Mit der Filtermembran auf den Weltmarkt
ETH-Professor Raffaele Mezzenga und sein Oberassistent Sreenath Bolisetty haben eine Filtermembran entwickelt, die effizient Schwermetalle und andere Schadstoffe aus dem Wasser entfernt. Die weltweite Nachfrage ist so gross, dass sie den ETH-Spin-off BluAct Technologies gegründet haben.
Die Publikation schlug ein: Im Januar 2016 publizierten die ETH-Wissenschaftler Raffaele Mezzenga und Sreenath Bolisetty in der Fachzeitschrift Nature Nanotechnology eine Studie über eine in ihrem Labor entwickelte Filtermembran. Sie zeigten darin auf, dass diese Membran wirksam Wasser von Schwermetallen, radioaktiven Abfallstoffen oder giftigen Substanzen sowie von Bakterien reinigt. Sie bindet aber auch Ionen von Gold, Platin und Palladium. Dank der Membran können diese Edelmetalle rückgewonnen werden. Dabei ist sie höchst einfach gestrickt: Sie besteht aus einer Mischung von denaturierten Molkeproteinen und Kohle, aufgetragen auf ein Filterpapier.
Mit Anfragen eingedeckt
Medien weltweit griffen die Geschichte auf – und die Forscher wurden in der Folge mit Anfragen eingedeckt. Von der um die Gesundheit ihrer Familie besorgten Hausfrau aus Hongkong bis zu Bergbaufirmen, die eine Lösung für mit Schwermetall verseuchte Minen-Abwässer suchen – die Menge und Vielfalt der Anfragen hält die beiden Forscher bis heute in Atem.
Im Mai 2016 gründeten Mezzenga und Bolisetty deshalb mithilfe des Investors Keith Boonstra den ETH-Spin-off BluAct Technologies GmbH. Bolisetty ist dessen CEO und Chefentwickler in Personalunion. Mezzenga ist Aktionär, Helfer im Hintergrund und wissenschaftlicher Berater.
BluAct hat soeben eine erste Lieferung von Prototypmembranen in industriellem Massstab hergestellt. Der Spin-off nutzte das Startkapital dafür, die Membran in 90 Ländern national patentrechtlich schützen zu lassen. «Das war sehr kompliziert und teuer, da es auf Stufe Nationen nicht möglich ist, einen in allen Ländern gültigen patentrechtlichen Schutz zu erwirken», sagt Mezzenga. Weil aber die Technologie relativ einfach sei, müssten sie sich vor Nachahmern schützen.
Lizenznehmer produzieren Membran
Zurzeit ist die Herstellung der Membran an externe Partnerfirmen ausgelagert. BluAct stellt dabei sicher, dass die Qualität des Produkts den Vorgaben entspricht. Als Chief Technical Officer wird Bolisetty die Produzenten überwachen und begutachten. «Ich werde wohl in Zukunft viel reisen», schmunzelt er.
BluAct kann alle nötigen Bestandteile liefern, um die Technologie in die Praxis zu bringen. Geplant ist, dass die Membran in bestehende Druckfiltersysteme eingebaut wird und dort bisherige Filter ersetzt. Einen ersten grossen Erfolg haben die ETH-Unternehmer soeben verbuchen können: Die Jungunternehmer haben mit der ISL Group einen Vertrag abgeschlossen. Dieser sichert den Vertrieb von Trinkwasser-Filterflaschen mit der BluAct-Technologie.
Diese Flaschen sollen dann durch Nichtregierungsorganisationen und Behörden in Asien, Afrika und Lateinamerika an Menschen verteilt werden, die keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben. «Das ist ein rein humanitäres Projekt, das uns sehr am Herzen liegt», betont Mezzenga. Damit die Filtermembran auch die Ärmsten erreicht, arbeitet BluAct mit den Behörden zusammen. Im indischen Bundesstaat Andrah Pradesh wurde bereits Land erschlossen, um eine Produktionsstätte zu bauen.
Geld verdienen werden die beiden Jungunternehmer mit grossen Interessenten, Minengesellschaften etwa oder der Industrie. Denn der Wasseraufbereitung mit dieser Filtermembran sind kaum Grenzen gesetzt. Die drei Millimeter dünne Membran kann im Prinzip beliebig gross fabriziert werden, von der Grösse eines Fünf-Franken-Stücks für den Hausfilter bis hin zu einem Quadratmeter grossen Stück für industrielle Anwendungen. Um grosse Mengen an Wasser zu reinigen, können zudem mehrere Membranen gleichzeitig verwendet werden. So dürfte es möglich sein, eine Anlage zu bauen, die pro Stunde 100‘000 Liter Wasser filtriert.
Breites Anwendungsfeld
Die BluAct-Gründer stehen derzeit in Kontakt mit einer Minengesellschaft, die ihr Interesse an der Wunderwaffe gegen Schwermetalle angemeldet hat. Bereits in der Testphase befindet sich die Filtermembran zurzeit bei einer Firma, welche Atomkraftwerke in Europa dekontaminiert. Denn die Membran bindet nicht nur Schwermetalle, sondern auch radioaktives Uran. Sie könnte also auch dazu genutzt werden, radioaktiv verseuchtes Wasser zu dekontaminieren.
Weitere Geschäftsfelder, die BluAct anpeilt, sind auch die Schwer- und Elektronikindustrie (zur Rückgewinnung wertvoller Metalle), die Landwirtschaft und nicht zuletzt die Trinkwasseraufbereitung für den Hausgebrauch. Denn mit einer neuen Studie haben Bolisetty und Mezzenga aufgezeigt, dass die Membran auch Arsen hocheffizient aus dem Wasser entfernt (s. Kasten). Er ist damit in Gebieten, wo dieser Giftstoff die Gesundheit der Menschen bedroht, eine für viele Betroffene kostengünstige Lösung.
Weitere Investoren gesucht
Um ihr Unternehmen voranzubringen und auszubauen, brauchen Bolisetty und Mezzenga weitere Geldgeber. Eine nächste Chance bietet ihnen ein renommierter Wettbewerb für neue Technologien in Manchester (GB). Bolisetty wird dort BluAct vorstellen. Das ETH-Spin-off ist im Bereich «Energie und Umwelt» unter die besten 10 Jungfirmen vorgestossen. Dadurch hofft der Oberassistent auf Investoren zu treffen, die er für seine Idee begeistern kann.
Wie hoch das Potenzial für BluAct generell ist, darauf wollen sich weder Bolisetty noch Mezzenga festlegen. «Sauberes Wasser ist weltweit von grosser Bedeutung. Wie gross aber unsere Firma wird, können wir derzeit nicht abschätzen», sagt Bolisetty. «Zurzeit konzentriere ich mich voll und ganz auf BluAct. Wir arbeiten sehr hart daran, damit wir mit unserer Technologie möglichst viele Bereiche der Wasseraufbereitung abdecken können.»
Neue Studie: Membran entfernt auch Arsen
In einer neuen Studie, die soeben in der Fachzeitschrift Chemical Communications erschienen ist, weisen Bolisetty und Mezzenga nach, dass die von ihnen entwickelte Filtermembran auch Arsen (in Form von Arsenat und Arsenid) effizient bindet und nahezu restlos aus dem Wasser entfernt. Die Membran lässt überdies mehrere Filtrationszyklen zu, ohne dass die Reinigungskraft nachlässt.
Die ETH-Forscher konnten die Wirksamkeit ihrer Methode anhand von real verseuchtem Trinkwasser nachweisen. Dieses stammt aus der Region des Atitlán-Sees in Guatemala. Die Gegend dort ist vulkanisch geprägt, und das Wasser enthält von Natur aus viel Arsen und Quecksilber. Untersuchtes Trinkwasser von dort kann bis zu 80 Mikrogramm Arsen pro Liter enthalten. Das ist das Achtfache des von der WHO empfohlenen Grenzwerts von 10 Mikrogramm Arsen pro Liter. Dieser gilt auch für die Schweiz.
Für Mezzenga ist diese Studie ein Durchbruch: «Viele bei uns eingegangene Anfragen betrafen Arsen. Dieses Element hatten wir in unseren Laborversuchen bis dahin nicht berücksichtigt. Umso glücklicher sind wir, dass die Membran auch diesen Giftstoff unter Feldbedingungen eliminiert.»
Als nächstes wird die Filtermembran auf regionale Filter angepasst und relativ kostengünstig für die Menschen in der Region Atitlán bereitgestellt. Dazu wird das Labor von ETH-Professor Mezzenga mit der der Universidad del Valle de Guatemala unter der Leitung von Monica Orozco zusammenarbeiten. Die Forschenden hoffen, so die Risiken, die von der schleichenden Arsenvergiftung ausgehen, erheblich reduzieren zu können.
Literaturhinweis
Bolisetty S, Reinhold N, Zeder C, Orozco MN, Mezzenga R. Efficient purification of arsenic-contaminated water using amyloid–carbon hybrid membranes. Chem. Commun., 2017, 53, 5714-5717. DOI: externe Seite 10.1039/C7CC00406K
Bolisetty S, Mezzenga R. Amyloid–carbon hybrid membranes for universal water purification. Nature Nanotechnology, Advanced Online Publication Jan 25th 2016. doi: externe Seite 10.1038/nnano.2015.310externe Seite