Mit maschinellem Lernen den Regenwald erhalten

Der Computerwissenschaftler David Dao entwickelt lernfähige Algorithmen, die mit Satelliten- und Drohnenbildern voraussagen können, wo sich die Entwaldung des Regenwalds weiter ausdehnen wird. Heute stellt er seine Forschung an der Klimakonferenz in Madrid vor. Im Januar beginnt ein Testprojekt in Chile.

Vergrösserte Ansicht: Die Entwaldung im südamerikanischen Regenwald dehnt sich entlang von Strassen aus – wie hier im brasilianischen Amazonasgebiet. (AP Photo/Victor R. Caivano)
Die Entwaldung im südamerikanischen Regenwald dehnt sich entlang von Strassen aus – wie hier im brasilianischen Amazonasgebiet. (AP Photo/Victor R. Caivano)

Die Bilder der rauchenden Regenwälder im Amazonas haben sich in diesem Sommer ins Gedächtnis gebrannt – und mancher fragte sich, wie viel Wald geht da verloren? Einer, der sich dieser Frage widmet, ist der Computerwissenschaftler David Dao, Doktorand am externe Seite DS3Lab des ETH-Instituts für Computing Platforms. Der Deutsche ist ein Spezialist für maschinelles Lernen und entwickelt lernfähige Algorithmen, die selbständig Satelliten- und Drohnenaufnahmen auswerten. Auf diese Weise können sie erkennen, wo und in welchem Ausmass die Waldfläche kleiner wird. Sie können sogar voraussagen, wo der Regenwald in naher Zukunft weiter schrumpfen wird. Der Trick liegt in der Art, wie sie Bilder lesen.

Satelliten und Drohnen liefern unzählige Bilder über den Regenwald – aus verschiedenen Höhen und sowie in unterschiedlicher Auflösung und Qualität. Gemeinsam ist diesen Aufnahmen, dass die Gegenstände, die sie abbilden, nicht beschriftet oder gekennzeichnet sind. Anders als auf Landkarten tragen die Orte keine Namen sowie die Wälder, Flüsse und Strassen keine einheitliche Signatur. Sie haben kein «Label», wie die Informatiker sagen. Die Computer-Algorithmen können deshalb nicht direkt aus dem Bild herauslesen, was ein Waldgebiet ist und was nicht.

«Fischknochen» zeigen, wo der Wald schrumpft

Maschinelles Lernen sagt die Entwaldung voraus. (Animation: David Dao)
Maschinell vorausgesagte Entwaldung. (Animation: David Dao)

Um zu erkennen, wo sich der Regenwald befindet und ob seine Fläche zurückgeht, lesen die Algorithmen deshalb Sequenzen, sagt Dao. Das sind Abfolgen einzelner Bilder, die zeitlich hintereinander folgen – so wie das bei klassischen Filmspulen oder Comic Strips der Fall ist. Wird nun zum Beispiel eine neue Strasse in den Regenwald gezogen, dann bilden sich im Lauf der Zeit zahlreiche Seitenstrassen aus. Entlang dieser Strassen wachsen die Flächen, auf denen Wald gerodet wird. Aus der Vogelperspektive gleicht das entstehende Muster dem Skelett eines Fisches mit Wirbelsäule und Gräten – von daher sein Spitzname «Fischknochen».

Indem die Algorithmen solche Sequenzen von zeitlich aufeinanderfolgenden Luftaufnahmen vergleichen, können sie berechnen, wie sich Strassenbild und Waldflächen mit der Zeit verändern. Auf diese Weise benötigen die lernfähigen Algorithmen keine Labels, um ein Gesamtbild zu erstellen, wo der Regenwald schrumpft. Zudem können sie voraussagen, wo sich die Entwaldung am stärksten ausdehnen wird. Dieses Modell funktioniert auch für die Entwaldung in der Nähe von Flüssen oder rund um Landwirtschaftsflächen.

Testlauf im chilenischen Regenwald

Für externe Seite sein Forschungsprojekt namens «Komorebi» hat David Dao Partner aus der Praxis: Zum Beispiel die chilenische Forstbehörde CONAF (Corporación Nacional Forestal). Im Januar startet ein Pilotprojekt im «Valdivianischen Regenwald», der sich südlich der Hauptstadt Santiago de Chile an der Pazifikküste befindet. Im realen Regenwald lassen sich die Vorhersagealgorithmen testen und weiterentwickeln – denn Daos Ansatz birgt das Potenzial, dass man nicht nur den Rückgang des Regenwalds insgesamt erkennen kann, sondern auch, welche Baumarten besonders stark betroffen sind.

Das spielt im Zusammenhang mit dem Klimawandel eine Rolle, weil nicht alle Baumarten gleich viel CO2 speichern, und weil es im Waldschutz auch Ansätze gibt, die lokale Bevölkerung finanziell zu unterstützen, wenn sie Bäume als CO2-Speicher erhält anstatt den Wald zu roden.

David Dao. (Bild: David Dao)
David Dao.  

Im chilenischen Regenwald lässt sich unter anderem testen, wie man die Genauigkeit der Vorhersagealgorithmen verbessern kann, wenn man neben Satellitenbildern auch die Aufnahmen von tiefer fliegenden Drohnen verwendet. Im Unterschied zu Satellitenbildern können Drohnenbilder auf 30 Zentimeter genau sein: «Wenn wir Drohnenbilder haben, können wir auch Veränderungen der Baumarten beobachten und Veränderungen der Artenvielfalt erkennen», sagt Dao.

Heute stellt David Dao sein Forschungsprojekt im Rahmenprogramm der 25. UN-Klimakonferenz in Madrid (COP25) vor. An der Session, zu der die Interamerikanische Entwicklungsbank und die chilenische Forstbehörde einladen, geht es sowohl darum, wie man neue Technologien einsetzt, um Veränderungen der Landnutzung zu erfassen und vorauszusagen, als auch darum, wie man die Ergebnisse mit Zahlungen verbinden kann, damit die lokale Bevölkerung den Regenwald erhält.

KI und Klimafinanzierung an der COP25

Neben David Dao sind weitere Forschende der ETH Zürich aus den Bereichen Klimafinanzierung und Maschinelles Lernen an Veranstaltungen der UN-Klimakonferenz 2019 (externe Seite COP25) präsent: Zum Beispiel hat Lynn Kaack, Postdoktorandin in der Energy Politics Group, mit der internationalen Forschergruppe «externe Seite Climate Change AI» eine Podiumsdiskussion im chilenischen Pavillon organisiert. Diskutiert wurde, wie sich Methoden der künstlichen Intelligenz für den Klimaschutz nutzen lassen und welche Herausforderungen für Forschung, Industrie und den öffentlichen Sektor bestehen.

Das offizielle Schweizer Side Event führt Lucas Bretschger, ETH-Professor für Ökonomie / Ressourcenökonomie, durch – mit der Schweizer Delegation und seinen Doktorandinnen Anna Stuenzi und Julia Bingler. Das Thema ist die Klimafinanzierung und besonders das Ziel der Ausrichtung der globalen Finanzströme auf die international vereinbarten Klimaziele. Für Finanzzentren wie die Schweiz und für die vom Klimawandel besonders betroffenen Regionen ergeben sich daraus besondere Herausforderungen.

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