Wasserkraft vor Sedimenten schützen

Sedimente lagern sich am Grund von Stauseen ab und schädigen die Turbinen von Wasserkraftwerken. Moderne Methoden erlauben es, Transport, Ablagerung und Beseitigung von Sedimenten in Echtzeit zu untersuchen.

Vergrösserte Ansicht: Sedimentablagerungen im entleerten Räterichsbodensee
Eindrückliche Sedimentablagerungen im entleerten Räterichsbodensee, Bern. (Bild: Jan Stamm / Kraftwerke Oberhasli)

Wasserkraft ist weltweit die wichtigste Quelle für erneuerbare elektrische Energie. Oft stören aber Sedimente ihren reibungslosen Betrieb. Viele Stauseen und Flussabschnitte oberhalb von Laufwasserkraftwerken füllen sich mit Geschiebe und Erosionsmaterial aus ihren Zuflüssen. Ohne passende Gegenmassnahmen verringert sich das Stauvolumen stetig, bis es irgendwann komplett verschwindet.

Das beeinträchtigt die Produktion von Wasserkraft: Ein Speicherkraftwerk wird so allmählich zu einem Laufkraftwerk und verliert damit seine Hauptfunktion. Diese besteht darin, bei hoher Nachfrage Spitzenenergie zu liefern. Weiter nutzen Sedimente hydraulische Maschinen ab, beispielsweise Turbinen und Pumpen. Sie schaden aber auch Nebenanlagen wie Stauwehren, Entsandern oder Spülkanälen. Das erhöht die Kosten für Betrieb und Unterhalt. Der «hydro-abrasive» Verschleiss von Turbinen verändert zudem deren Geometrie, was den Wirkungsgrad und damit die Produktionskapazität weiter senkt.

Gegenmassnahmen tun Not

Der Stausee Koorawath in Australien ist vollständig mit Sedimenten gefüllt.
Vollständig mit Sedimenten gefüllt: Der Stausee Koorawath in Australien. (Bild: Hubert Chanson / University of Queensland)

Es gibt eine Vielzahl von Massnahmen, um mit Sedimenten optimal umzugehen. Ihnen allen ist gemein, dass sie hohe Investitionskosten verursachen oder sehr viel Wasser benötigen, das dann nicht mehr für die Energieproduktion bereit steht. Ohne Kompromisse lassen sich Wasserkraftwerke also nicht langfristig wirtschaftlich, umweltfreundlich und sozialverträglich betreiben. Zudem schreiben heutzutage die Wasserrechtsgesetze vieler Länder vor, die Durchgängigkeit von Sedimenten an Standorten wiederherzustellen, wo diese teilweise oder ganz durch Stauwehre, Talsperren oder andere Querbauwerke unterbrochen ist (siehe dazu diesen Blogbeitrag).

Zu den erfolgsversprechenden Lösungen, die technisch machbar und umweltverträglich sind, zählen unter anderem Folgende:

  • Bau von Sedimentumleitstollen
  • Durchleiten von Trübeströmen (stark feinsedimenthaltige Abflüsse)
  • Regelmässiges Spülen von Staubecken durch Tiefauslässe
  • Beseitigung der Sedimente durch Absaugen

Ein neuer Ansatz

Eine weitere Methode, die meiner Ansicht nach künftig weiter erforscht werden sollte, ist das stetige Durchleiten von Schwebstoffen via Triebwasserweg und Turbinen in unterhalb liegende Flussabschnitte. Auf diese Weise bleibt der Sedimentfluss weitgehend auf seinem ursprünglichen Niveau vor dem Bau der Wasserkraftanlagen erhalten. Diese Methode ist trotz der damit verbundenen erhöhten Abnutzung von hydraulischen Maschinen vielversprechend, insbesondere in alpinen Staubecken, wo alternative Lösungen entweder unerschwinglich oder von Gesetzes wegen nicht umsetzbar sind. Spezielle Beschichtungen für Turbinen helfen, der Abnutzung entgegenzuwirken.

Mit modernen Messtechniken kann man heute in Echtzeit untersuchen, wie Sedimente transportiert, abgelagert und wieder beseitigt werden und wie sie die Erosion von hydraulischen Maschinen beeinflussen. Eine ständige Echtzeit-Überwachung der Konzentration und Partikelgrösse von Sedimenten ermöglicht es den Betreibern, kurzfristig einzugreifen: So könnten sie, sobald gewisse Schwellenwerte während eines Hochwassers erreicht werden, die Energieproduktion kurzzeitig einstellen, um eine überproportionale Abnutzung der Maschinen zu vermeiden.

Sedimentmanagement wird immer wichtiger

Mehrere Meter tief erodierte Sohle des Sedimentumleitstollens Palagnedra.
Mehrere Meter tief erodierte Sohle des Sedimentumleitstollens Palagnedra im Tessin. (Bild: Christian Auel / ehem. VAW, ETH Zürich)

Unsere Forschung im Rahmen des SCCER-SoE [1] konzentriert sich einerseits auf die Erosion von Turbinen, auf Sedimentumleitstollen und Spülkanäle. Andererseits entwickeln wir Vorhersagemodelle und Messtechniken für die Echtzeit-Überwachung des Geschiebes und der Schwebstoffe unter Verwendung experimenteller und numerischer Methoden. Zwar sind zahlreiche Massnahmen bekannt, um die negativen Auswirkungen von Sedimenten in Grenzen zu halten. Unsere Erfahrung zeigt jedoch, dass an jedem Standort individuelle Lösungen erforderlich sind. Vertiefte Kenntnisse der relevanten Prozesse und Messtechniken sind daher die Basis für standortspezifische Lösungen, um optimal mit Sedimenten umzugehen.

Mit dem zunehmenden Alter von Stauseen und dem kontinuierlichen Rückzug der Gletscher aufgrund des Klimawandels wird das Sedimentmanagement bei Wasserkraftanlagen je länger je bedeutender, weil Erosionsmaterial und Geschiebe zunehmen. So bedauerlich der Gletscherrückzug ist, er bietet aber auch interessante neue Möglichkeiten, um die Wasserkraft im Einklang mit der Energiestrategie 2050 weiter auszubauen.

Dieser Beitrag erscheint auch im externe Seite Blog des SCCER-SoE.

Weiterführende Informationen

[1] Das «Schweizer Kompetenzzentrum für Energieforschung – Strombereitstellung» (externe Seite SCCER-SoE)

Zum Autor

Robert Boes
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