Eines für alles

Wissenschaftler der ETH Zürich und eines ETH-Spin-offs haben ein neuartiges Polymer zur Materialbeschichtung entwickelt. Es verhindert, dass sich auf einer Oberfläche ein Biofilm ansetzt. Die Forscher können damit erstmals verschiedene Materialien mit dem gleichen Polymer behandeln, wobei die Beschichtung sehr beständig ist. Mögliche Anwendungen liegen unter anderem im medizinischen Bereich.

Vergrösserte Ansicht: Taschenmesser
Das Beschichtungspolymer ist vielseitig anwendbar – wie ein Schweizer Taschenmesser. (Bild: Colourbox.de)

Die inneren Werte und das Äussere sind zwei Paar Stiefel, auch in der Materialwissenschaft. So kommt es vor, dass für eine technische Anwendung ein bestimmtes Material grundsätzlich hervorragend geeignet wäre, wenn da nicht seine unvorteilhafte Oberfläche wäre.

Materialwissenschaftler lösen dieses Problem, indem sie das Material beschichten. Beispielsweise um dessen Oberfläche gleitfähiger zu machen oder – etwa bei Anwendungen unter Wasser oder im biomedizinischen Bereich – um zu verhindern, dass sich darauf mit der Zeit ein Belag mit Algen beziehungsweise mit Proteinen oder Bakterien bildet. Um beispielsweise Metalle vor Bewuchs zu schützen, kommen häufig wasseranziehende Polymere zum Einsatz. Solche Polymerschichten lagern Wassermoleküle ein und verhindern so, dass sich andere unerwünschte Moleküle ablagern können.

Viele der derzeit verwendeten Beschichtungen sind nicht sehr beständig gegen äussere Einflüsse, da sie chemisch nur über eine schwache elektrostatische Bindung mit dem Material verbunden sind. Andere bestehende Beschichtungsprozesse sind in der Anwendung meistens sehr aufwendig und benötigen mitunter giftige Lösungsmittel.

Feste chemische Bindung an mehrere Materialien

Wissenschaftler um Nicholas Spencer, Professor für Oberflächentechnik, und Forscher des ETH-Spin-offs Susos suchten daher nach einer einfachen Lösung, oberflächenaktive Moleküle mit einer festen – sogenannt kovalenten – chemischen Bindung an Oberflächen zu binden. Und zwar so, dass man damit unterschiedliche Materialien beschichten kann, sowie Geräte, die aus mehreren verschiedenen Materialien zusammengesetzt sind. «Wir wollen ein Beschichtungs-Polymer, das so vielseitig anwendbar ist wie ein Schweizer Taschenmesser», sagt Spencer.

Ein solches zu entwickeln, ist den Wissenschaftlern auch gelungen. Das Molekül hat ein langes «Rückgrat». Von diesem gehen einerseits wasseranziehende Seitenketten aus, welche den Bewuchsschutz vermitteln. Anderseits hat das Polymer zwei Arten von Seitenketten für die kovalente Bindung an Metalle: eine für die Bindung an Silizium und Glas, eine andere für die Bindung an Oxide der sogenannten Übergangsmetalle, zu denen unter anderem Titan und Eisen gehören.

«Dip and rinse»

«Beschichtungen mit unserem neuen Polymer sind sehr einfach. It’s just dip and rinse – eintauchen und abtropfen», sagt Spencer. «Und die Beschichtung widersteht auch harschen Bedingungen wie Säuren, Basen, hohen Salzkonzentrationen und Tensiden.»

Das ETH-Spin-off Susos hat das Polymer zum Patent angemeldet. Mögliche Anwendungen sehen die Wissenschaftler primär in der biomedizinischen Diagnostik und der Medizintechnik, beispielsweise für Biosensoren, Implantate und künftige implantierbare Wirkstoffverabreichungssysteme. Denkbar wären aber auch Anwendungen in der Wasseraufbereitung, Schifffahrt und Fischerei sowie der Lebensmittelindustrie, zum Beispiel bei Verpackungen.

Das «Taschenmesser» in seiner jetzigen Form ist dabei vielseitig anpassbar und ermöglicht auch Weiterentwicklungen. So wäre es möglich, das molekulare Rückgrat des Polymers mit Seitenketten zu bestücken, die an weitere Materialen binden, oder man könnte die biofilmverhindernden Seitenketten durch solche mit anderen Eigenschaften ersetzen, wie Spencer sagt.

Literaturhinweis

Serrano A, Zürcher S, Tosatti S, Spencer ND: Imparting Nonfouling Properties to Chemically Distinct Surfaces with a Single Adsorbing Polymer: A Multimodal Binding Approach. Macromolecular Rapid Communications, 9. Februar 2016, doi: externe Seite 10.1002/marc.201500683

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3 Kommentare

  • Heinz Kollbrunner16.02.2016 15:04

    Die Stadt Zürich machte vor einigen Jahren in der Rotbuchstrasse einen technischen Versuch mit der Wärmerückgewinnung aus Abwasser der Schmutzwasserkanalisation. Die eingebauten Wärmetauscher verloren bald an Effizienz, weil sich darauf ein Schmutzfilm bildete. Der Kanal muss deshalb oft gereinigt werden. Würde sich die neue Beschichtungstechnik dazu eignen, die Verschmutzung der Wärmetauscher zu reduzieren oder allenfalls ganz zu vermeiden, also deren Wirkungsgrad zu verbessern?

     
       
    • Thomas Wick15.02.2016 09:36

      Genial. Interessant wäre zu wissen, ob die Beschichtung auch elektrisch leitend gemacht werden kann? Zum Beispiel isolierte Kupferlitzen in oxidierenden Umgebungen. Kupfer in Wasser wird nicht mehr angegriffen.

       
      • Stefan Zürcher15.02.2016 17:49

        Gemäss unseren Erfahrungen beeinflussen diese ultradünnen Schichten (1-5 nm) den elektrischen Widerstand nicht. Das Polymer lässt sich einfach so modifizieren, dass es stark auf Kupfer bindet. Durch Kombination der geeigneten Bindungsgruppe und dem richtigen funktionalen Polymer liesse sich sicher eine Beschichtung finden, die das Korrosionsverhalten von Kupferlitzen positiv beeinflusst. Da die Schichten aber eben nur wenige Nanometer dick sind, kommen Applikationen, die eine starke mechanische Beanspruchung involvieren oder bei denen eine Haltbarkeit von mehreren Jahren verlangt wird, wahrscheinlich eher nicht in Frage. Wir können uns aber vorstellen, dass man so einen optimierten Film benutzen könnte, um das Interface zwischen Kupfer und einer dickeren leitfähigen Schicht zu optimieren, was dann zu einer verbesserten Adhäsion und Stabilität führen würde.