Digitale Verantwortung geht über das Einhalten von Vorschriften hinaus
Firmen, die digitale Technologien verantwortungsvoll einsetzen, haben einen klaren Vorteil, sagt Tomoko Yokoi. Digitale Verantwortung sollte nicht nur als Pflicht zur Einhaltung von Vorschriften betrachtet werden, sondern als Tätigkeit, die Mehrwert schafft.
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In Zeiten wachsenden Misstrauens sind Unternehmen zunehmend gefordert, das Vertrauen ihrer Anspruchsgruppen aufrechtzuerhalten. Vor allem Sorgen um den Missbrauch von Kundendaten und fragwürdige digitale Praktiken haben in den letzten Jahren das Vertrauen untergraben.
So warf der Hackerangriff auf den Schweizer IT-Dienstleister Xplain Anfang Juni ein grelles Licht auf den Umgang mit Cyber-Risiken und Datenschutz – die Angreifer entwendeten sensible Daten der Bundesverwaltung und veröffentlichten einen Teil im Darknet. Derweil verschärft sich das regulatorische Umfeld auch hierzulande: Auf den 1. September hat die Schweiz ihren Datenschutz stärker an die EU-Regulierung angepasst und damit die Anforderungen für hiesige Firmen erhöht.2
Die Forschung zeigt, dass Menschen Unternehmen mit starkem Datenschutz und robuster Cyberabwehr mehr vertrauen.3 Die Gesellschaft erwartet je länger je mehr einen verantwortungsvollen Umgang mit digitalen Technologien. Firmen, die entsprechende Praktiken fördern, haben einen deutlichen Vorteil.4
Meiner Ansicht nach ist digitale Verantwortung nicht nur eine ethische Aufgabe, sondern auch ein Treiber von Wertschöpfung: Marken, die als digital verantwortungsbewusst gelten, geniessen bei ihren Kund:innen, Mitarbeitenden und Partnern ein höheres Mass an Vertrauen und Loyalität. Das steigert die Umsätze und verbessert die Rekrutierungsmöglichkeiten.
Viele Firmen haben die Bedeutung digitaler Verantwortung noch nicht ganz verstanden. Einige sind angesichts der Fülle an regulatorischen Auflagen in der europäischen Datenschutzverordnung oder im neuen Schweizer Datenschutzgesetz überfordert. Oft richten sie ihr Hauptaugenmerk auf die Einhaltung der Vorschriften, was zu einer kurzsichtigen Perspektive auf die Thematik führt.
Darüber hinaus machen die Verheissungen neuer Technologien Unternehmen oft blind für Risiken. Künstliche Intelligenz (KI) und Datenanalyse versprechen schnellere und schlauere Entscheide, doch in Realität schmälern verzerrte Daten oder ungeeignete Methoden die Qualität der Resultate.
Eigene Werte in den digitalen Raum übertragen
Drei Beispiele zeigen, wie ein verantwortungsvoller Umgang mit digitalen Technologien die Wertschöpfung steigern kann.
Apple liess Nutzer:innen die Wahl, ob sie dem Sammeln von Kundendaten zustimmen, was das Vertrauen stärkte. Die Mobiliar entwickelte eine auf die Geschäftsziele abgestimmte Datenstrategie und konnte so ihre Reputation und Kundenbindung verbessern. Weleda, eine Schweizer Herstellerin von Naturkosmetik, automatisierte Prozesse mittels Robotik und sorgte mit Weiterbildungen und neuen Aufgaben für die Mitarbeitenden dafür, dass möglichst keine Arbeitsplätze verloren gehen.
Um digitale Verantwortung zu stärken, sollten Firmen ihre bestehenden Werte in die digitale Sphäre übertragen, anstatt sie neu zu erfinden. Die Pharmabranche setzt seit langem auf Ethikausschüsse, um ausgewogene Entscheidungen zu gewährleisten. Nun richten Unternehmen auch digitale Ethikbeiräte ein, die sie im Umgang mit KI und Big-Data beraten und die Integrität sicherstellen.
«Firmen sollten definieren, wie sie sich im digitalen Raum als verantwortungsbewusste Partner positionieren können, die das Vertrauen ihrer Anspruchsgruppen verdienen.»Tomoko Yokoi
Auch kleine Gesten können viel bewirken: Die Mobiliar gibt bei Online-Anträgen abgelehnten Kund:innen persönliche Erklärungen ab – ein Zeichen von Wertschätzung und Transparenz. Weleda unterhält ein E-Mail-Konto für Mitarbeitende, über das sie Fragen und Anliegen zur digitalen Verantwortung einreichen können, und fördert so den internen Austausch.
Mehr als nur Compliance
Auf dem Weg zu digitaler Verantwortung sollten die Werte eines Unternehmens als Richtschnur dienen. Wichtig ist zudem, die spezifischen Risiken zu erkennen, die sich aus dem digitalen Wandel ergeben. Schliesslich ist ein Perspektivenwechsel von Risiken zu Chancen entscheidend: Firmen sollten definieren, wie sie sich im digitalen Raum als verantwortungsbewusste Partner positionieren können, die das Vertrauen ihrer Anspruchsgruppen verdienen.
Ich bin überzeugt: Verantwortungsbewusste digitale Leistung wird immer mehr zu einem Muss. Erfolg ist aber keineswegs garantiert. Jene Unternehmen, die über das blosse Einhalten von Vorschriften hinausgehen, können sich in Bereichen wie Cybersicherheit, Datenschutz und Privatsphäre verbessern. So stärken sie das Vertrauen und ihre Resilienz, und erreichen eher ihre Ziele.
1 Armasuisse: externe Seite Datenabfluss bei Xplain
2 externe Seite Neues Datenschutzgesetz (revDSG) der Schweiz
3 PWC (2023) externe Seite Global Consumer Insights Pulse Survey
4 MIT Sloan Management Review (2020) externe Seite Corporate Responsibility in the Digital Era