Studierende und Firmen gewinnen
Apps entwickeln oder Marktanalysen: Talentierte Studierende des Vereins «ETH juniors» unterstützen seit 20 Jahren Unternehmen mit ihrem Know-How. Eine Erfolgsgeschichte für alle Beteiligten.
Ein kleines Häuschen, idyllisch gelegen oberhalb des ETH-Hauptgebäudes am Zürichberg, ist die Heimat der «ETH juniors». Sie haben sich sprichwörtlich hochgearbeitet, haben sie doch zwanzig Jahre zuvor an jede Türe der ETH Zürich geklopft auf der Suche nach Räumlichkeiten, bis sie diese gefunden haben: Im Stock G des Hauptgebäudes beginnt 1997 mit fünf Gründungsmitgliedern die Erfolgsgeschichte des studentischen Vereins.
Initiant war Frank Floessel, damals ETH-Student der Elektrotechnik und Präsident des Akademischen Maschinen- und Elektroingenieurvereins, welcher das Konzept von den «Junior Enterprise» bereits bei anderen Universitäten beobachten konnte. Daraufhin wusste er: «Das möchte ich unbedingt auch für ETH-Studierende und Schweizer Unternehmen anbieten.» Denn laut Floessel ist das Konzept eine Win-Win-Situation: «Die Studierenden erhalten Einblicke in die Arbeitswelt und können so erste Erfahrungen sammeln. Die Unternehmen profitieren vom fundierten Fachwissen der Studierenden und den trotzdem kostengünstigen Dienstleistungen.»
Mit kreativen Einfällen punkten
Diese Dienstleistungen können sehr unterschiedlich aussehen, von IT-Lösungen wie der Umsetzung einer App bis hin zu betriebswirtschaftlichen Marktanalysen oder Workshops. Die meisten Aufträge sind aber technischer Natur und widerspiegeln die wirtschaftlichen Herausforderungen sowie die angebotenen Studiengänge an der ETH Zürich. «Denn Unternehmen schätzen besonders das technische Know-how der Studierenden bei neueren Technologien wie dem maschinellen Lernen oder Big Data», sagt Robin Bloch, aktueller Präsident der «ETH juniors». Zudem würden die Studierenden mit kreativen Einfällen bei den Auftraggebern punkten, führt Bloch weiter aus.
Der Präsident leitet die «ETH juniors» zusammen mit neun anderen Studierenden. Neben ihren jeweiligen spezifischen Aufgaben sind alle zehn Geschäftsmitglieder für die Betreuung von Kundenaufträgen zuständig. Sie organisieren Meetings mit dem Kunden und suchen gleichzeitig passende, studentische Mitarbeitende. Die Mitglieder sind laut Bloch darum bemüht, dass ihr Verein eine «Unternehmensschule » mit «Start-up-Kultur» ist. So verwundert es nicht, dass sich viele Juniors später selbstständig machen oder sich mit anderen Ehemaligen für eine Firmengründung zusammentun. Beispiele solcher Zusammenschlüsse sind die Start-ups Tempobrain, Climeworks oder GetYourGuide.
So bezeichnet auch Gründer Floessel den Vereinszweck nicht nur als Unternehmungsberatung, sondern auch als Talentschmiede für Studierende, und zeigt sich von der Arbeit seiner Nachfolger begeistert: «Jedes Mitglied übernimmt grosse Verantwortung – es ist daher auch nicht einfach, immer wieder so passionierte Studierende zu finden. Ich bin sehr stolz.» Doch Talent und Motivation reichen nicht aus. Hilfreich war auch die anfängliche finanzielle Unterstützung der ETH und die Vorteile, die es mit sich bringt, den prestigeträchtigen ETH-Brand nutzen zu dürfen.
Floessel und seine Kollegen waren allerdings so erfolgreich, dass sie bereits ab dem ersten Geschäftsjahr finanziell unabhängig waren. Früher zahlten sie sich den Überschuss aus, heute wird ein Teil davon in einen eigenen Fonds investiert. «Damit möchten wir Start-ups und andere Projekte von ehemaligen Juniors finanziell unterstützen », sagt Bloch über den neu geschaffenen «jFund». Erstes Erfolgsbeispiel ist das Jungunternehmen Careship, eine Webplattform für den Seniorenbereich, die stundenweise Betreuungsangebote vermittelt. Das Start-up erhielt nach der ersten finanziellen Unterstützung der Juniors nun auch vier Millionen Dollar eines Investors.
Grosses Potenzial in der IT-Branche
Es ist vielleicht kein Wunder, dass das erste Start-up, das der Fund unterstützt, aus dem IT-Bereich stammt. Junge Menschen sind meistens mit den neuen technischen Errungenschaften aufgewachsen und mit der digitalen Welt vertraut. Etablierten Firmen fehlt dagegen oftmals das Wissen um die neuste Technik.
Dies war auch die Ausgangslage beim Projekt FlyerBits, das kürzlich abgeschlossen wurde: Ein Start-up hatte die Idee, Flyer unterschiedlicher Branchen von Läden, die in der Nähe sind, via App anzuzeigen. Für jeden gelesenen Flyer erhalten Benutzer eine Gutschrift von wenigen Rappen. Den gesammelten Betrag kann er sich entweder auszahlen lassen oder an gemeinnützige Organisationen spenden.
So weit die Idee des Start-ups, jedoch fehlte dem Unternehmen die technische Expertise. So übernahmen ETH-Studierende die App- Entwicklung, Umsetzung und Gestaltung – damit waren sie von Projektstart bis zum Schluss dabei. «Uns ist wichtig, dass die Studierenden die Möglichkeit haben, einen Auftrag von A bis Z durchzuführen», sagt Bloch. Nach vier Monaten Entwicklungsphase war die App fertiggestellt.
Für die Zukunft möchte Bloch, dass die Juniors weiter an vorderster Front mitmischen, wenn es um neue Technologielösungen für die Industrie geht, sowie die eigene Innovationsfähigkeit vorantreiben. Die Stärken der Juniors sind heute wie vor 20 Jahren noch dieselben, deshalb ist Gründer Floessel nach wie vor zuversichtlich, dass sie weiter an der Erfolgsgeschichte schreiben werden.
Dieser Artikel ist in der aktuellen Ausgabe von «Globe» erschienen.