Glasfaser als Erdbeben-Sensor
Erdwissenschaftler und Geoingenieure der ETH Zürich testeten auf dem Rhonegletscher eine neue Methode, um Gletscher detailliert untersuchen zu können. Das Experiment klappte besser als erwartet.
Manchmal müssen Wissenschaftler einfach etwas ausprobieren, was vor ihnen noch niemand versucht hat. Einen Schuss ins Blaue wagte ETH-Professor Andreas Fichtner vom Institut für Geophysik. In der vergangenen Woche haben er und Fabian Walter von der Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie der ETH Zürich zusammen mit ihren Doktoranden auf dem Rhonegletscher erstmals Versuche mit einem Glasfaserkabel durchgeführt. Die Idee ist, damit künftig Gletscher zu untersuchen und Rückschlüsse auf den inneren Aufbau des Gletschers, auf seine Bewegungen und sein Volumen ziehen zu können.
Mit Glasfaserkabeln lassen sich nämlich Erdbebenwellen messen, indem kurze Laserpulse in die Glasfaser geleitet werden. Winzige Verunreinigungen entlang der Kabels streuen das Laserlicht auf bestimmte Weise. Bleibt die Glasfaser unverändert, ist das Streusignal stets gleich. Wenn sie sich aufgrund von Erschütterungen dehnt, ändert sich das Streusignal.
Das von den Forschern verwendete Kabel ist einen Kilometer lang und besitzt im regelmässigen Abstand von jeweils einem Meter Messpunkte. Die Forscher hoffen, damit Hunderte von teuren Seismometern ersetzen und mit viel weniger Aufwand und Infrastruktur mehr Messdaten gewinnen zu können.
Erstmals auf Gletscher getestet
Erschütterungsmessungen mit Glasfaserkabeln gibt es schon länger, etwa zur Überwachung und Sicherung von kritischer Infrastruktur wie Atomkraftwerken. Andere Forscher zeigten vor kurzem, dass Glasfaserkabel auch anstelle von seismischen Sensoren zur Erdbebenmessung verwendet werden können.
«Das Experiment ist gut gelaufen, und zu unserer positiven Überraschung registriert das Glasfaserkabel Gletscherbeben noch viel besser, als wir uns erhofft hatten», freut sich Fichtner, der das Experiment nur aus der Ferne mitverfolgen konnte. «Auf einem Gletscher hat noch niemand diese Technik getestet, obwohl sie ein besonders geeignetes und im Zuge des Klimawandels interessantes Studienobjekt sind.»
Für ihr Experiment legten die Forscher das Glasfaserkabel auf der Oberfläche des Rhonegletschers aus. Von der Sonne beschienen und erwärmt, brachte das Kabel den Schnee zum Schmelzen und frass sich in diesen ein. «Das ist wichtig, denn die Glasfaser muss fest im dem Untergrund eingebettet sein», sagt der ETH-Professor. Um zu Kontrollzwecken messbare Erdbebenwellen auszulösen, nahmen die Forscher Sprengungen vor.
Fichtner glaubt an das hohe Potenzial der neuen Methode. Da dieses Messsystem sehr viel weniger Geräte brauche, liesse es sich auch in abgelegenen Regionen einsetzen, wo sich seismische Messstationen nur mit viel Aufwand einrichten liessen, etwa auf Gletschern des Himalajas, sagt er. In den nächsten Wochen und Monaten werden die Forscher ihre Daten auswerten – erst dann wird sich zeigen, ob sie mit der Methode weiterarbeiten können – oder ob der Test ein Schuss ins Blaue war.