Ein Verbot wäre ein Rückschlag

Die heute eingereichte Volksinitiative für generelles Tierversuchsverbot würde die Medikamentenentwicklung in der Schweiz faktisch verunmög­lichen, meint ETH-Vizepräsident Detlef Günther.

Detlef Günther

An der ETH wird kein einziges Tier leichtfertig in einem Experiment eingesetzt: Sämtliche Tierversuche müssen vom Veterinäramt und der Kommission für Tierversuche des Kantons bewilligt werden. Und jede Wissenschaftlerin, jeder Wissenschaftler muss sorgfältig darlegen, ob der erwartete Erkenntnisgewinn die Verwendung eines Tiers rechtfertigt. Die Tierschutzbestimmungen unseres Landes gehören zu den strengsten der Welt. Diese hohen Standards sind wichtig und richtig, und dafür werden die Forschenden an der ETH wie auch am Unispital und an der Universität Zürich speziell geschult. Damit bekennen wir uns zu vorbildlicher Tierhaltung und sorgfältiger Versuchsplanung, die von unabhängigen Stellen evaluiert werden.

Meine Erfahrung als ETH-Vizepräsident für Forschung ist, dass unsere Forscherinnen und Forscher, die mit Tieren arbeiten, ihre Aufgabe mit Umsicht und verantwortungsbewusst wahrnehmen und dabei von Expertinnen und Experten professionell unterstützt werden.

Viele Durchbrüche hätten nicht stattgefunden

Die Initianten der Verbotsinitiative für Tierversuche stellen in Abrede, dass solche Versuche einen Nutzen bringen und sie behaupten, dass Tierversuche den Fortschritt sogar behindern. Damit ignorieren sie die vielen Erfolge in der Medikamentenentwicklung. Letztere sind möglich, weil Menschen und verschiedene Tierarten sich ziemlich ähnlich sind. Deshalb ist es wichtig zu verstehen, dass Versuche mit Tieren oft den Boden für Studien am Menschen bereiten oder diese sogar ersetzen.

Von deren Errungenschaften in der Medikamentenentwicklung profitieren in der Schweiz alle. Insulin und Antibiotika wären ohne Laborversuche an Tieren nie entdeckt, diverse Krebsmedikamente nie entwickelt worden. In jüngster Zeit hat ein Forschungsteam der ETH Zürich und des Kinderspitals Zürich auf Basis der Crispr/Cas-Methode ein Werkzeug entwickelt, um Gen-Mutationen gezielt zu korrigieren. Damit heilten die Wissenschaftler Mäuse, die an einer vererbbaren Stoffwechselkrankheit litten, die auch Menschen betrifft.

Viel Engagement für Alternativen

An der ETH bemühen wir uns mit grossem Engagement um die Entwicklung von Alternativen. Unsere Hochschule ist Mitglied des schweizerischen 3R Competence Center1. Wir investieren in die Prinzipien Replace, Reduce und Refine erhebliche Mittel und betreiben auf diesem Gebiet Forschung - mit dem Anspruch, darin eine Vorreiterrolle einzunehmen. Das heisst, wo immer es Alternativen gibt, ersetzen wir Tierversuche, reduzieren die Zahl der eingesetzten Tiere und arbeiten an der Minimierung der Belastung der Tiere. So haben ETH-Forschende zum Beispiel eine Zellkultur-Technologieplattform entwickelt, um die Wechselwirkung von Wirkstoffen mit verschiedenen dreidimensionalen Körpergewebeproben zu untersuchen. Damit können komplexe biomedizinische Fragestellungen beantwortet werden, die bisher Tierversuche benötigten. Dafür wurde das Forschungsteam 2016 mit dem international bedeutenden «Global 3Rs Award/Europe» ausgezeichnet.

«Behutsam geplante und gut evaluierte Tierversuche werden weiterhin notwendig sein, um Menschenleben zu retten und Leiden zu verringern.»Detlef Günther

Das heute eingereichte Volksbegehren verlangt ein generelles Verbot. Für den Forschungsplatz Schweiz wäre dies der falsche Weg. Es würde die weltweit anerkannte biomedizinische Forschung in der Schweiz unmöglich machen. Unser Land würde Forschungs-Knowhow verlieren, nicht mehr zu Innovationen von neuen Medikamenten beitragen können und müsste mit der Abwanderung vieler hochqualifizierter Forschender rechnen.

Fruchtbare Diskussion

Auch wenn wir die Verbots-Initiative ablehnen, so unterstützt sie uns doch in einem: Wir wollen transparentes und wichtiges Wissen über das «Warum» tierexperimenteller Forschung in die Gesellschaft tragen und an einer faktenbasierten Diskussion teilnehmen. Alle Institutionen, die für einen zukunftsfähigen Forschungsplatz einstehen, haben Stellung zu beziehen und sich in die Diskussion einzubringen. So ist es wichtig und ich bin froh, dass Swissuniversities, die Rektorenkonferenz der schweizerischen Hochschulen, diese Initiative ebenfalls deutlich zurückweist.

Die Haltung der ETH Zürich kann mit vielen wissenschaftlichen Resultaten belegt werden und ist deshalb klar: Behutsam geplante und gut evaluierte Tierversuche werden weiterhin notwendig sein, um Menschenleben zu retten und Leiden zu verringern. Und aus diesem Grund hätte eine Annahme dieser Initiative äusserst negative Folgen für die Innovation im Gesundheitswesen sowie weitreichende ökonomische Konsequenzen, die sich zum heutigen Zeitpunkt kaum abschätzen lassen.

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