Klimaschutz bringt billigere Energie

Massnahmen gegen den Klimawandel werden gemeinhin mit Energieabgaben und hohen Kosten assoziiert. Doch das Gegenteil ist der Fall: Mit dem Wechsel auf erneuerbare Quellen werden die Energiepreise deutlich sinken.

Anthony Patt

Als die Benzinpreise in den frühen 1980er Jahren in die Höhe schnellten, fragte ich meinen Vater, wie viel das Benzin gekostet hatte, als er Autofahren lernte, damals in New York in den 1930er Jahren. 20 Cent pro Gallone, sagte er, also lediglich 5 Rappen pro Liter. Doch das war nur scheinbar günstig: Gemessen an den Löhnen und Lebenshaltungskosten war Autofahren in den 1930er Jahren sogar teurer als in den 1980ern. Und in den 1980ern teurer als heute.

In der Tat sind die meisten Dinge, die mit Energie zu tun haben, billiger geworden. Es ist ein bekanntes ökonomisches Prinzip: Je mehr eine Industriegesellschaft von etwas produziert, desto eher setzen Skaleneffekte ein, steigt die Effizienz und sinken die Kosten. Das hat uns erschwingliche Autos, Computer und LED-Lampen gebracht.

Erneuerbar wird günstig

Solarpanels
Fliesst, wenn die Sonne scheint: Solarstrom wird immer günstiger. (Bild: iStock/Petmal)

Um den Klimawandel zu begrenzen und den Planeten für zukünftige Generationen zu erhalten, haben wir etwa 25 Jahre Zeit, die CO2-Emissionen aus dem Energieverbrauch zu eliminieren. Der wirtschaftlichste Weg dahin ist, Strom aus erneuerbaren Quellen für unsere Autos, Heizungsanlagen und fast alles andere zu verwenden. In den wenigen Fällen, wo das nicht funktioniert, etwa bei Flugzeugen, können wir ebenfalls erneuerbare Energie nutzen, um saubere Brennstoffe aus Luft und Wasser zu synthetisieren. Das mag aus jetziger Sicht utopisch klingen – ist es aber nicht. Der Punkt ist: Auch erneuerbare Energie folgt denselben ökonomischen Regeln fallender Kosten, sogar noch stärker als fossile Brennstoffe.

In den letzten 20 Jahren sind die Gesamtkosten für die Produktion von Solarstrom um 90 Prozent auf rund 5 Rappen pro kWh gesunken, etwa gleich viel wie Strom aus Kohle und Erdgas. In den nächsten 20 Jahren werden die Kosten für Solarstrom voraussichtlich um weitere 50 bis 75 Prozent sinken.

«Strom wird in Zukunft so günstig sein wie nie zuvor.»Anthony Patt

Ähnlich verhält es sich mit der elektrischen Mobilität. Vor zehn Jahren waren die Gesamtbetriebskosten eines Elektroautos um ein Vielfaches höher als die eines vergleichbaren Benzin- oder Dieselautos. Heute ist das Elektroauto insgesamt bereits etwas günstiger; der Kaufpreis ist zwar leicht höher, aber die Betriebskosten sind deutlich geringer. In zehn Jahren wird das Elektroauto auch in der Anschaffung markant günstiger sein.

Begrenzter Mehrkonsum

Aber sollte uns diese billige Energie Sorgen machen, weil wir umso mehr davon verbrauchen werden? Ich sehe keinen Grund zur Panik. Erstens ist der Energieverbrauch „unelastisch“: Eine Änderung des Preises wirkt sich nur geringfügig auf die Nachfrage aus. Steigt der Energiepreis, pendeln wir immer noch zur Arbeit und heizen unsere Wohnungen, weil wir müssen. Sinkt der Preis, hat dies ebenfalls nur einen kleinen konsumsteigernden Effekt, dem man mit Effizienzmassnahmen entgegenwirken kann.

Zweitens gibt es mehr als genug Sonnenschein, Wind und Erdwärme, um den gesamten erneuerbaren Strom und grosse Teile der Heizenergie zu liefern, die wir brauchen werden. Zwar sind diese Quellen nicht gleichmässig auf dem Planeten verteilt, aber das sind fossile Energieträger auch nicht. Wir haben das klimaneutrale Schweizer Energiesystem mit stündlichen Wettermustern und saisonalen Schwankungen eingehend simuliert. Und stellen fest, dass es am zuverlässigsten und kostengünstigsten funktioniert, wenn wir künftig etwa 25 Prozent unseres Energieverbrauchs importieren. Heute betragen die Energieimporte rund 75 Prozent.

Den Wandel lenken

In der hitzigen Debatte um die geplanten Abgaben geht leicht vergessen, um was es geht: Lenkungsabgaben verteuern fossile Brenn- und Treibstoffe und begünstigen so den Umstieg auf erneuerbare Energien, die dadurch immer günstiger werden. Eine Lenkungsabgabe ist erfolgreich, wenn sie am Schluss niemand mehr bezahlen muss, weil alle umgestiegen sind. Andere Instrumente schaffen direkte Anreize, indem sie etwa die Elektromobilität oder den Austausch von Heizungsanlagen finanziell entlasten. Die meisten Länder setzen beide Mittel ein, um den Umstieg zu fördern. Das sieht auch das neue CO2-Gesetz vor.

Rasches Handeln ist entscheidend

Möglicherweise werden wir dereinst strengere Vorschriften brauchen, wie einst bei verbleitem Benzin oder den obligatorischen Katalysatoren, um gänzlich von den fossilen Energien wegzukommen. Solche Vorschriften werden aber erst dann mehrheitsfähig sein, wenn erneuerbare Energie so preiswert und alltäglich ist, dass nur noch wenige Menschen und Unternehmen fossil unterwegs sein wollen. Das könnte durchaus auch von alleine passieren. Doch mit den richtigen Massnahmen lässt sich der Prozess sicherstellen und deutlich beschleunigen.

Eine stringente Schweizer Klimapolitik kann die CO2-Emissionen hierzulande senken und massgeblich dazu beitragen, dass erneuerbare Energie billiger wird als fossile Energie je war. Das ist auch für andere Länder relevant, deren Klimakurs wiederum unsere Zukunft bestimmt. In den nächsten 20 Jahren wird eine Milliarde Menschen in Afrika und Asien Zugang zu Energie erhalten. Ihre Regierungen haben grosses Interesse daran, die günstigere Energieform zu wählen. Handeln ist daher wichtig, und Geschwindigkeit zählt.

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