Wie wir uns an den Klimawandel anpassen können

Thomas Bernauer arbeitete am jüngsten IPCC-Bericht zur Anpassung an den Klimawandel mit. Um Klimafolgen zu mindern, sieht er die Natur und gute Regierungsführung als unsere wichtigsten Ressourcen.

Thomas Bernauer

Heute stellte der Weltklimarat (IPCC) den zweiten Teil des sechsten Sachstandsberichts (kurz: AR6) zum Stand der Klimaforschung vor.1 Während der erste Teil vom letzten August die physikalischen Grundlagen, Ursachen und das Ausmass des Klimawandels beschreibt (siehe Blogbeitrag von Sonja Seneviratne), befasst sich der zweite Teil mit den Konsequenzen der Klimaerwärmung für die Umwelt und die Menschheit.

Intakte Stadt versus Stadt im Klimawandel
Vorbeugen, um die Folgen zu mindern: Auf dem Weg zu einer klimaresilienten Gesellschaft. (Bild: Adobe Stock/Leo Lintang

Ich habe als einer der Leitautoren der Arbeitsgruppe II am neuen Klimabericht mitgearbeitet. Er ist das Resultat eines eindrücklichen Prozesses: Mehrere hundert Forschende analysierten tausende wissenschaftliche Publikationen zu den Folgen des Klimawandels und zur Anpassung an diesen und fassten den aktuellen Wissensstand – vorwiegend per Videokonferenzen – im vorliegenden Bericht zusammen. Heute wurde die Essenz der Erkenntnisse der Politik und Gesellschaft präsentiert.2

Die Botschaft ist eindeutig: Der Klimawandel bedroht das menschliche Wohlergehen und die Gesundheit des Planeten. Anpassungen sind dringend notwendig. Und sie sind möglich. Die folgenden Befunde erachte ich als besonders wichtig.

Klimafolgen sind allgegenwärtig

Der Klimawandel wirkt sich bereits heute weltweit aus. Die Erde hat sich im globalen Durschnitt seit 1880 um rund 1.1 Grad Celsius erwärmt. Die Folgen sind in praktisch allen Umwelt- und Lebensbereichen klar nachweisbar und teils gravierend. Betroffen sind alle geographischen Zonen von den Tropen bis zu den Polen, sensible Ökosysteme wie Korallenriffe, die Wälder an Land sowie die Seegraswiesen und Algenwälder der Ozeane, aber auch Sektoren wie die Wasser- und Energiewirtschaft, die Landwirtschaft sowie die menschliche Gesundheit und Ernährung.

Selbst wenn es der Menschheit gelingt, den Treibhausgasausstoss bis 2050 auf netto null zu senken und den Temperaturanstieg auf 1.5 Grad zu begrenzen, sind weitreichende Risiken und Schäden für Umweltsysteme und Menschen vielerorts nicht mehr vermeidbar. Am grössten sind die Klimarisiken für Natur und Menschen in den Regionen mit dem höchsten Temperaturanstieg, an den Küsten, entlang von Flüssen, und in den Gebirgsregionen.

Der neue Bericht begnügt sich jedoch nicht mit der Auflistung von Risiken und Schäden. Vielmehr konzentriert er sich – stärker als sein Vorgänger und quer durch alle 18 Kapitel – auf Lösungen im Sinne der Anpassung an den Klimawandel.

Der Anpassungsgraben wächst

Erfreulich ist, dass in jüngerer Zeit viele Anpassungsaktivitäten in Gang gekommen sind, insbesondere in den Bereichen Hochwasserschutz, Bewässerung und Wasserversorgung. Allerdings sind solche Schutz- und Anpassungsmassnahmen gegen den Klimawandel geographisch sehr ungleich verteilt. In vielen Staaten und Regionen stossen Anpassungsprozesse bereits heute teilweise an ihre Grenzen.

Es tut sich zunehmend ein Nord-Süd-Graben auf: In armen und schlecht regierten Ländern des Globalen Südens wächst der sogenannte «Adaptation Gap», die Kluft zwischen wachsenden Klimarisiken und gesellschaftlichen Massnahmen zu deren Begrenzung, deutlich schneller.

«Klimaanpassung ist weit mehr als nur neue Infrastruktur – es handelt sich um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.»Thomas Bernauer

In den globalen Krisenherden gelten 3,3 Milliarden Menschen als besonders durch den Klimawandel gefährdet. Ihre Verletzlichkeit erhöht sich zusehends durch überlappende Probleme wie Armut, schwache bzw. instabile oder korrupte Regierungen, fehlendes Vertrauen in Behörden sowie eingeschränkter Zugang zu Energie, Wasser, Sanitäranlagen und Gesundheitsdiensten, insbesondere in informellen Siedlungen. In solchen Gebieten war die Zahl der Todesfälle durch Überschwemmungen, Dürren und Stürme in den letzten zehn Jahren bis zu 15-mal höher als in reicheren Ländern, was die Klima-Ungerechtigkeit widerspiegelt.

Unsere stärksten Waffen

Wie also kann sich die Menschheit erfolgreich an den Klimawandel anpassen? Der Bericht liefert klare Antworten:

  • Die Natur ist eine unserer wichtigsten Verbündeten. Stärkerer Naturschutz kann bei der Anpassung an den unvermeidbaren Teil des Klimawandels enorm helfen. Ein gesunder Planet ist essenziell: Er stellt uns Nahrung und Wasser bereit, sichert den Lebensunterhalt vieler Menschen, und hilft, das Katastrophenrisiko zu verringern.
  • Als besonders bedeutend erachte ich zweitens die Förderung einer klimaresilienten Entwicklung (engl. climate resilient development). Der Begriff verknüpft Anpassung und Vermeidung des Klimawandels mit den nachhaltigen Entwicklungszielen (SDGs) der UNO. Widerstandfähigkeit bedingt dann neben Infrastruktur wie Hochwasserschutz zum Beispiel auch den klimatauglichen Umbau von Landwirtschafts-, Ernährungs- und Gesundheitssystemen.
  • Schliesslich «Good governance»: Gut geführte Regierungen, die auch in akuten Krisen funktionieren, werden zur zentralen Ressource. Good governance hilft, Armut, Korruption und soziale Ungleichheit zu bekämpfen – und bildet eine grundlegende Voraussetzung, um den Adaptation Gap zu überwinden.

Es braucht einen raschen gesellschaftlichen Wandel

Als Politikwissenschaftler kann ich nicht oft genug betonen: Klimaanpassung ist mehr als nur neue Infrastruktur. Erfolgreiche Anpassung erfordert zwar Geld, Stahl und Beton – doch Technologie allein wird es nicht richten. Es handelt sich vielmehr um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, bei der politische und soziale Institutionen und unser aller Engagement eine zentrale Rolle spielen.

Für alle Gesellschaften, insbesondere auch für die stark vom Klimawandel betroffene Schweiz, ist zudem der Faktor Zeit enorm wichtig. Viele Anpassungsprozesse erfordern langjährige Investitionen und Strukturveränderungen. Je länger die Emissionen ungebremst steigen, desto kleiner werden unser Handlungsspielraum und das Zeitfenster, um unvermeidbare Klimarisiken zu begrenzen.

Referenzen

1 IPCC Climate Change (2022): Working Group II contribution to the Sixth Assessment Report (AR6): externe Seite Impacts, Adaptation and Vulnerability
2 IPCC (2022): AR6 WGII: externe Seite Summary for policymakers

Kommentare

Kommentar schreiben

Kommentar schreiben

Wir freuen uns, wenn Sie an dieser Stelle Artikel aus den ETH-Newskanälen kommentieren, Fragen stellen oder auch auf Kommentare anderer Leserinnen und Leser reagieren. Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarregeln.

3 Kommentare

  • Alexander Schrade05.04.2022 09:10

    Bei den den meisten Menschen ist die Bedrohung des Klimawandels immer noch nicht angekommen. Ich beobachte tagtäglich Menschen, die nach dem Einkauf in einem Markt des Einkaufzentrums, ihren Diesel starten und 20 Meter weiter zum nächsten Markt fahren. Das zeigt das weder der hohe Ölpreis noch der Klimawandel mit all seinen Katastrophen in den Köpfen der Menschen nicht ankommt. Ca. 90 % der Besucher des EKZ handeln so. Unglaublich. Da kann ich noch so viel Aufklärung betreiben, es dringt nicht in die Gehirne vor.

     
       
    • Martin Holzherr01.03.2022 10:40

      Der wichtigste Ort, wo die Umgebung an steigende Temperaturen, steigende Meeresspiegel und neue saisonale und extremale (wie Hitzewellen) Bedingungen angepasst werden muss, ist die Stadt, denn heute leben bereits 91% aller Japaner in Städten und 80% aller Westeuropäer und in Asien und Afrika nimmt die Verstädterung ebenfalls massiv zu. Vorschlag: Gründung einer UNO-Organisation Urbanisation&ClimateChange oder Stärkung von UNO-Habitat (einer bereits existierenden UN-Organisation).

       
         
      • Max Blatter28.02.2022 16:17

        Anpassung ("adaptation") ist nötig geworden. Aber warum? Weil die Gesellschaft das primäre Ziel, die Eindämmung ("mitigation") des Klimawandels in sträflicher Weise verschlafen hat. Um vier bis fünf Jahrzehnte, um es ganz deutlich zu sagen, denn mindestens solange kennt man die Zusammenhänge zwischen menschengemachtem Ausstoß von Treibhausgasen und Klima-Desaster (um den verharmlosenden Ausdruck "Klimawandel" zu vermeiden), zumindest auf theoretischer Basis. Obwohl Maßnahmen zur "Adaptation" zwingend notwendig geworden sind, sollte man diese m.E. niemals allein, sondern immer gleichzeitig mit der "Mitigation" nennen: Diese ist und bleibt die primäre Aufgabe, und ich werde mich auch weiterhin mit vollem Engagement für einen ihrer Teilaspekte engagieren (nämlich für die Energiewende). Maßnahmen zur "adaptation" sind aus meiner Sicht ziemlich straight-forward und liegen auf der Hand: Intelligenter Hochwasserschutz (mit der Natur statt gegen sie: natürliche Überschwemmungsgebiete, Versickerungsflächen statt Bodenversiegelung), Hitzeschutz in den Stadtgebieten (Beschattung, keine Behinderung der Luftzirkulation), etc. Das eigentliche Problem ist die Finanzierung: Egal wie teuer die notwendigen Maßnahmen sind – sie MÜSSEN ergriffen werden, und zwar bezüglich "adaptation" UND "mitigation"! Es wäre m.E. eine edle Aufgabe der Jurisprudenz, die Möglichkeit einer rückwirkenden Finanzierung nach dem Verursacherprinzip zu prüfen (u.a. durch die Lobbys der fossilen Energieträger) ...