Fleisch essen oder nicht?

Wer bewusst konsumiert, ist fast täglich mit der Frage konfrontiert, ob tierische Lebensmittel auf unseren Menüplan gehören oder nicht. Eine Orientierungshilfe könnte sein, wie nachhaltig produziert wird. Allein, was eine nachhaltige Tierproduktion bedeutet, ist in der Forschung umstritten.

Vergrösserte Ansicht: Kühre im Stall
(Bild: iStock / 123ducu)

Klimaschädigendes Methangas, abgeholzter Regenwald, importierte Futtermittel – die Produktion tierischer Lebensmittel hat einen schlechten Ruf. Trotzdem steigt die Nachfrage nach Fleisch jedes Jahr weltweit. Und mit ihr der Druck auf die Branche, künftig nachhaltiger zu produzieren. Allerdings sind sich Forschende nicht einig darüber, was nachhaltiger wäre, ausser in einem Punkt: ein bedeutender Teil der Lösung liegt bei den Konsumenten.

Je intensiver desto besser?

Die meisten Bewertungen nachhaltiger Tierproduktion fokussieren auf den Umweltaspekt: Tierhaltung verbraucht enorme Ressourcen an Land und Wasser für die Weidehaltung und Futtermittel – entsprechend wird ihr hoher ökologischer Fussabdruck am häufigsten kritisiert. Im Buch Livestock‘s Long Shadow (2006) schlägt die Welternährungsorganisation FAO als Stossrichtung daher eine intensivere Produktion vor. Dies, um die Leistung pro benutzte Landfläche zu steigern und den Treibhausgasausstoss pro kg Endprodukt zu senken. [1] Konkrete Massnahmen sind etwa die Zucht von Hochleistungstieren und mehr hochwertiges Kraftfutter (Soja und Weizen). Doch eine Intensivierung erfolgt sehr oft auf Kosten der Ethik und des Tierwohls, wie das Schicksal männlicher Küken in der Legebranche zeigt: Weil Hähne keine Eier legen und zu wenig hergeben, werden sie am Schlupftag getötet.

Keine Nahrungsmittel füttern!

Bewertungen ändern sich mit den Bezugsgrössen. Zieht man andere ökologische Faktoren sowie ökonomische und soziale Aspekte in Betracht, kann auf einmal ein «Low-Input»-System als die bessere Option erscheinen [2, 3]. Ein solches System verbraucht weniger Ressourcen (wie Kraftfutter und Pestizide), liefert aber oft niedrigere Erträge. Ein Beispiel ist das «Feed-no-Food»-Prinzip, dem ein Welternährungsgedanke zugrunde liegt: Es will potenzielle Lebensmittel für den Menschen (wie Weizen, Soja, Mais) nicht mehr als Tierfutter verwenden. Vor allem Europa und die USA könnten damit auf derselben Fläche bis zu 50 Prozent mehr Kalorien produzieren, wobei aber der Anteil von Fleisch sinkt und jener von pflanzlichen Kalorien steigt. [4]

Fallbeispiel Schweiz

Das Feed-no-Food-Prinzip wurde für die ganze Schweiz modelliert, die heute etwa die Hälfte der Lebensmittel und zwei Drittel des Kraftfutters importiert. [5] Das Model verwendet ausschliesslich einheimische und ökologisch hergestellte Lebens- und Futtermittel, wobei letztere lediglich Abfall- und Nebenprodukte der Humanernährung oder Gras enthalten. Das Resultat: Unter solchen Bedingungen könnte die Schweiz genau so viel Milch und Rindfleisch produzieren wie bisher, aber nur noch 30 Prozent der heutigen Schweinefleischmenge und fast kein Hühnerfleisch und keine Eier mehr. Der Grund dafür liegt bei den Ackerfrüchten, mit denen man Schweine und Hühner schnell mästet, die aber gemäss Feed-no-Food dafür nicht mehr zur Verfügung stünden. [6]

Was denn nun?

Das Resultat erstaunt, denn es steht im Widerspruch zur allgemeinen Auffassung, wonach die Hühner- und Schweinemast als nachhaltiger gilt als die Rindermast, weil sie effizienter sind: Hühner und Schweine benötigen weniger Land und pflanzliche Kalorien pro gelieferte Fleisch-Kalorie und stossen weniger Treibhausgase aus. Lässt man sich jedoch vom Welternährungsgedanken leiten, schneidet die schnelle Mast bei Schweinen und Geflügel schlechter ab, da sie auf einem hohen Einsatz von Ackerfrüchten im Futter basiert. Rinder sind so gesehen sparsamer, da sie nur mit Gras gedeihen könnten.

Konsumenten in der Verantwortung

Die Ausführungen zeigen: Es gibt kein bestes Verfahren, um zu bestimmen, welche Fleischproduktion nachhaltiger ist. Was nachhaltig ist, hängt immer auch von den unterliegenden Werten ab und liegt im Auge des Betrachters. Die Forschung liefert keine einfachen Antworten – ausser dieser: nur weniger Fleisch ist nachhaltiger. Denn aus ökologischer Sicht ist es unerlässlich, unseren Appetit auf Fleisch zu mässigen. [7] Als Konsumentinnen und Konsumenten haben wir es in der Hand: Letztlich sind es unsere täglichen Entscheidungen, welche die Nachfrage bestimmen und so das Angebot steuern. Zu diesem Schluss kam kürzlich auch der Eco Naturkongress 2016 in Basel, wo das World Food System Center WFSC der ETH Zürich den Workshop «Fleisch oder nicht Fleisch?» hielt. [8] Ein zentrales Anliegen der Workshop-Teilnehmenden war denn auch, unser Konsumverhalten bezüglich Fleisch künftig noch besser zu erforschen.

Weiterführende Informationen

[1] FAO – Food and Agriculture Organisation (2006). Livestock‘s Long Shadow. Environmental Issues and Options. FAO, Rom, Italien. www.fao.org/docrep/010/a0701e/a0701e00.HTM [01.06.2016]

[2] Thomet et al. (2011) Merits of full grazing systems as a sustainable and efficient milk production strategy. Grassland Science in Europe, 16, p. 273-285.

[3] Hofstetter et al. (2014) Dairy farming: indoor v. pasture-based feeding. Journal of Agricultural Science, 152, p. 994-1011.

[4] Foley et al. (2011) Solutions for a cultivated planet. Nature, 478, p. 337-342.

[5] Agristat (2014) Statistische Erhebungen und Schätzungen über Landwirtschaft und Ernährung. Ed. Schweizer Bauernverband Agristat, Brugg, Schweiz.

[6] Baur (2013) Ökologische Nutztierhaltung – Produktionspotential der Schweizer Landwirtschaft. Eine externe Seite Studie im Auftrag von Greenpeace Schweiz. Ed. Agrofutura, Frick, Schweiz.  [01.06.2016]

[7] Bajželj et al. (2014) Importance of food-demand management for climate mitigation. Nature Climate Change, 4, p. 924-929.

[8] externe Seite Eco Naturkongress

Zur Autorin

Isabelle Gangnat
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