Forschung und Familie vereinbaren
Für Sebastian Schemm gehören Forschung und Familie zusammen. Der Vater von zwei kleinen Kindern baut an der ETH Zürich eine Forschungsgruppe zu atmosphärischen Strömungen und ihren Einfluss auf das Klima und unser Wetter auf.
Sebastian Schemm hat einen umfassenden Blick aufs Leben. Der 35-jährige Assistenzprofessor am ETH-Institut für Atmosphäre und Klima (IAC) vereinbart Arbeit, Familie und Freizeit. «Es ist weniger eine Trennung, sondern vielmehr eine Wechselbeziehung von Forschung und Familie.» So hat der Vater von einem Vier- und Siebenjährigen auch bisher den grössten Teil seiner Karriere als Wissenschaftler in Teilzeit gearbeitet. Mit Erfolg. Die Verleihung des Young Scientist Award 2019 der European Meteorological Society (EMS) und der Erhalt eines ERC Starting Grant im September des vergangenen Jahres sprechen für sich. «Ich mache es einfach», beschreibt er seine Herangehensweise.
Kinder erfordern Flexibilität
«Meine Wissenschaft und die Begleitung der Kinder passieren nicht gleichzeitig, aber Forschung und Familie sind räumlich und zeitlich oft sehr nahe. Es ist ein flexibles Abwechseln», erzählt Schemm. Gemeinsam mit seiner Partnerin, der Architektin Franziska Wittmann, schaut er regelmässig neu, wie sie alle Aufgaben aufteilen. Sie ist ebenfalls an der ETH als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Departement Architektur tätig.
Seit 2012 der erste Sohn auf die Welt kam - Schemm war damals ETH Doktorand - hat das Paar stets von Neuem Lösungen gesucht. Beide haben von Beginn an Teilzeit gearbeitet und auf manchen Konferenzbesuch oder Vortrag verzichtet. «Wir haben uns auf das Wesentliche fokussiert». Grundsätzlich könnten aus Sicht von Schemm die Art, wie wir Arbeiten und Kinder betreuen symbiotischer werden. «Die sogenannte Leaky Pipeline geht nicht zufällig dann auf, wenn Forscherinnen und Forscher Eltern werden».
Karriereaufbau in Teilzeit
Gelungen ist ihm sein Weg auch, weil er wiederholt Unterstützung erfuhr, wie er betont. Nach seinem Doktorat an der ETH und der Geburt des ersten Kindes folgte eine 60-Prozent-Stelle bei Professor Heini Wernli. Und auch an der Universität von Bergen in Norwegen, wo er anschliessend drei Jahre als Postdoktorand forschte, ermöglichte ihm der Institutsleiter, Professor Nils-Gunnar Kvamstø, Teilzeitarbeit.
Seit Sebastian Schemm im Januar 2020 im Anschluss an einen Forschungsaufenthalt in Paris und eine Gastprofessur in Wien die Assistenzprofessur an der ETH erhielt, muss er allerdings mehr darauf achten, alles unter einen Hut zu bringen. Der Aufbau der eigenen Forschungsgruppe verlangt viel Zeit. Sorgen, dass es zu viel werden könnte, macht er sich dennoch nicht. «Es ist ein Privileg, so frei arbeiten zu können, wie es in der Wissenschaft möglich ist», sagt er. Auch kämen ihm Forschungsideen oft ausserhalb der Arbeitszeit.
Forschen auf Gebiet mit hoher Relevanz
Jemals aufzuhören zu forschen, ist für ihn kaum vorstellbar. «Ich möchte atmosphärische Phänomene und die Welt um mich herum besser verstehen», sagt Schemm, der Physik studierte und sich aufgrund seiner Faszination für das Wetter auf Atmosphären und Klimaphysik spezialisierte. Heute gilt seine Forschung der Schnittstelle zwischen Wetter und Klima. Im Zentrum stehen die chaotische Strömungsdynamik und die Ausbreitung von Wellen in der Atmosphäre, die das Wetter über tausende Kilometer synchronisieren können.
Mit Hilfe von hochaufgelösten Simulationen möchte Schemm herausfinden, wie sich Kondensation und Verdunstung, Strahlung und Turbulenzen auf das Wetter auswirken. «Ich möchte zum Beispiel wissen, was die Zugbahnen von Wolken bestimmt, woher extreme Stürme ihre Energie nehmen oder wie sich die Erderwärmung auf die globale Strömung in der Atmosphäre und damit auf das lokale Wetter auswirkt.»
Auch wenn Sebastian Schemm vor allem Grundlagen erforscht, freut ihn, dass seine Arbeit durch die öffentliche Diskussion um den Klimawandel in letzter Zeit an Bedeutung gewonnen hat. «Es ist motivierend, auf einem Gebiet mit einer so grossen gesellschaftlichen Relevanz zu arbeiten».