Sex-Appeal für die Kabelbranche

Die ETH-Ingenieure Vincent Martinez und Luca Hirt machen Kabel robuster und stabiler. Dies könnte Kopfhörerkabel unzerbrechlich machen – und eine innovationsarme Branche aufmischen.

Die Kabel des ETH-Spin-offs nanoleq sind robuster als handelsübliche. (Bild: nanoleq)
Die Kabel des ETH-Spin-offs nanoleq sind robuster als handelsübliche. (Bild: nanoleq)

Einfach ist es nicht, Menschen für Kabel zu begeistern. Vincent Martinez hat es geschafft. Am Start Summit in St. Gallen – einem der grössten und wichtigsten Startup-Treffen der Schweiz – gewann er den mit 20'000 Franken dotierten «Pitch», bei dem er seine Firma «externe Seite nanoleq» vorstellen durfte. «Sexy sind wir nicht», sagt Martinez. Was er damit meint: Während an solchen Konferenzen alle von Tech-Innovationen wie Blockchain oder Virtual Reality reden, präsentierte der ETH-Elektroingenieur eine auf den ersten Blick eher altmodische Idee: Robustere Kabel.

300-Milliardenmarkt aufmischen

«nanoleq» heisst die Firma, die Martinez Anfang 2017 gemeinsam mit Luca Hirt gegründet hat. Beide haben sie kürzlich am Labor für Biosensoren und Bioelektronik der ETH promoviert. Nun machen sie sich auf, die rund 300 Milliarden pro Jahr schwere, aber innovationsscheue Kabelbranche aufzumischen. Ihr eher technisches Fachgebiet haben sie auf eine Idee übertragen, die jeder versteht. Der Pitch für «nanoleq» beginnt so: «Haben Sie auch schon Kopfhörer entsorgen müssen oder dieses typisch knisternde Geräusch im Ohr gehabt, weil das Kabel gebrochen ist?»

Kabel von «nanoleq» haben eine bis zu 100 Mal längere Lebensdauer. Diesen Beweis haben Martinez und Hirt im Labor erbracht. Mit Hilfe einer Maschine bogen und streckten sie verschiedene Kabel, bis diese brachen. Das Resultat: Während normale Kabel nach wenigen Hundert Zyklen unbrauchbar geworden waren, funktionierten ihre neu entwickelten Kabel auch nach Tausenden Zyklen immer noch. Nicht zu Unrecht also preist das Start-up auf seiner Webseite die Kabel als «unzerbrechlich».

Kabel für Hightech-Anwendungen

Kopfhörer sind für die Jungunternehmer als Anschauungsobjekt wichtig. Dadurch verstehen alle, welches Problem «nanoleq» lösen will. Der wichtigste Markt dürfte aber nicht die Unterhaltungsindustrie sein. «Dort dürfte der Trend zur kabellosen Übertragung kaum aufzuhalten sein, auch wenn Wireless-Technologien Batterien benötigen und weniger stabil sind», sagt Martinez. Für die neuen Kabel dürften sich jedoch Branchen interessieren, in welchen die Verlässlichkeit der Verbindung sowie die Übertragung von Strom zentral ist, wie etwa die Medizinaltechnik, die Luft- und Raumfahrt oder die Robotik.

Die Köpfe hinter nanoleq: Ingenieur Edi Liberato sowie die Co-Gründer Vincent Martinez (m.) und Luca Hirt (r.). (Bild: zVg nanoleq)
Die Köpfe hinter nanoleq: Ingenieur Edi Liberato sowie die Co-Gründer Vincent Martinez (m.) und Luca Hirt (r.). (Bild: zVg nanoleq)

Was ist denn das Geheimnis hinter den neuartigen Kabeln? Luca Hirt zieht ein dehnbares Band auseinander. «Sieht aus wie ein Gummiband, ist aber ein elektrischer Leiter», sagt er. Dieses spezielle Material, das an der ETH hergestellt wird, sorgt dafür, dass die Kabel robuster werden. Mit diesem Material lösen die ETH-Jungunternehmer auch das Problem, dass die in Kabeln enthaltenen Metalldrähte brechen, wenn sie wieder und wieder gebogen werden. Woraus das Material besteht und warum die Kabel dank ihm unzerbrechlich werden, möchten Martinez und Hirt nicht verraten – zumindest so lange nicht, wie ihr Patentantrag hängig ist.

Ursprünglich wurde das Material mit dem Ziel erforscht, dehnbare Elektronik für die Medizin nutzbar zu machen – etwa, um das Rückenmark zu stimulieren. Wie bei vielen Forschungsprojekten handelt es sich dabei um einen sehr schwierigen und langen Prozess. Janos Vörös, Professor am Institut für Biosensoren und Bioelektronik an der ETH und Mentor von «nanoleq», sagt: «Ich bin froh und stolz, dass meine ehemaligen Mitarbeiter unsere Forschung von solch hoher gesellschaftlichen Relevanz so unmittelbar anwenden können».

Rasches Wachstum

«nanoleq» ist in einem schwindelerregenden Tempo unterwegs. Erst im Juli 2016 hatte Martinez sein ETH-Doktorat abgeschlossen. Als sich die Idee mit den Kabeln konkretisierte, beantragte der Franzose Geld bei zwei Förderprogrammen: beim Pioneer Fellowship der ETH sowie bei der eidgenössischen Kommission für Technologie und Innovation KTI. Beide Stellen sagten Martinez zu, womit die Finanzierung bis im kommenden Sommer gesichert war. Hirt, der zuvor noch sein Doktorat abschliessen musste sowie Edi Liberato als erster Mitarbeiter stiessen hinzu. Im Mai 2017 schliesslich gründeten sie eine GmbH.

So schnell wie sie gestartet sind, möchten die Jungunternehmer weitermachen. Im kommenden Jahr sollen zwei Kollegen zum Team dazu stossen. Für das geplante Wachstum suchen sie derzeit noch Investoren, wobei es bereits erste Interessenten gibt. «Der Business Plan sieht vor, ab 2019 mit eigenen Umsätzen den Grossteil unserer Kosten decken zu können», sagt Martinez.

Material und Technologie anbieten

Wo die Kabel zuerst im Einsatz sein werden, ist noch offen. In ihrem Labor an der ETH arbeitet die Jungfirma derzeit an Pilotstudien und Prototypen für Firmen aus verschiedenen Branchen. Klar ist hingegen, dass «nanoleq» keine Kabel selber herstellen wird. «Dieser Markt ist hart umkämpft und wird von einigen grossen Playern beherrscht», sagt Martinez. In Kabelfirmen sieht er vielmehr potenzielle Kunden. «Unser Geschäftsmodell ist es, Material und Technologie zu verkaufen.»

Ob wir uns noch lange mit dem knisternden Geräusch von kaputten Kopfhörern herumschlagen müssen, liegt also nicht nur an den beiden Jungunternehmern, sondern auch daran, wie die Kabelunternehmen die Innovation aufnehmen werden. Vielleicht würde es die Branche ein kleines Bisschen sexier machen.

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