Was lebt denn da?

Die Standorte der ETH Zürich im Zentrum und auf dem Hönggerberg sind nicht nur Arbeits- und Studienort von 30'000 ETH-Angehörigen, sondern auch Lebensraum zahlreicher Tiere und Pflanzen. Um die Biodiversität zu pflegen, unternimmt die ETH einiges.

Vergrösserte Ansicht: Campus Hönggerberg
Der Campus Hönggerberg wurde bereits zweimal mit der Auszeichnung «Naturpark der Wirtschaft» der Stiftung Natur & Wirtschaft zertifiziert. (Illustrationen: Patricia Keller)

Am Wegrand entlang der HCI-Südfassade leuchten Wildblumen in kräftigen Frühlingsfarben: violett der Wiesensalbei, rosa die Esparsette, gelb der Wundklee, rot der Mohn. Eine Hummel taucht in eine Salbeiblüte ein, um den Nektar herauszuholen. Der Campus Hönggerberg ist nicht nur ein Hort der Wissenschaft, sondern auch Heimat vieler Tiere und Pflanzen und somit der Biodiversität im Siedlungsraum.

Biodiversität, also die Vielfalt des Lebens, ist zurzeit ein grosses Thema. Anfang Mai dieses Jahres warnte der Weltbiodiversitätsrat (IPBES) vor einem beschleunigten Artensterben. Bis zu einer Million von acht Millionen Arten seien bedroht, schrieb der IPBES in einer Medienmitteilung. Grund genug, sich die Frage zu stellen, wie es um die Biodiversität an den Standorten der ETH Zürich bestellt ist und was die Hochschule tut, um Artenvielfalt zu erhalten und zu fördern. 

Vielfältiger Campus Hönggerberg

Wer über das ETH-Gelände streift, wird je nach Jahreszeit Insekten mit seltsamen Namen wie Heupferd, Keulenschrecke oder Blaugrüne Mosaik­jungfer entdecken. Auch Vögel sieht man: Haussperlinge, die auf dem Hauptplatz um Brosamen streiten, die Ringeltaube mit weiss leuchtendem Halsfleck oder den unscheinbaren Grauschnäpper, der von einer Baum­spit­ze aus Insekten jagt. Zuweilen kreisen Rotmilane und Baumfalken in der Luft.

Für Amphibien auf Stadtgebiet ist der ETH-Standort Hönggerberg ein wich­tiger Lebensraum. Dies, weil er nahe am Wald liegt und passende Laich­gewässer bietet. Im Frühling machen sich Bergmolche, Erdkröten und Grasfrösche auf Wanderschaft und suchen beispielsweise den Tümpel in der Nähe der Sporthalle auf. Auch Säugetiere fühlen sich auf dem Campus wohl. Igel, Dachs und Fuchs bewohnen das Gelände, Rehe wechseln vom Käferberg- in den Hönggerberg-Wald.

Engagement zahlt sich aus

Ein Grund für die Artenvielfalt ist, dass die Grünflächen der ETH Zürich seit Jahren ökologisch aufgewertet und gepflegt werden. Auf dem Höngger­berg ist seit fast 20 Jahren Fritz Graber dafür zuständig. Er, ein Mitarbeiter und externe Gärtner im Auftragsverhältnis bewirtschaften sechs Hektar Nutz-, Sport- und Magerrasen sowie 13 Hektar Wiesland. Dieses wird nicht gedüngt und nur zwei- bis dreimal jährlich gemäht, damit sich die Biodiversität entfalten kann. Weiter pflegen ETH-Grünflächenmanager auf dem Hönggerberg 1300 Bäume, darunter ökologisch wertvolle Laubbäume wie Eichen. Als Lohn für ihr Engagement wurde der Campus Hönggerberg bereits zweimal mit der Auszeichnung «Naturpark der Wirtschaft» der Stiftung Natur & Wirtschaft zertifiziert.

Auf diesen Lorbeeren ruht sich Graber indessen nicht aus. Auf Betreiben von Grün Stadt Zürich liess er rund um den SeedCity-Garten ein Dutzend einheimischer Obst- und Nussbäume setzen. Diese Bäume sind ein wichtiges Element für die Biodiversität.

Für die Amphibien mussten besondere Schutzmassnahmen getroffen werden. ETH-Mitarbeiter deckten alle Schächte der Gebäude mit feinmaschigem Drahtgitter ab oder brachten Ausstiegshilfen für die Tiere an. Das hat Hunderten von Fröschen, Kröten und Molchen auf dem Campus Höngger­berg das Leben gerettet.

Gefördert wird die Biodiversität auch auf den Dächern. Ein Beispiel ist die Dachsanierung des HPM-Gebäudes. Dort begrünten die Gärtner das mit unterschiedlichen Substraten bedeckte Dach mit Pionierpflanzen, die Trockenheit und Hitze aushalten. Von solch humusarmen und trockenen Standorten profitieren verschiedene Wildbienen und Pflanzen, die sonst nicht auf dem Campus vorkommen.

Künstlicher Fels lockt Fledermäuse an

Vergrösserte Ansicht: Hauptgebäude ETH Zürich
Rund um das Hauptgebäude trifft man auf Felsbewohnerinnen und -bewohner.

Dass sich der Einsatz für die Biodiversität lohnt, zeigt sich auch im Zentrum. Auf einigen Grünflächen wurden blumenreiche Haine angelegt und Wildbienenhotels aufgestellt; jüngstes Beispiel ist ein Areal beim Rechenzentrum Haldenbach. Schon länger ökologisch aufgewertet ist eine Strassenböschung an der Karl-Schmid-Strasse. An beiden Orten entfaltet sich eine Blütenpracht, die Hummeln und Wildbienen anzieht.

Ökologisch interessant ist zudem das Hauptgebäude. Auf bestimmte Vögel und Fledermäuse wirkt es wie eine Felslandschaft, mit Spalten und Ritzen, die den Tieren Unterschlupf und Nistplätze bieten. Besonders prominent bemerkbar machen sich im Sommerhalbjahr die Alpensegler, schwalbenartige Vögel, die laut trillernd ums Hauptgebäude flitzen, wo sie ihre Brut­plätze haben. Auch ihre kleineren dunklen Verwandten, die Mauer­segler, brüten am Hauptgebäude. Selbstverständlich ist das nicht. Moderne Glas-und Stahlgebäude – auch solche der ETH – bieten gebäudebrütenden Vögeln wie Seglern oder Haussperlingen keine Nistplätze mehr.

Das Hauptgebäude hingegen mögen auch andere Flattertierchen: Drei von 15 städtischen Fledermausarten begegnet man hier. Meist sind es Zwerg-, Rauhaut- oder seit rund 20 Jahren auch Weissrandfledermäuse. Sie jagen in der Dämmerung oft über den Grünflächen rund ums Hauptgebäude.

Die Vorliebe der Fledermäuse für den «künstlichen Felsen» hat aber auch einen Nachteil: In lauen Nächten gelangen sie über offenstehende Ober­lichter ins Gebäudeinnere – oft aber nicht mehr hinaus. ETH-Angehörige finden dann die Tiere geschwächt, durstig und apathisch auf. Keineswegs darf man sie mit blossen Händen anfassen, da sie mit einem Biss Tollwut übertragen können. Am besten ruft man den Hausdienst oder die Spe­zia­listen des Fledermausschutzes.

Biodiversitätskapital erhalten

Die ETH hat auch noch einiges zu tun bezüglich Biodiversität: Licht­ver­schmutzung ist ein Thema. Auf dem Campus Hönggerberg wird derzeit ein Konzept für die Aussenraum-Beleuchtung umgesetzt. Dieses sieht vor, vorwiegend LED-Leuchten mit möglichst geringem Blau- und UV-Anteil einzusetzen, um die biologische Uhr von Tieren nicht zu stören. Zudem sollen die Leuchten nur nach unten strahlen, um Lichtver­schmut­zung zu vermeiden. «Die Umsetzung des Beleuchtungskonzepts ist ein weiteres Puzzleteil, um die Biodiversität nachhaltig zu erhalten», sagt Dominik Brem, Leiter Fachstelle Gebäudetechnik, Nachhaltigkeit und Konzepte.

Die zunehmende Bautätigkeit, bei der Boden für immer versiegelt wird, ist für die Artenvielfalt in städtischen Lebensräumen kritisch. Auch die ETH müsse dafür sorgen, dass sie ökologische Qualitäten in die Planung und Architektur integriere, um ausreichend Biodiversitätskapital zu erhalten, findet Stadtökologe Christoph Küffer vom Departement Umweltsystem­wis­sen­schaften.

«Verdichtung, Versiegelung und fehlende Nist- und Unterschlupf­mög­lich­keiten an modernen Gebäuden haben in den vergangenen Jahren die Qualität der Biodiversität in der Stadt, aber auch an den ETH-Standorten verringert», sagt Küffer. Aus seiner Sicht hat insbesondere der Campus Hönggerberg eine gute Ausgangslage, wie etwa eine grüne Umgebung, alte Bäume und grosse Wiesen an den Rändern. «Diese gute Situation sollte man noch besser ausnutzen, um mehr für wildlebende Tiere und Pflanzen herauszuholen», betont der Stadtökologe.

Dieser Beitrag stammt aus der aktuellen Ausgabe des ETH-Magazins «life».

Was Sie für die Artenvielfalt tun können:

  • Einheimische Stauden, Gebüsche und Bäume im eigenen Garten bevorzugen
  • Rasen wenn möglich zu einer Naturwiese umfunktionieren; kein Dünger, pro Jahr maximal zwei- bis dreimal mähen; nicht unter Gebüschen mähen, das gefährdet Igel
  • Nisthilfen für Vögel und Wildbienen aufstellen
  • Auf unnötige Aussenbeleuchtung verzichten; LED-Leuchten statt solche mit hohem Blauanteil benutzen
  • Rückzugsorte für Wildtiere im Garten schaffen: Komposthaufen, Asthaufen, Steine, Mäuerchen
  • Beachten: Frei laufende Katzen sind eine Bedrohung für Wildtiere in der Stadt; insbesondere im Frühling und Sommer, wenn diese ihre Jungen aufziehen
  • Wildtiere nicht füttern  
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