ETH im Zeichen des Regenbogens
Sie werden selten wahrgenommen, aber es gibt sie: die trans, homo-, und bisexuellen Studierenden an der ETH. Als Zeichen der Offenheit weht während des Zürcher Pride Festivals nun erstmals ein regenbogenfarbiges Banner am Hauptgebäude der ETH Zürich.
Offizielle Zahlen wie hoch der Anteil an trans, homo- und bisexuellen (LGBT) Menschen in der Bevölkerung ist, gibt es nicht. Bei einer vielbeachteten europäischen Umfrage aus dem Jahr 2016 gaben rund sechs Prozent der Befragten an, der LGBT-Community anzugehören. Hochgerechnet auf die ETH wären dies über 1'200 Studierende, die nicht heterosexuell und/oder cisgender sind. Organisiert sind homo- und bisexuelle Studierende der Uni und der ETH Zürich einerseits im Verein externe Seite L-Punkt, in dem zurzeit rund 30 Frauen aktiv sind und im externe Seite z&h, der rund 150 aktive Mitglieder zählt. Beide Vereine sind beim VSETH assoziiert.
Der LGBT-Community ein Gesicht geben
Soweit die abstrakten Zahlen. Sehr viel lebendiger wird die Sache, wenn man sich mit z&h-Präsident Alessandro Decaminada und L-Punkt-Präsidentin Sabine Python unterhält. Beide studieren an der ETH Zürich und beide haben ein gemeinsames Ziel: der LGBT-Community eine Stimme und ein Gesicht zu geben. Wie schätzen sie die Situation von homo- und bisexuellen Studierenden an der Hochschule ein? «Wir werden nicht diskriminiert, aber es wird an der ETH nicht gerne über Homosexualität gesprochen», erklärt Sabine Python. Und Alessandro Decaminada ergänzt lachend: «Ich begegne immer wieder Kommilitonen und Kommilitoninnen, die glauben, dass es gar keine LGBT-Studierende an der ETH gibt.» Die Sichtbarkeit ist denn auch das grösste Anliegen der beiden Vereine. Sie organisieren regelmässige Treffen, beraten bei Problemen und möchten ihr Netzwerk noch ausbauen, damit LGBT-Studierende wissen, dass sie nicht alleine sind. «Natürlich würden wir es schätzen, wenn wir von offizieller ETH-Seite noch mehr wahrgenommen und unterstützt würden», so Decaminada. Zwar werde auf der Respekt-Seite der ETH explizit Homosexualität erwähnt, aber sie hätte sich über ein spezielles Kampagnenplakat gefreut. Auch ein Hinweis auf der ETH-Webseite, wohin sich LGBT-Studierende wenden können, würde beim Community Building helfen.
«Trans welcome» – auch an der ETH
Renate Schubert, Delegierte für Gleichstellung und Leiterin von Equal, der Stabstabstelle für Chancengleichheit, kann das Anliegen sehr gut verstehen und weist darauf hin, dass zurzeit gerade eine spezifische Website mit Informationen für Transgenderpersonen aufgeschaltet wird. «Die Situation von trans, homo- und bisexuellen Menschen an der ETH gehört klar zu den Handlungsfeldern von Equal – wir werden unsere Aktivitäten in diesem Bereich noch verstärken», kommentiert Schubert.
Die ETH ist keineswegs untätig: So ist die Hochschule seit diesem Frühjahr Mitglied bei «trans welcome», ein Portal, das Schweizer Arbeitgeberinnen und Firmen zusammenschliesst, die trans Menschen willkommen heissen. Gerade wenn es um Transgender geht, erhält Equal zunehmend Anfragen, weshalb die Stabsstelle auch öfters mit dem Transgender Network Schweiz zusammenarbeitet, um gute Lösungen für alle Beteiligten zu finden. Was viele nicht wissen: Die ETH Zürich war 2013 eine der ersten Hochschulen der Schweiz, welche ein Reglement aufgesetzt hat, um Namensänderungen von trans Personen in Zeugnissen und Diplomen zu erleichtern.
Spitzenunis geben sich farbig
Schaut man sich bei amerikanischen und englischen Spitzenunis um, fällt auf, dass sich diese bereits sehr aktiv um ihre LGBT-Community kümmern. Harvard hat ein «Office of BGLTQ Student life», Oxford bietet eine «LGBT History Month Lecture» an und das MIT wirbt mit einer regenbogenfarbigen «You are welcome here»-Seite. «Ich bin überzeugt, dass auch die ETH davon profitiert, wenn sie trans, homo- und bisexuelle Menschen aktiv willkommen heisst, denn Studierende, die sich sicher und akzeptiert fühlen, studieren, arbeiten und forschen besser», sagt Decaminada.
Bei mehr offenem Dialog könnte man zudem auch auf ein Phänomen reagieren, das Sabine Python das «doppelte Stereotyp» nennt. Bei Studiengängen, die einen niedrigen Frauenanteil aufweisen, wie zum Beispiel im Maschinenbau, gelten schnell alle Studentinnen als lesbisch. Dies zementiere nicht nur das Bild von lesbischen Studentinnen als «männliche» Frauen. Für Studentinnen, die nicht diesem Stereotyp entsprechen – sei es, weil sie «weibliche» Lesben oder heterosexuell sind – könne das unangenehm sein. Ein Aufbrechen dieses Stereotyps hätte vielleicht auch positive Auswirkungen auf den Frauenanteil in diesen Studiengängen.
Regenbogenfahne an der ETH
Die ETH Zürich lässt dieses Wochenende die Regenbogenfahne, das Symbol der LGBT-Community, als Banner am Hauptgebäude anbringen. «Wir wollten bewusst ein Zeichen setzen und zeigen, dass unsere Hochschule tolerant und offen für alle Menschen ist. Das Zürcher Pride Festival ist der richtige Zeitpunkt dazu», so Renate Schubert. Alessandro Decaminada und Sabine Python freuen sich sehr über diese Geste der ETH Zürich: «Die ETH macht damit deutlich, dass LGBT-Personen hier willkommen sind – toll!» L-Punkt und z&h werden übrigens am diesjährigen Pride Festival einen eigenen Stand auf dem Kasernenareal haben. Natürlich sind alle – jeglicher Couleur – herzlich eingeladen vorbeizuschauen.