Sag niemals nie in der Nanowelt
Für Objekte in Nanogrösse gelten die fundamentalen Gesetze der Thermodynamik nicht im gleichen Masse wie für unsere makroskopische Alltagswelt. Ein Team von Wissenschaftlern beschrieb nun, dass es in der Nanowelt auch zu einer Wärmeübertragung von kalten zu warmen Objekten kommen kann.
Wenn wir einen rückwärts abgespielten Film ansehen, bringen uns unerwartete und scheinbar mysteriöse Vorgänge zum Lachen: So kann sich etwa Schnee aus einer Wasserpfütze in der Sonne bilden und solange stetig wachsen, bis ein kompletter Schneemann erscheint. So wie das Schmelzen eines Schneemanns gibt es in der Natur viele Prozesse, die man nicht umkehren kann. Dieses irreversible Verhalten wird im berühmten zweiten Hauptsatz der Thermodynamik beschrieben. Er besagt, dass sich die Entropie eines Systems – ein Mass für dessen Unordnung – niemals spontan verringern kann und daher die Unordnung (hohe Entropie) gegenüber der Ordnung (niedrige Entropie) bevorzugt wird.
Wenn wir jedoch in die mikroskopische Welt der Atome und Moleküle hineinzoomen, wird diese Aussage abgeschwächt und verliert ihre absolute Gültigkeit. Im Mittel bleibt der zweite Hauptsatz zwar auch auf der Nanoskala gültig, vorübergehend kann er aber verletzt werden. So können seltene Ereignisse eintreten, die man in unserer makroskopischen Alltagswelt niemals beobachten würde, wie zum Beispiel die Übertragung von Wärme von einem kalten zu einem warmen Körper.
Wahrscheinlichkeit für Regelverletzung bestimmt
Einem Team von Wissenschaftlern unter der Leitung von Lukas Novotny, Professor für Photonik an der ETH Zürich, gelang es nun in Zusammenarbeit mit Forschern aus Barcelona und Wien, die Wahrscheinlichkeit, mit welcher der zweite Hauptsatz zeitweise verletzt wird, präzise vorherzusagen. In einem Experiment, in dem eine winzige Glaskugel mit einem Durchmesser von weniger als hundert Nanometer in einer Falle aus Laserlicht festgehalten wurde, haben sie die Vorhersagen bestätigt.
In dem Experiment kühlten die Wissenschaftler die Nanokugel auf eine geringere Temperatur als die des sie umgebenden Gases ab. Nach Abschalten der Kühlung beobachteten die Forschenden, dass sich die Nanokugel in der Regel durch die Energieübertragung der Gasmoleküle erwärmte.
Allerdings stellten sie fest, dass sich das Glaskügelchen manchmal, wenn auch selten, nicht so verhielt, wie man es nach dem zweiten Hauptsatz erwarten würde: Gelegentlich gab es auch Energie an die wärmere Umgebung ab, anstatt Wärme von ihr aufzunehmen. «Sofort nach Abschalten der Kühlung ist die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Abkühlung der Glaskugel 50 Prozent, eine Zehntelsekunde später noch 10 Prozent, und nach einer Sekunde bereits verschwindend klein. Von da an gilt die klassische Thermodynamik», sagt Novotny. Die von den Forschern zur Auswertung ihres Experiments hergeleitete Theorie steht im Einklang mit der allgemeinen Vorstellung, welche Grenzen der zweite Hauptsatz auf der Nanoskala erfährt, wie die Wissenschaftler betonen.
Relevant für die Konstruktion von Nanomaschinen
«Der experimentelle und theoretische Rahmen, den wir in der Studie präsentieren, hat breite Anwendungsmöglichkeiten», wird Christoph Dellago von der Universität Wien in einer Medienmitteilung dieser Institution zitiert. «Durch den technologischen Fortschritt werden wir immer kleinere Nanomaschinen produzieren können und je kleiner diese sind, desto stärker werden sie die Wirkung der thermischen Bewegung ihrer Umgebung spüren.»
Fortführende Studien sollen nun die fundamentalen physikalischen Eigenschaften von Nanosystemen, die sich nicht im thermischen Gleichgewicht befinden, genauer unter die Lupe nehmen. Die geplante Forschung wird einen grundlegenden Beitrag zum Verständnis, wie Nanomaschinen unter fluktuierenden Bedingungen funktionieren, leisten.
Dieser Text basiert auf einer externe Seite Medienmitteilung der Universität Wien.
Literaturhinweis
Gieseler J, Quidant R, Dellago C, Novotny L: Dynamic relaxation of a levitated nanoparticle from a non-equilibrium steady state. Nature Nanotechnology, Online-Vorabveröffentlichung 30. März 2014, doi: externe Seite 10.1038/nnano.2014.40