ETH und Microsoft: Jagd auf Talente
Es war ein Spitzentreffen der besonderen Art. Microsoft-Chef Satya Nadella und ETH-Präsident Lino Guzzella diskutierten an der ETH über den Wettbewerb zwischen Wirtschaft und Forschung.
Es war ein Kamintalk – wenn auch ohne Kaminfeuer. Entsprechend höflich eröffnete Lino Guzzella das Gespräch mit seinem Gast, Microsoft-CEO Satya Nadella. Es sei ihm eine grosse Ehre, Microsoft sei für die ETH «sehr wichtig», und er hoffe, umgekehrt gelte das auch. Es folgte eine Auslegeordnung zu den technologischen Entwicklungen von Gegenwart und Zukunft, wobei Nadella die zunehmende Bedeutung von künstlicher Intelligenz (Artificial Intelligence AI), mixed reality und Mensch-Maschine-Interaktionen herausstrich.
Sowohl er wie auch der Gastgeber waren sich einig, dass diese Entwicklung bei vielen Menschen Ängste auslöst, denen es zu begegnen gilt. «Die Herausforderung besteht darin, den Menschen die Chancen, aufzuzeigen, die in der Technologie liegen», so Nadella. Er betonte, dass AI Jobs schaffen könne, indem sie beispielsweise Menschen mit körperlichen Einschränkungen neue Arbeitsmöglichkeiten eröffne. Allerdings brauche es dazu Regulierung, so der Microsoft-CEO. «Aber gut ausgearbeitete Regulierung.» Auch hier pflichtete der ETH-Präsident bei.
Privatwirtschaft: Gefahr für die Wissenschaft?
Doch mit der Zeit brachte der Präsident herausforderndere Themen zur Sprache. «Ich bin bekannt dafür, unbequeme Fragen zu stellen», sagte er und erntete dafür sowohl im Publikum wie auch beim Gast wohlwollendes Gelächter. «Microsoft ist für uns ein faszinierender Partner - aber auch ein etwas bedrohlicher.Wir schätzen die Forschungszusammenarbeit mit Ihnen, doch verlieren wir hin und wieder auch einige der brillantesten Köpfe an Sie. Ich befürchte, dass Sie damit unsere Nachwuchsförderung behindern und somit auch unsere Kapazitäten für wissenschaftliche Durchbrüche», sagte er. Eine Kritik, die Nadella mit Nonchalance aufnahm. «Sie haben absolut recht», sagte er. «Langfristig liegt eine starke universitäre Forschung in unserem eigenen Interesse. Wir wollen deshalb ein Umfeld schaffen, in dem Menschen möglichst einfach zwischen der Industrie und den Ausbildungsstätten pendeln können.» Er plädierte für Forschungspartnerschaften, von denen beide Seiten profitieren könnten.
Dass dieser Austausch funktionieren kann, zeigte der Mann, der im zweiten Teil zur Runde stiess. Marc Pollefeys ist Forschungsleiter bei Microsoft und Professor und Leiter des Instituts für «Visual Computing» an der ETH. Zwar denkt auch er, dass der Austausch zurzeit noch etwas einseitig Richtung Industrie läuft, aber: «Ich habe auch schon einige Leute von Microsoft für mein Institut rekrutiert», sagte er. «Ich denke, unter dem Strich ist es ein ziemlich produktiver Austausch.»
Frauenmangel: Kulturwandel tut not
Weniger erfreulich ist allerdings der Umstand, dass der Frauenanteil in der Informatik weit unter den Möglichkeiten liegt. «Wir verzeichneten in den letzten Jahren eine Verdoppelung der Studierendenzahl in Informatik, aber nur knapp 20 Prozent davon sind Frauen. Sieht es bei Microsoft besser aus?» wollte der ETH-Präsident wissen. Nadella verwies darauf, dass Mitte der 80er Jahre, als Melinda Gates an der Duke University studierte, der Frauenanteil dort bei 35 Prozent lag; heute ist er hingegen höchstens 20 Prozent.
Zwar setze Microsoft etwa beim Nachwuchsprogramm «MACH» (Microsoft Academy for College Hires) bewusst auf weiblichen Nachwuchs. «Die Richtung stimmt», sagte Nadella. Trotzdem betonte er: «Wir müssen eine Unternehmenskultur schaffen, die darauf ausgerichtet ist, dass sich Frauen wohlfühlen. Sonst wird sich nichts ändern.»
Lino Guzzella sieht nicht nur Handlungsbedarf bei der Frauenrekrutierung, sondern generell in der Haltung gegenüber den technischen Disziplinen: «Wir müssen in die Primarschulen und zu den Leuten auf der Strasse gehen, und wir müssen auch den Politikerinnen und Politikern verständlich machen, dass die Gesellschaft von der Computertechnologie stark profitiert.»
Von seinem prominenten Gast wollte er zum Abschluss noch wissen, was das Geheimnis seines Erfolgs sei. Eine Frage, die zuerst mit einer Portion Bescheidenheit gekontert werden musste. «Wenn ich mich selbst als erfolgreich sehen würde, wäre das mein Ende», sagte Nadella. Als er bei Microsoft anfing, habe er niemals das Ziel gehabt, CEO zu werden. Doch dann liess er sich schliesslich doch noch so etwas wie eine Formel zum Erfolg entlocken: «Was auch immer Du tust, geh einfach davon aus, dass es das Beste ist, was dir passieren kann.»