Schutz der Ozonschicht: FCKW- Ersatzstoffe gefährden das Klima

Es ist paradox: Das Montrealer Protokoll über ozonabbauende Stoffe verhindert Hundertausende Hautkrebserkrankungen und schützt das Klima effektiv. Indirekt förderte es aber Ersatzstoffe für die verbannten FCKW, die FKW, die starke Treibhausgase sind. Soll das Montrealer Protokoll auch sie regulieren? Eine Auslegeordnung anlässlich des UN-Tags der Ozonschicht.

Vergrösserte Ansicht: Ozon-Schicht
Schützt uns vor schädlicher UV-Strahlung: die Ozonschicht. (Bild: Andrey Armyagov / Colourbox)

Heute begehen wir den «Internationalen Tag zum Schutz der Ozonschicht». Die 49. Vollversammlung der Vereinten Nationen rief im Jahr 1994 den 16. September aus, um an die Unterzeichnung des Montrealer Protokolls über ozonzerstörende Stoffe im Jahr 1987 zu erinnern. [1] Damals war die Wirksamkeit des Montrealer Protokolls noch nicht belegt. Im Gegenteil: Die atmosphärischen Konzentrationen ozonzerstörender Substanzen (chlor- und bromhaltige Gase) waren so hoch wie nie zuvor, und die Ozonschicht war im globalen Mittel um mehr als 5 Prozent dünner als 1970.   

Aber sind wir heute nicht viel weiter? Hat sich aufgrund des Montrealer Protokolls der Ozonschwund nicht deutlich verlangsamt oder sogar einem allmählichen Heilungsprozess Platz gemacht? Ja, wie  die folgende Graphik zeigt.

Vergrösserte Ansicht: Grafik zur Wirkung des Montraler Protokolls
Oberes Bild: Anzahl zusätzlicher Erkrankungsfälle pro 1.000.000 Menschen weltweit und pro Jahr. [2] Blau gestrichelt: prognostizierte Entwicklung zwischen 1980 und 2050 ohne Montrealer Protokoll. Farbig durchgezogen: Entwicklung mit Montrealer Protokoll. Unteres Bild: Heizleistung in Watt pro Quadratmeter durch fluor- und chlorhaltige Kohlenwasserstoffe. Blau gestrichelt: ohne. Durchgezogene Kurven:  mit Montrealer Protokoll bei verschiedener Nutzung chlorfreier Ersatzstoffe (FKW). Rot: starke; orange: schwache; grün: keine FKW-Nutzung. FKW unterliegen nicht dem Montrealer Protokoll, da sie Ozon nicht zerstören. Die Prognose ihres Verbrauchs ist entsprechend unsicher. Im Fall hohen FKW-Verbrauchs wird der Klima-Bonus des Montrealer Protokolls gefährdet. [3]

Meilenstein mit Makel

Dank dem Montrealer Protokoll blieben Hundertausende Menschen vor Hautkrebs und Augenerkrankungen verschont. Wir gehen davon aus, dass die Zahl der zusätzlichen strahlungsbedingten Erkrankungen durch das Protokoll heute bereits auf 50 Prozent reduziert werden konnte (im Vergleich zu keiner Regulierung), und Mitte des Jahrhunderts könnte der Anteil sogar etwa 25 Prozent betragen (oberer Teil der Graphik). [2] Ähnlich beeindruckend ist der verringerte Klimaeffekt der ozonzerstörenden Gase: Die Heizleistung wurde bis zum heutigen Tag gegenüber nicht regulierter Produktion praktisch halbiert (unterer Teil der Graphik). [3] Diese sehr günstige Entwicklung würde sich so fortsetzen und sogar noch verstärken – vorausgesetzt, dass die sogenannten FKW (Fluorkohlenwasserstoffe) nicht verstärkt zum Einsatz kommen. FKW sind chlorfreie Ersatzstoffe für FCKW (Fluorchlorkohlenwasserstoffe) und werden in Kühlschränken, Air-Conditioner und industriellen Prozessen verwendet.

Super-Treibhausgase als Spielverderber

Vergrösserte Ansicht: Air-Conditioner verwenden oft FKW als Kältemittel.
FKW dienen als Kältemittel in Klimaanlagen – und sind starke Treibhausgase. (Bild: Fotolia / bluedesign)

Im Gegensatz zu den verbannten FCKW enthalten FKW also kein Chlor. Da nur das freigesetzte Chlor, nicht aber das Fluor in der Stratosphäre Ozon abbaut, scheinen FKW ideale Ersatzstoffe, denn sie tangieren das Montrealer Protokoll nicht. Doch einige FKW sind extrem potente Treibhausgase und äusserst langlebig. Dadurch können diese Verbindungen die Klimawirkung von CO2 um ein Vielfaches übersteigen. FKW-23 (CHF3) zum Beispiel hat in der Atmosphäre eine durchschnittliche Lebensdauer von 270 Jahren. Eine Tonne FKW-23 hat in den ersten 100 Jahren nach der Emission einen etwa zehntausendmal stärkeren Erwärmungseffekt als eine Tonne CO2. Wenn wir FKW künftig stark nutzen (rote Kurve in der Graphik), könnte die Heizleistung dieser «Super-Treibhausgase» bis zur Mitte des Jahrhunderts auf 0.6 Watt pro Quadratmeter (W/m2) steigen. Dies wären 20 Prozent der Heizleistung, die man für CO2 im Jahr 2050 prognostiziert, also ein erheblicher Anteil.

Die Situation ist paradox: Die künstlichen FKW-Gase gibt es nur, weil die FCKW durch das Montrealer Protokoll verbannt wurden. Während andere Ersatzstoffe (z.B. die H-FCKW) immer noch Chlor beinhalteten und durch die Folgeabkommen des Montrealer Protokolls ebenfalls reguliert wurden, kam mit den FKW eine Stoffklasse auf den Markt, die gar kein Chlor mehr enthielt, also nicht ozonzerstörend wirkt, und somit auch dem Montrealer Protokoll nicht mehr unterliegt. Denn wie der Name schon sagt: «Montrealer Protokoll über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen». Und dies tun FKW nicht.

Wie können wir FKW regulieren?

FKW schonen also stratosphärisches Ozon, sind jedoch starke Treibhausgase. Solche Gase haben im Montrealer Protokoll eigentlich keinen Platz, sondern gehören ins Kyoto-Protokoll zum Schutz des Klimas. Ausser, man bewertet den (indirekten) Zusammenhang mit der Ozonschicht im Sinne des Verursacherprinzips als bindend. In Anbetracht der ernüchternden Bilanz des Kyoto-Protokolls und wegen der eindeutigen Verursacherlage gab es in den vergangenen zwei Jahren immer wieder Vorstösse auf höchster politischer Ebene, die FKW doch im Montrealer Protokoll aufzunehmen. [4 bis 8]

Am konkretesten fällt das «North American HFC Phase Down Amendment» aus. [9] Der Vorschlag sieht Folgendes vor (siehe Stufengraphik):

  • Stufenweise Reduktion der FKW, um genug Zeit für neue Ersatzstoffen zu gewähren.
  • Zeitaufschub und höhere Referenzwerte für Länder mit geringem Verbrauch, sogenannte Artikel-5-Staaten (i.A. Entwicklungsländer).
  • Spezielle Vorkehrungen für Super-Klimagase, wie FKW-23.
  • Verpflichtung zur Lizenzierung bei FKW-Importen und -Exporten, sowie Kontrollpflicht für nicht teilnehmende Länder.
  • Berichtspflicht für FKW-Produktion, Verbrauch und unerwünschte Nebenproduktemissionen.
Vergrösserte Ansicht: Geplante Reduktionsschritte für FKW.
Stufenweiser Ausstieg aus dem FKW-Konsum.  Vorschlag Nordamerikanischer Staaten (USA, Kanada, Mexiko) vom April dieses Jahres. [9]

In Fachkreisen wird bereits darüber debattiert, wie man Artikel-5-Staaten mit dem «Multilateral Fund» finanziell unterstützen könnte – einer segensreichen Einrichtung, die auch in der Vergangenheit schon viele Schritte des Montrealer Prozesses ermöglicht hat. Es besteht also berechtigte Hoffnung, dass wir am 16. September 2016 die FKW als weitere regulierte Gruppe des Montrealer Protokolls begrüssen können.

Thomas Peter war als Abschlussgutachter (Review Panel Member for the Assessment for Decision Makers) am letzten WMO/UNEP-Bericht über den Zustand der Ozonschicht (2014) beteiligt (siehe dazu seinen Blogbeitrag).

UN-Tag zum Schutz der Ozonschicht 2015

Vergrösserte Ansicht: UN-Plakat zu Ozon
(Bild: Umweltprogramm der Vereinten Nationen, UNEP)

Jedes Jahr am 16. September ist der Internationale externe Seite Tag zum Schutz der Ozonschicht der Vereinten Nationen. Wenn wir alle Ozonmoleküle in der Ozonschicht als pures Gas auf Normaldruck komprimieren könnten, dann wäre die resultierende Gasschicht gerade mal 3 mm dick. Ohne diese hauchdünne Schicht würde die solare ultraviolette (UV) Strahlung die ungeschützte Haut binnen weniger Minuten schwer verbrennen.

Weiterführende Informationen

[1] Hier und im Folgenden wird «Montrealer Protokoll» als Bezeichnung benutzt nicht nur für das am 16. September 1987 von den Vertragsparteien des Wiener Übereinkommens zum Schutz der Ozonschicht angenommene Abkommen, sondern auch für alle Folgeprotokolle (Amendments):  London 1990, Nairobi 1991, Kopenhagen 1992, Bangkok 1993, Wien 1995, Montreal 1997, Peking 1999 und Montreal 2007.

[2] Slaper, H., G.J.M. Velders, J.S. Daniel, F.R. de Gruijl, J.C. van der Leun (1996), Estimates of ozone depletion and skin cancer incidence to examine the Vienna Convention achievements, Nature, 384, 256-258

[3] Velders, G.J.M., A. R. Ravishankara, M.K. Miller, M.J. Molina, J. Alcamo, J.S. Daniel, D.W. Fahey, S.A. Montzka, S. Reimann (2012), Preserving Montreal Protocol Climate Benefits by Limiting HFCs, Science, 335, 922-923, DOI: 10.1126/science.1216414

[4] 6. Sept. 2013: „US, China, and G-20 Leaders Announce Progress Toward HFC Phase Down“ externe Seite Link

[5] 2. Feb. 2015: „Modi to seek US backing for India clean energy development“ externe Seite Link

[6] 15. April 2015: „North American HFC Phase Down Amendment to the Montreal Protocol“ externe Seite Link

[7] 17. April 2015:  „India hostility to HFC phase-out thaws, submits plans to UN“ externe Seite Link

[8] 8. Juni 2015: „G-7 Summit Statement on Addressing HFCs“ externe Seite Link

[9] externe Seite North American HFC Phase Down Amendment

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