pendant so realistisch wie möglich berechnet. Aus der Zeichnung wird ein kleines Stück Zeichentrickfilm; «für die Kinder ein magisches Erlebnis», ist Sumner überzeugt. Repräsentative Nutzerstudien mit Kindern gibt es zwar noch keine. Aber erste Rückmeldungen von befreundeten Eltern und deren Kindern seien durchwegs positiv, erzählt der Forscher.
Kollaboratives Gamen in 3D
Das interaktive Malbuch ist eine von insgesamt sechs «Augmented Creativity»-Anwendungen, die Sumner und seine Kollegen und Kolleginnen kürzlich in einer wissenschaftlichen Publikation präsentierten. Darunter ist auch ein kollaboratives Spiel. Bis zu vier Spieler mit je einem Tablet stellen sich um ein Stativ mit einem «Augmented Reality-Marker» herum auf. Werden die Tablets auf den Marker gerichtet, erscheinen auf den Bildschirmen Aliens, Türen und Pfade. Die Spieler müssen sich nun im Raum physisch bewegen und sich vor die virtuellen Türen stellen, um Punkte zu sammeln und die Aliens zu besiegen. Dazu ist Koordination untereinander und Teamgeist notwendig; Gruppenbildungsprozesse und Sozialkompetenzen sollen spielerisch gestärkt werden.
«Augmented Creativity» kann grundsätzlich auf jede Art von Raum angewendet werden, egal ob Buch, Zimmer oder eine ganze Stadt. Die Forschenden präsentieren in ihrem Paper auch eine App zur «Gameification» des öffentlichen Raums. Das Prinzip ist ähnlich wie beim Malbuch: Durch Abfilmen von zuvor definierten Gebäuden mit Smartphones oder Tablets erscheinen via Bildschirm auf den Fassaden virtuelle Elemente, wie zum Beispiel Leuchttafeln oder Zahlenrätsel. Durch die Lösung der Aufgaben können Spielerinnen und Spieler Punkte sammeln; der Stadtspaziergang wird zum Spiel, der Spieler zu dessen Helden.
Augmented Reality für jedermann
Die Apps von Sumners Team sind vorerst Prototypen, um «Augmented Creativity» erfahrbar zu machen und deren Einsatzmöglichkeiten auszuloten. Sie sind weder auf App-Stores zu finden noch fokussiert sich das Team auf deren Kommerzialisierung. Sumner ist jedoch überzeugt, dass das Konzept grosses Potential hat. Nicht nur für Kinder, sondern genauso für Erwachsene. Virtual Reality (VR) und Augmented Reality könnten nämlich schon bald unseren Alltag erobern: Erste Brillen, mit welchen virtuelle Elemente in die reale Umgebung projiziert werden, sollen bald erhältlich sein. Microsoft will seine «Hololens» noch dieses Jahr auf den Markt bringen und dasselbe strebt «Magic Leap» an, ein von Google mitfinanziertes Start-up.
Auch in der Schweiz tut sich einiges: Dem VR-Start-up MindMaze gelang kürzlich die Akquisition von 100 Millionen Dollar Risikokapital und Artanim durfte seine VR-Technologie sogar am diesjährigen Sundance-Festival in Utah präsentieren. Ob sich das Verweben von Reellem und Virtuellem im Alltag durchsetzen wird, hängt aber nicht alleine von der Hardware ab, sondern auch davon, ob Augmented Reality-Apps die Nutzer begeistern werden. An der diesjährigen Cebit kann sich am Stand der ETH Zürich jeder und jede selbst ein erstes Bild davon machen.
Die ETH Zürich an der CeBIT
An der CeBIT 2016, der Messe zur Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft, gastiert die Schweiz dieses Jahr als Partnerland. Die ETH Zürich gibt anhand von Projekten aus den Bereichen der Robotik, Digital Fabrication und Game Technology Einblick in ihre gesellschaftsrelevante Forschung und deren Anwendung.