Aus Abfallstoff mach Bioplastik

Polymilchsäure findet sich als biologisch abbaubarer Kunststoff vermehrt in Verpackungen und Einwegprodukten. Um den steigenden Bedarf zu decken, haben ETH-Forschende ein Verfahren entwickelt, um Milchsäure aus einem Abfallprodukt der Biotreibstoff-Industrie herzustellen.

Vergrösserte Ansicht: Bioplastik-Becher in der ETH-Mensa
Der Bioplastik PLA wird zunehmend in Verpackungen und Einwegbechern verwendet. Seit diesem Jahr gibt es PLA-Becher auch in verschiedenen ETH-Mensen. (Foto: Bo Cheng / ETH Zürich)

Plastikmüll ist eines der grössten Umweltprobleme unserer Zeit. Die meisten Kunststoffe sind nicht abbaubar, sondern zerfallen lediglich in immer kleinere Bruchstücke. Zudem bestehen die meisten Kunststoffe aus Erdöl, einem schwindenden Rohstoff. Aber es gibt vielversprechende Alternativen, zum Beispiel Polymilchsäure (PLA für Englisch polylactic acid): Dieses auf Milchsäure basierende Polymer ist biologisch abbaubar und beruht auf einem erneuerbaren Rohstoff. PLA findet sich bereits vielfach in Einwegbechern, Kunststoffsäcken und Verpackungen. Die Nachfrage nach diesem Bioplastik steigt stetig und Experten rechnen mit einem Bedarf von bis zu einer Megatonne PLA pro Jahr bis 2020.

Die Forschungsgruppen der ETH-Professoren Konrad Hungerbühler und Javier Pérez-Ramírez vom Institut für Chemie- und Bioingenieurwissenschaften stellen nun ein neues Verfahren vor, um Milchsäure herzustellen. Ihre Methode ist produktiver, kosteneffizienter und klimafreundlicher als Fermentation, durch welche Milchsäure üblicherweise gewonnen wird. Der grösste Vorteil dabei ist, dass der neue Prozess von einem Abfallprodukt ausgeht: Glyzerin.

Abfallstoff der Biodiesel-Industrie

Vergrösserte Ansicht: Biodiesel (helle Phase) und Glyzerin (dunkle Phase)
Bei der Biodiesel-Produktion entsteht Glyzerin (dunkle Phase) als Nebenprodukt. (Foto: Bo Cheng / ETH Zürich)

Glyzerin ist ein Nebenprodukt der Herstellung von Biotreibstoffen der ersten Generation. Als solches ist es nicht rein, sondern enthält Spuren von Asche und Methanol. «Niemand weiss, was man mit dieser Menge an Glyzerin anfangen soll», sagt Merten Morales, Doktorand in der Gruppe Sicherheits- und Umwelttechnik von ETH-Professor Hungerbühler. Und es fallen immer grössere Mengen an: Schätzungen sagen einen Anstieg von drei Megatonnen im Jahr 2014 auf über vier Megatonnen in 2020 voraus. Wegen der Verunreinigungen kann dieses Glyzerin nicht in der Chemie- oder Pharmaindustrie zum Einsatz kommen. Ausserdem brennt es sehr schlecht und eignet sich daher nicht für die Energiegewinnung. «Normalerweise sollte es als Abwasser behandelt und aufbereitet werden. Aber um Geld zu sparen und weil es nicht sehr giftig ist, leiten es manche Unternehmen in Flüsse oder verfüttern es an Zuchtvieh», sagt Morales. Es gebe aber durchaus Bedenken, wie sich das verunreinigte Glyzerin auf die Tiere auswirke.

Dass die neue Methode von einem Abfallprodukt ausgeht, ist einer der Vorteile, die sie umweltfreundlicher als konventionelle Verfahren macht. Sie beruht auf zwei Schritten: Beim ersten wandeln Enzyme das Glyzerin in das Zwischenprodukt Dihydroxyaceton um. Anschliessend treibt ein heterogener Katalysator die weitere Reaktion zur Produktion von Milchsäure voran.

Hochleistungs-Katalysator

Die Forschenden der Katalyse-Engineering-Gruppe von ETH-Professor Pérez-Ramírez konnten den Katalysator so optimieren, dass er hohe Reaktivität und eine lange Lebensspanne aufweist. Er besteht aus einem mikroporösen Mineral, einem Zeolit, dessen Struktur chemische Reaktionen in den Mikroräumen der Poren begünstigt. Durch die enge Zusammenarbeit konnten die beiden Forschungsgruppen die Katalyse Schritt für Schritt verbessern und parallel dazu die jeweilige Ökobilanz des gesamten Verfahrens prüfen. «Ohne diese Analyse und den Vergleich der Ökobilanz mit dem konventionellen Verfahren, wären wir vielleicht mit der ersten Katalysator-Version zufrieden gewesen. Aber diese stellte sich sogar als weniger umweltfreundlich als die Fermentation heraus», erklärt Pierre Dapsens, Doktorand in der Pérez-Ramírez-Gruppe. Indem die Forschenden verschiedene Aspekte des Katalysator-Designs verbesserten, konnten sie letztlich das Fermentationsverfahren sowohl aus ökologischer wie auch aus ökonomischer Sicht übertreffen.

Industrielle Prozesse würden oft «nachhaltig» gemacht, indem man einfach nur auf einen erneuerbaren Rohstoff umsteige, sagt Cecilia Mondelli, wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Katalyse-Engineering-Gruppe und ebenfalls an der Studie beteiligt. «Aber wenn man den gesamten Prozess berücksichtigt – von der Quelle des Ausgangsstoffs bis zum fertigen Produkt, inklusive Entsorgungswege – erscheinen angeblich nachhaltige Verfahren nicht unbedingt nachhaltiger als die konventionellen.»

Ein Drittel weniger CO2

Berücksichtigt man die erhöhte Produktivität und die Energie, die das neue Verfahren einspart, indem es einen Abfallstoff neuverwertet, verringern sich die CO2-Emissionen im Vergleich zur Fermentation um 30 Prozent. Pro Kilogramm produzierter Milchsäure erzeugt das neue Verfahren 6 Kilogramm CO2 im Vergleich zu 7,5 Kilogramm bei der konventionellen Methode. Zudem kostet das Verfahren insgesamt weniger, was einen um das 17-fache grösseren Profit ermöglicht, wie die Forscher berechneten. «Wir sind dabei von eher konservativen Annahmen ausgegangen», sagt Morales. «Wir haben eine relativ hohen Qualität des Glyzerins vorausgesetzt. Aber das Verfahren funktioniert auch mit stärker verunreinigtem Glyzerin, was sogar noch kostengünstiger wäre.» So könnten Hersteller die Gewinnspanne sogar noch verbessern.

«Die grössten Bioplastik-Hersteller sitzen heute zwar in den USA, aber das Verfahren ist relativ einfach und lässt sich auch in anderen Ländern einsetzen, überall wo Biodiesel – und als Nebenprodukt Glyzerin – erzeugt werden», sagt Dapsens.

Literaturhinweis

Morales M, Dapsens PY, Giovinazzo I, Witte J, Mondelli C, Papadokonstantakis S, Hungerbühler K, Pérez-Ramírez J: Environmental and economic assessment of lactic acid production from glycerol using cascade bio- and chemocatalysis. Energy & Environmental Science, 5. November 2014, doi: externe Seite 10.1039/C4EE03352C

JavaScript wurde auf Ihrem Browser deaktiviert