Türen öffnen in Asien
Vom ETH-Wissenschaftshub in Singapur profitiert neben der Wissenschaft auch die Schweizer Wirtschaft. Die neu geschaffene Switzerland Technology Impact Platform (STIP) hilft Schweizer KMU in Asien Fuss zu fassen. Für Remo Burkhard, Managing Director am Singapore-ETH Center, ist die STIP eine Chance, um Forschung und Praxis zum Vorteil aller zu verbinden.
ETH-News: Herr Burkhard, wie kam es zum Engagement des Singapore-ETH Center (SEC) für kleinere und mittlere Schweizer Unternehmen?
Remo Burkhard: Seit etwa drei Jahren erhalten wir am SEC immer mehr Anfragen von Schweizer Firmen, die nicht direkt forschungsbezogen sind. So wurden wir gebeten, unsere Erfahrung und Einschätzung zu einem Markteintritt in Asien zu teilen. Passen die Lösungen und Produkte solcher Unternehmen zu einem unserer beiden Forschungsschwerpunkte «Future Cities» oder «Future Resilience Systems», kann das Centre spezifisches Wissen und wichtige Kontakte vermitteln. Wir erkannten einen grösseren Bedarf und begannen mit einer Informationsveranstaltung in der Schweiz für interessierte Firmen. Viel positive Resonanz und die Erweiterung des Kreises um Vertreter der Schweizer Export- und Start-up-Förderung sowie der Start-up-Finanzierung zeigte uns, dass sich viele Firmen ein Bild der Situation vor Ort machen wollen - wobei mich etwas überraschte.
Nämlich?
Dass mehr als die Hälfte der Interessierten neben Singapur mehr zu Indonesien erfahren wollen. Deshalb führen wir nun Anfang März mit rund einem Dutzend Firmenvertretern eine Studienreise nach Singapur und Jakarta durch.
Welche Trümpfe kann die ETH dabei ausspielen?
Die ETH Zürich ist seit sieben Jahren mit hochqualifizierten Forschenden in Singapur präsent. Heute arbeiten hier 160 Personen, inmitten einer Region mit enormem Potenzial. Zum einen forschen wir an vorderster Front zum hochaktuellen, gesellschaftlich relevanten Thema Zukunftsstädte. Dadurch nehmen wir Trends wahr, die in Südostasien entstehen, aber weltweit wirken können, und setzen zum Teil auch neue Trends. Beispiele hierfür sind neue Baumaterialien, Roboter, die Platten legen oder die Wiederentdeckung des Fahrrads in Grossstädten Asiens. Auf Podien, wissenschaftlichen Veranstaltungen, Vorträgen von Praktikern und Besprechungen mit Pionieren nehmen wir laufend neues Wissen auf, das auch der Schweizer Wirtschaft nützen kann.
Andererseits verfügen wir heute in Singapur über ausgezeichnete Kontakte zu Behörden und Wissenschaftsbehörden des Stadtstaates. Unsere Erfahrung im Austausch mit diesen Stellen kann den Einstieg für Schweizer Firmen ebenfalls erleichtern.
«STIP bietet Schweizer KMU ein viel versprechendes Sprungbrett, um in Asien Fuss zu fassen. Auch unsere Forschenden am SEC lernen viel von den Fragestellungen, die sich bei der Lancierung von Hightech-Produkten in einem dynamischen Markt stellen.»Detlef Günther, ETH-Vizepräsident für Forschung und Wirtschaftsbeziehungen
Exportförderung in Asien betreibt zum Beispiel auch die vom Bund geförderte Agentur Switzerland Global Enterprise (S-GE). Gibt es hier nicht Überschneidungen zum neuen Angebot des SEC?
Nein, die unterschiedlichen Plattformen ergänzen und unterstützen einander. S-GE etwa ist auch ein aktiver Partner unserer Plattform. Wir setzen mit unserer Unterstützung dort an, wo andere Organisationen unsere Expertise suchen. Wir fokussieren auf Firmen in unseren Schwerpunkten, und vor allem auf solche mit bahnbrechenden Innovationen und einem engen Bezug zu Forschung und Entwicklung. Weiter können wir wie erwähnt mit unserer lokalen Erfahrung helfen, kulturelle Hürden zu überwinden und so Türen zu öffnen.
Schliesslich herrscht auch in Singapur ein harter Kampf um Talente. Das SEC erhält viele ausgezeichnete Bewerbungen. Manchmal, und wenn die Kandidaten dies wünschen, können wir solche Anfragen an die Unternehmen weiterleiten.
Gibt es weitere Ideen?
Ja, die nächste Idee ist, an unserem Zentrum zusammen mit interessierten Firmen passende Forschungsprojekte durchzuführen und gute, in Europa funktionierende Lösungen auf den lokalen Kontext Asien zu adaptieren. Eine zweite, längerfristige Idee ist es, ein «Swiss House» zu bauen. Ein Living Lab, das unsere SEC-Konzepte demonstrieren kann – etwa maximale Energieeffizienz – und gleichzeitig die innovativsten Produkte der Firmen. Damit wollen wir das Potenzial von Schweizer Technologie für die Städte der Zukunft fassbarer machen und der Öffentlichkeit vermitteln. Dieses Modellhaus kann ein Hotel, eine Schule oder ein Geschäftshaus sein.
Wie wirkt dieser Brückenschlag für die Wirtschaft auf das ETH-Kerngeschäft Forschung, Lehre und Wissenstransfer zurück?
Es ist für die Forschung enorm wichtig, den Stand der Praxis zu kennen, um Wissenslücken zu orten. Heute führt oft erst ein Verständnis aller Facetten eines Problems zu einer guten Lösung. Ganz wichtig ist zudem der Wille, wissenschaftliche Konzepte in die Praxis zu transferieren. Der Schlüssel dazu ist beidseitiges Interesse und ein enger Austausch zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Unsere Plattform hilft uns hier in Südostasien, diese Ziele zu erreichen.
Sie haben das SEC seit dessen Start begleitet und mitgeprägt. Worin besteht Ihre persönliche Motivation für das STIP?
Was mich in Singapur täglich fasziniert ist, welch enorme Möglichkeiten die Region mutigen und unternehmungslustigen Menschen bietet. Schweizer Firmen haben mit ihren intelligenten Lösungen und ihrer hohen Qualität beste Karten, um in Asien erfolgreich zu sein. Trotzdem scheint es manchmal, dass die grosse Distanz zu Europa und vermeintliche kulturelle Hürden vor allem kleinere und mittlere Unternehmen zögern lassen, die sich bietenden Chancen zu packen. Mit dem STIP wollen wir den Firmen zeigen – gerade auch KMU –, dass sie auch mit ihren begrenzten Ressourcen hier den Durchbruch schaffen können.
Weitere Informationen
Für die Study Tour nach Singapur und Indonesien vom 1. bis 7. März 2017 stehen noch Plätze zur Verfügung.