Magmakammern haben Schwammstruktur
ETH-Forschende zeigen auf, dass Magmakammern unter Supervulkanen eher vollgesogenen Schwämmen gleichen als Reservoirs von flüssigem Gestein. Bevor ein solcher Vulkan ausbricht, muss dieser Brei langsam mit Wärme aus dem Erdmantel reaktiviert werden.
Supervulkane sind in allen Belangen – super. Die Eruption des Toba-Vulkans vor rund 74'000 Jahren im heutigen Indonesien war so gewaltig, dass sich das Klima weltweit abkühlte und möglicherweise die Menschheit stark dezimierte. Beim ersten von drei Ausbrüchen des Yellowstone-Supervulkans in den USA vor rund 2,1 Millionen Jahren entstand ein Krater von einer Ausdehnung von 50 mal 80 Kilometern. Rund 2800 Kubikkilometer Material wurden dabei ausgeworfen – rund 10-20 Mal mehr als bei der Eruption des Tambora in Indonesien im Jahr 1815. Und nur schon diese Eruption, welche als die grösste in jüngerer Zeit gilt, hatte weltweit spürbare Folgen.
Noch immer aber geben Supervulkane der Forschung Rätsel auf, da sie schwierig zu untersuchen sind. So ist sich die Wissenschaft einig, dass es in einigen Kilometern Tiefe in der Erdkruste eine Magmakammer geben muss, deren Material bei einem Ausbruch austritt. Welche Form und Konsistenz ein solches Reservoir, darüber sind sich die Experten nicht einig.
Swimmingpool vs. erstarrter Block
So gehen die einen Geologen davon aus, dass unterhalb der Caldera, wie Krater von Supervulkanen auch genannt werden, eingebettet in der oberen Erdkruste, ein gigantisches Reservoir an flüssiger Magma liegt. Der Erdmantel speist dieses Reservoir mit Material und Wärme, und ein solcher Supervulkan kann jederzeit explosiv ausbrechen.
Andere halten es für plausibler, dass die Magmakammer komplett ausgekühlt und erstarrt ist und nur durch massiven Wärmezustrom aus dem Erdmantel verflüssigt wird. Erst dann kann sich eine Eruption ereignen.
«Beides ist wohl nicht richtig», sagt nun Olivier Bachmann, Professor für Vulkanologie der ETH Zürich. Er und seine Gruppe zeigen in zwei Publikationen in der Fachzeitschrift «Nature Geoscience» auf, dass die Wahrheit irgendwo zwischen diesen beiden Extremen liegen dürfte.
Wahrheit in der Mitte?
«Die Magmakammer eines Supervulkans entspricht nicht einer kochenden Suppe, die jederzeit und beim geringsten Anlass überkochen kann», erklärt Bachmann weiter. Auch dürfe man nicht von einem erkalteten und vollkommen erstarrten Magmakörper ausgehen, da in kürzester Zeit ein enormer Wärmeeintrag nötig wäre, um einen solchen zu reaktivieren. Beim Auskühlen und Erstarren würden ausserdem flüchtige Stoffe wie Wasser und CO2 aus dem Körper entweichen. Diese Stoffe sind jedoch für eine Eruption nötig, da sie den entsprechenden Druck in der Magmakammer aufbauen.
Wie die Untersuchungen von Bachmanns Doktoranden Dawid Szymanowski am Beispiel der Supervulkaneruption des Kneeling Nun Tuffs in New Mexico aufzeigen, ist die Magmakammer eines Supervulkans eine Mischung aus kristalliner, also fest gewordener Magma, und flüssiger Gesteinsschmelze. Mehr als 40 bis 50 Prozent des Reservoirs liegt in kristalliner Form vor. Die Kammer dürfte nach Ansicht der ETH-Forscher schwammartig aufgebaut sein und eine Netzstruktur aus auskristallisiertem Gestein aufweisen, in deren Poren Schmelze sitzt – Kristallbrei, wie Szymanowski sie nennt.
Seltene Minerale als Datenlogger
Dieser Brei dürfte sehr lange in der Magmakammer verweilen, ehe er an die Oberfläche geschleudert wird. Dies schliesst Szymanowski aus der Analyse von Zirkon und Titanit, zwei Spurenminerale die in dem Magma vorkommen. Zirkon ist das kristalline Material der ältesten bekannten Gesteinsproben der Erde. Einige Kristalle, die in Australien gefunden wurden, sind circa 4,4 Milliarden Jahre alt.
Zirkon- und Titanitkristalle speichern einerseits den Zeitpunkt, an dem sie gebildet werden, andererseits die Temperatur, die während ihrer Entstehung herrschte, da der Einbau von chemischen Elementen in das Kristallgitter von dieser Temperatur abhängt. Nach der Kristallbildung verändert sich die chemische Zusammensetzung dieser Minerale in einer Magmakammer kaum mehr, selbst wenn sich die Bedingungen in der Magmakammer markant ändern.
Indem die Forscher das Alter und die chemische Zusammensetzung von Zirkonen und Titaniten aus unterschiedlichen Gesteinen im Labor analysieren, erhalten sie Auskunft über den Temperaturverlauf einer Magmakammer über die Zeit. Bei einem Ausbruch gelangen diese beiden Mineralien an die Oberfläche, wo sie in entsprechenden Gesteinsschichten gefunden werden können.
Aus diesen Untersuchungen schlossen die ETH-Vulkanologen, dass die Temperatur in der Magmakammer, welche die Kneeling Nun Tuff-Eruption speiste, über eine halbe Million Jahre zwischen 680 und 730 Grad gelegen haben muss. Die Mineralien zeigten den Forschern auf, dass der Supervulkan sehr lange gebraucht hat, bis er voll «aufgeladen» war und ausbrechen konnte.
Computermodell stützt Mineralanalysen
Die Mineralanalysen stützen auch ein Computermodell, das Ozge Karakas, eine Post-Doktorandin in Bachmanns Gruppe, erstellt hat. Dieses Modell wurde im Juni ebenfalls in der Fachzeitschrift «Nature Geoscience» veröffentlicht. Es beschreibt ein System einer Magmakammer in der oberen Erdkruste, die mit weiteren Kammern in der unteren Kruste in Verbindung steht.
Heisse, ursprüngliche Magma bildet sich im Erdmantel. Sie ist bei der Entstehung etwa 1200 Grad heiss und steigt über Risse und Kamine in die obere Erdkruste auf. Dort bildet sie ein Reservoir, welches auskühlt, und teilweise kristallisiert, aber hunderttausende von Jahren als Kristallbrei überdauern kann.
Mithilfe dieses Modells konnten die Wissenschaftler zeigen, dass es keine gigantischen Mengen an Material in kurzer Zeit aus dem Mantel braucht, um ein dauerhaftes Reservoir in der oberen Kruste zu bilden. «Die Bedingungen in der oberen Kruste eignen sich nicht um in kürzester Zeit so viel Material aufzunehmen und zu lagern», sagt Karakas. Allerdings brauche es eine Verbindung zu Magma in der unteren, um den Wärmetransport zu gewährleisten. Bisher hätten Forscher die untere Kruste nicht in ihre Überlegungen einbezogen, betont die Geologin. «Aber ohne sie gibt es keine Supervulkane.»
Sehr seltene Ereignisse
Sowohl Modell als auch Mineralienanalyse weisen daher in die Richtung, dass Supervulkane über sehr lange Zeit entstehen, reifen und nur im Abstand von zehntausenden von Jahren ausbrechen können. «Die Magma wird hauptsächlich als kristalline Schwammstruktur konserviert. Und sie muss auf jeden Fall durch Wärmezufuhr reaktiviert werden, ehe sie ausbrechen kann», fasst Olivier Bachmann die Erkenntnisse zusammen.
Eine Voraussage, wann der nächste Supervulkanausbruch bevorsteht, lassen die neuen Erkenntnisse nicht zu. Dazu ist das System noch zu wenig verstanden. Wie solch gigantische Magmareservoirs wachsen und reaktiviert werden, ist nun aber klarer geworden. Diese Erkenntnisse könnten künftig dabei helfen, Anzeichen für eine Reaktivierung eines solchen Vulkansystems besser einzuschätzen.
So explosiv, wie Supervulkane aber gelegentlich dargestellt werden, sind sie wohl nicht. «Die Eruption eines Supervulkans ist – zum Glück für uns – in jedem Fall ein sehr seltenes Ereignis», sagt Bachmann.
Literaturhinweis
Szymanowski D, Wotzlaw J-F, Ellis BS, Bachmann O, Guillong M, von Quadt A. Protracted near-solidus storage and pre-eruptive rejuvenation of large magma reservoirs. Nature Geoscience 10, 777–782 (2017) doi: externe Seite 10.1038/ngeo3020
Karakas O, Degruyter W, Bachmann O, Dufek J. Lifetime and size of shallow magma bodies controlled by crustal-scale magmatism. Nature Geoscience 10, 446–450 (2017). doi: externe Seite 10.1038/ngeo2959