Geben und Nehmen in einem lokalen Quartierstrom-Markt
Im Leuchtturm-Projekt "Quartierstrom" hat die ETH Zürich zusammen mit Partnerfirmen und Universitäten erstmals Feldversuche in einem lokalen Strommarkt durchgeführt. Wir sprachen mit Geschäftsleiter Christian Dürr über die Erfahrungen des Wasser- und Elektrizitätwerks Walenstadt als KMU im Projekt.
Worum ging es beim Projekt Quartierstrom?
Bei diesem Projekt bildeten 37 Anwohner des Quartiers Schwemmiweg eine Strom-Prosumenten-Gemeinschaft. 28 Teilnehmer haben eine Solaranlage auf ihrem Dach, 9 waren reine Konsumenten. Die Teilnehmer der Gemeinschaft haben Strom produziert, ihn selbst an ihre Nachbarn verkauft oder Solarstrom von anderen Mitgliedern der Gemeinschaft eingekauft. Jeder Teilnehmer konnte Strom mit einer App auf dem Mobiltelefon handeln - die sichere und anonyme Datenübertragung wurde dabei mit einer Blockchain gewährleistet. Wir waren mit dem WEW auch Teilnehmer dieses lokalen Markts und konnten bei Bedarf Netzstrom liefern.
Mit dem Projekt wurde zum ersten Mal realisiert, dass Haushalte, die Solarstrom produzieren, ihn selbst lokal handeln können. Es war der erste Blockchain-basierte Strommarkt der Schweiz. Den Preis für ihren Solarstrom konnten die Prosumenten dabei innerhalb eines voreingestellten Bereichs selber festlegen.
Wie kam die Zusammenarbeit mit der ETH zustande?
Wir wurden von Doktoranden der ETH Zürich direkt angefragt. Wir finden, unsere Geschäftstätigkeit muss nachhaltig sein, dies für Natur und Portemonnaie, daher fanden wir das Projekt spannend. Wir installieren seit 2010 Photovoltaik-Anlagen bei unserer Kundschaft. Konkret haben wir alleine in unserem Versorgungsgebiet rund 150 Anlagen montiert. Das heisst, etwa 4 Prozent unserer rund 3500 Kunden produzieren schon Solarstrom. Wir als Energieversorgungsunternehmen (EVU) wollen bei dieser Veränderung lieber dabei sein und glauben, dass Solaranlagen und damit die Eigenproduktion noch zunehmen. Entsprechend braucht es dann neue Gesetze, regulatorische Änderungen. Davon sind wir direkt betroffen. Wie diese aussehen werden, ist für uns auf jeden Fall wichtig. Auch das Pricing interessierte uns: Wie regelt man das finanziell, wenn wir Infrastruktur für die Eigenproduzenten zur Verfügung stellen; wie sehen die Abgaben in einem lokalen `Mikromarkt` aus, und ähnliche Fragen.
Was genau war Ihre Rolle im Projekt?
Unser Beitrag war vor allem Arbeitsleistung; so installierten wir z.B. die benötigten Smartmeter gratis. Insgesamt leisteten wir Arbeit im Gegenwert von etwa 40 000 CHF.
Wichtig für den zu testenden lokalen Markt war natürlich, dass wir unsere Netzinfrastruktur für den Stromtransfer zur Verfügung stellten. Wir nahmen aber auch aktiv am lokalen Testmarkt teil, kauften überschüssigen Solarstrom und lieferten Netzstrom, wenn im Quartier zu wenig produziert wurde. Zudem kümmerten wir uns um regulatorische Fragen.
Wie stark wurde das EW Walenstadt in seiner ausgleichenden Rolle beansprucht? Wie gross war der Eigenversorgungsgrad der Gemeinschaft?
Die Projektteilnehmer waren zu 35 Prozent autark. Vor dem lokalen Strommarkt betrug der Eigenversorgungsgrad bei den PV-Anlagen-Besitzern höchstens 19 Prozent (dies bei Einfamilienhäusern).
Inwiefern war die Zusammenarbeit für Sie gewinnbringend?
Wir sind sehr zufrieden damit, wie das Projekt verlaufen ist, und mit den Resultaten. Menschlich war es ein perfekter Match, ein sehr gutes Projektteam war dabei! Bei uns hat es die Lust auf mehr geweckt, wir überlegen, dauerhaft einen lokalen Markt mit zu betreiben.
Wir als kleines, persönliches EVU sind im Projekt teils pragmatisch vorgegangen, wir haben auch mal ein oder sogar zwei Augen zugedrückt. Bei einem grösseren EVU wäre das wohl nicht gegangen, da gibt es eine grössere Angst vor den regulatorischen Anforderungen, die noch nicht alle im Detail geklärt sind.
Insgesamt sind wir der Meinung, dass Institutionen wie die ETH Zürich auch mit KMUs sehr gute Projekte machen können!
Wie geeignet war die Blockchain-Basis für die Transaktionen im lokalen Markt?
Es war wichtig, die Blockchain einmal konkret in einer solchen Anwendung auszuprobieren. Nun wissen wir aber, dass sie in der Energiewelt nicht unbedingt nötig ist. Der Nachteil ist, dass dafür hohe Datenmengen transferiert werden und das die Strom-Einsparungen womöglich gleich wieder wegfrisst! Der Vorteil ist die hohe Sicherheit, aber den Schweizer EVUs bringen Kunden Vertrauen entgegen und man kennt sich grösstenteils. Eine Blockchain ist daher wahrscheinlich nicht unbedingt nötig. Sie könnte höchstens noch als eine Art Label interessant sein, um zu deklarieren, woher der Strom kommt.
Insgesamt ist ihre Anwendung wohl in der Bankenwelt gefragter, wo das Misstrauen grösser ist, da man sich nicht kennt.
Beim Folgeprojekt mit bis zu 100 Prosumenten, bei dem wir auch dabei sein wollen, wird der lokale Markt wahrscheinlich ohne Blockchain betrieben.
Die BKW und die SBB waren weitere Projektpartner.
Beide waren finanziell am Projekt beteiligt, agierten aber mehr als Beobachter. Sie waren vor allem an den Resultaten des Experiments interessiert: wie könnte so ein lokaler Strommarkt funktionieren? Die SBB wollte wissen, ob ähnliches - lokale Strommärkte mit Eigenproduzenten - in Zukunft womöglich auch bei ihren Liegenschaften in Frage käme.
Als gemeinsame Forschungsinitiative der ETH Zürich (Distributed Systems Group, Institute for Pervasive Computing & Chair of Information Management) und der Universität St. Gallen (Institut für Technologiemanagement) lancierte das Bits to Energy Lab im September 2017 das Projekt "Quartierstrom". Die Feldphase dauerte von März 2019 bis März 2020 und wurde durch das Bundesamt für Energie BFE unterstützt. Nebst dem WEW waren auch die BKW und die SBB am Projekt beteiligt.
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