Zehn Projekte ausgezeichnet
ETH-Forschende haben bei der Vergabe von ERC Grants ausgezeichnet abgeschnitten: Zehn Consolidator Grants in der Höhe von 24 Millionen Franken konnten sie für ihre Forschung einwerben.
Noch nie haben Forschende der ETH Zürich in einer Vergaberunde so viele ERC Consolidator Grants einwerben können wie dieses Mal. Bemerkenswert ist zudem die hohe Erfolgsquote: Von insgesamt 18 Eingaben kamen zwei Drittel in die zweite Runde. Davon wiederum erhielten 11 die höchste Bewertung, ein A-Score (61,1 %), und zehn wurden schliesslich bewilligt. Dies entspricht einer Erfolgsquote von 55,5 Prozent. Bislang lag die durchschnittliche Erfolgsquote bei den Consolidator Grants bei knapp 38 Prozent.
Jeder der Grants ist durchschnittlich mit 2,4 Millionen Franken (2 Mio. Euro) dotiert, sodass die ETH Zürich rund 24 Millionen Franken an ERC-Geldern aus dieser Runde erwarten darf. Die Mittel gehen an Forscher aus den Bereichen Chemie, Informatik, Mathematik, Maschinenbau und Verfahrenstechnik, Elektrotechnik sowie Quanten- und Teilchenphysik.
Unterstützung wirkt
«Diese Erfolgsquote ist im europäischen Vergleich ausserordentlich», freut sich Detlef Günther, Vizepräsident Forschung und Wirtschaftsbeziehungen der ETH Zürich. «Das spricht für die Qualität der an der ETH arbeitenden Forscher und Forscherinnen, aber auch für die gute Arbeit, welche die EU Grants Access-Stelle von ETH und Uni Zürich leistet.»
EU Grants Access unterstützt und berät die Wissenschaftler rund um Bewerbungen für europäische Fördergelder. «Ich kann unsere talentierten Forschenden auf allen Stufen nur weiterhin ermuntern, sich ebenfalls für solche ERC zu bewerben», sagt Günther weiter. «Denn mit einem solchen Grant können sie Projekte durchführen, welche ansonsten nicht finanziert werden können und ausserdem wird die internationale Sichtbarkeit erhöht.»
Erfolgreich beworben um einen europäischen Grant hat sich zudem Eleni Chatzi, Professorin für Strukturmechanik. Im September erhielt sie einen Proof of Concept-Grant. Dieser erlaubt es ihr, Machbarkeitsstudien und Businesspläne zu früheren Ideen umzusetzen. Der PoC-Grant ist mit rund 130'000 Franken dotiert.
Die zehn Projekte im Überblick:
Einer der Forschungsschwerpunkte von Paolo Crivelli ist die Physik exotischer Atome, die vollständig aus Antimaterie wie Antiwasserstoff oder aus Positronium (Elektron-Positron) und Myonium (Elektron-Anti-Myon) bestehen. Diese Systeme erlauben es, das Standardmodell der Teilchenphysik ergänzend zu Hochenergie-Experimenten zu testen. Ein genauer Vergleich der Materie-Antimaterie-Systeme könnte die beobachtete Asymmetrie in unserem Universum erklären. Ziel von Crivellis ERC-Projekts ist es, die Natur von Myonen und Myonium in einer bisher unerreichten Genauigkeit zu erforschen. Dies könnte den Schlüssel zur Beantwortung grundlegender Fragen liefern, wie etwa weshalb die Materie das Universum dominiert. Das Experiment wird an der weltweit stärksten kontinuierlichen Myonenquelle am Paul Scherrer Institut durchgeführt.
Seit Langem lässt sich über die Messung von elektrischen Strömen feststellen, ob sich Ladungen in einem leitenden Material bewegen. Damit lassen sich allerdings keine räumlichen Informationen zum Ladungstransport gewinnen. Der Physiker Christian Degen möchte eine neue Technik entwickeln, mit der dieser Ladungstransport auf der Nanoskala beobachtet und abgebildet werden kann. Dies soll über eine Weiterentwicklung der von ihm entwickelten Diamantmagnetometrie geschehen. Die neue Mikroskopietechnik könnte Anwendung finden in der Festkörperphysik, den Materialwissenschaften und der Elektrotechnik, zum Beispiel zur Erforschung von neuartigen zweidimensionalen Materialien.
Jonathan Home wird in seinem ERC-Projekt eine neue Methode untersuchen, mit der Ionenfallen-Quantencomputer und -Simulatoren skaliert werden können. Bei der neuen Methode werden geladene Atome aneinandergereiht, die in sogenannten Penning-Fallen festgehalten werden. Penning-Fallen kombinieren elektrostatische Felder mit einem homogenen Magnetfeld, um geladene Atome einzufangen. Der neue Ansatz stellt eine Alternative zu den heutigen, in führenden Quantencomputerexperimenten eingesetzten Methoden dar, bei denen die Ionen mittels Hochfrequenzstrahlung gefangen und gespeichert werden. Mit der neuen Methode soll es möglich werden, einfacher zweidimensionale, skalierbare Quantensysteme zu erzeugen, sodass höhere Ionendichten erreicht und verschiedene Gittergeometrien für Quantensimulationen realisiert werden können.
Im Zuge der Digitalisierung unterstützen lernende Systeme zunehmend Entscheidungen. Solche lernenden Systeme erforscht Informatikprofessor Andreas Krause. In seinem ERC-Projekt will er neue «Reinforcement Learning»-Verfahren mit einer bisher unerreichten Zuverlässigkeit entwickeln. Der Ansatz verknüpft moderne Resultate des maschinellen Lernens mit Techniken der robusten Optimierung und effizienten Algorithmen. Sorgfältige Modellierung der Unsicherheit ermöglicht es, vorsichtig zu agieren, aber dennoch mit zunehmenden Daten bessere Entscheidungen zu treffen. Die Lernverfahren haben vielfältige potenzielle Einsatzmöglichkeiten von der Robotik bis hin zu medizinischen, industriellen und wissenschaftlichen Anwendungen.
Der Chemiker Maksym Kovalenko erforscht Metallhalogenide, welche mit Strom oder durch optische Anregung zum Leuchten gebracht werden können. In seinem ERC-Projekt nutzt er Chemieingenieur-Ansätze, um die optischen Eigenschaften dieser Materialien zu verändern. Das Ziel ist, ungiftige Lichtquellen für eine grosse Reihe von Anwendungen zu entwickeln, unter anderem als Nanokristalle, dünne Filme und Verbundwerkstoffe. Diese könnten in Bildschirmen, Solarzellen, Bilddetektoren und Messgeräten für Radioaktivität zum Einsatz kommen oder für zukünftige Quantenkommunikationstechnologien.
Christoph Müller entwickelt neuartige Katalysatoren und Materialien für die CO2-Abscheidung. Mit seinem ERC-Grant will er die Fähigkeit von Erdalkalimetalloxiden verbessern, CO2 mit einer hohen Rate und Kapazität abzutrennen und über viele Zyklen zu regenerieren. Müllers Gruppe wird hierzu Modellsysteme herstellen und deren Struktur und Oberflächenchemie im Detail charakterisieren. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen es ermöglichen, verbesserte CO2-Absorber herzustellen mit dem Ziel, die Kosten der CO2-Abscheidung zu senken.
Nicolas Noiray forscht in den Bereichen Strömungsmechanik für Anwendungen in der Energieerzeugung und Luftfahrt. Im Rahmen seines ERC-Projekts möchte er neue passive und aktive Regelungstechnologien entwickeln, um schädliche thermoakustische Instabilitäten in zukünftigen Gasturbinen-Brennkammern zu vermeiden. Dies soll einerseits durch die Entwicklung von Metamaterialien geschehen, die über eine breitbandige akustische Dämpfung unter den anspruchsvollen Betriebsbedingungen verfügen. Andererseits soll durch die Anwendung von Plasma die Selbstzündung verbessert werden. Diese grossen Gasturbinenkraftwerke produzieren mehrere hundert Megawatt elektrische Leistung. Die spezielle Brennkammerarchitektur ermöglicht die Verbrennung von Wasserstoff aus Power-to-Gas-Technologien, die in zukünftigen nachhaltigen Energienetzwerken eingesetzt werden könnten.
David Steurer ist Professor für Theoretische Informatik. In seiner Forschung beschäftigt er sich mit Algorithmen für komplexe Optimierungs- und Schätzprobleme, wie sie zum Beispiel im maschinellen Lernen auftreten. Für viele dieser Probleme weiss man heute nicht, wie man sie effizient lösen kann, also so, dass der Zeitaufwand verhältnismässig zur Problemgrösse ist. In seinem ERC-Projekt möchte er eine algorithmische Methode entwickeln, die eine effiziente Lösung garantiert, wann immer dies möglich ist, und deren Effizienz damit optimal ist. Das gewünschte Ergebnis ist eine einheitliche Theorie, die für möglichst viele Optimierungs- und Schätzprobleme angeben kann, ob sie effizient lösbar sind oder nicht.
Mehmet Fatih Yanik interessiert sich für das Gehirn und wie Hirn-Computer-Schnittstellen helfen, psychiatrische und neurologische Störungen zu behandeln. In seinem ERC-Projekt will er Hirnaktivitätsmuster besser verstehen und mit minimal-invasiven Hirn-Computer-Schnittstellen und präziser Wirkstoffgabe korrigieren. Die meisten Hirnerkrankungen wie etwa Schizophrenie, Epilepsie, Depression oder chronische Angst sind heute nur unzureichend behandelbar. Yanik und sein Team wollen nun die Technologien entwickeln, um die komplexe Funktionsweise des Gehirns präzise zu messen und zu manipulieren und hoffen damit bessere Therapieansätze für Hirnerkrankungen zu schaffen.
Bei vielen Entscheidungsproblemen liegen nur unvollständige Informationen vor, und es kommen laufend neue Informationen und Schätzungen über die Zukunft dazu – man spricht von Online-Optimierungen. Die Entscheidungen von Wasserkraftwerkbetreibern, wann es sich für sie wirtschaftlich lohnt, Strom zu produzieren, sind ein Beispiel hierfür. Bei solchen komplexen Problemen ist es oft nicht möglich, die beste Lösung in vernünftiger Zeit zu finden. Deshalb entwickelt der Mathematiker Rico Zenklusen in seinem ERC-Projekt automatisierte Methoden mit neuartigen Algorithmen. Die Ergebnisse sollen grundlegende Fragen der Optimierung beantworten, die für die angewandte Mathematik und für die theoretische Informatik relevant sind. Ausserdem untersucht er Probleme, für die nur ganzzahlige Lösungen in Frage kommen, wie Stückzahlen in der Produktion.
Messlatte für Spitzenforschende: ERC Grants
ETH-Forscherinnen und -Forscher bewerben sich seit 2007 erfolgreich um Fördermittel der Europäischen Union, die ERC Research Grants. Neben den Consolidator Grants für arrivierte Forschende zum weiteren Aufbau einer eigenen Gruppe vergibt der Europäische Forschungsrat alljährlich auch Starting Grants für Nachwuchsforschende zu Beginn ihrer Karriere und Advanced Grants für etablierte Forscherinnen und Forscher. Ausserdem zeigen ERC Proof of Concepts, die in der Vergangenheit zahlreich an die ETH Zürich vergeben wurden, dass Grundlagenforschung oft in Marktinnovationen mit entsprechendem volkswirtschaftlichem Nutzen ihre Anwendung findet. Der Europäische Forschungsrat ist Teil des europäischen Forschungs- und Innovationsprogramms Horizon 2020 (2014-2020). Die Schweiz ist seit dem 1. Januar 2017 wieder vollständig an Horizon 2020 assoziiert.