Wie Städte nachhaltig wachsen können
Im Rahmen eines fünfjährigen Forschungsabkommens der ETH Zürich mit drei Hochschulen in Singapur entwickeln Forschende gemeinsam Lösungen für ein nachhaltiges Wachstum von Städten und deren Hinterland. Am 1. Dezember 2020 nahmen sie die Zusammenarbeit auf.
Bis 2050 werden zwei Drittel der Weltbevölkerung in Städten leben, sagt ein Bericht der Vereinten Nationen. Das rasante Wachstum und die damit verbundene Ausweitung des Stadtgebiets, der Umweltverschmutzung und der Ressourcennutzung stellen das Hinterland vor grosse Herausforderungen und gefährden die Städte selbst.
Vor diesem Hintergrund haben die ETH Zürich und drei Hochschulen Singapurs – die National University of Singapore (NUS), die Nanyang Technological University (NTU) und die Singapore University of Technology and Design (SUTD) – unter dem Namen Future Cities Lab Global (FCL Global) ein internationales, transdisziplinäres Forschungsprogramm ins Leben gerufen.
Die Kooperation wird von der National Research Foundation (Singapur) finanziert und verfügt mit dem Campus Hönggerberg der ETH Zürich und dem Singapore-ETH Centre (SEC), einer 2010 auf dem Campus for Research Excellence and Technological Enterprise (CREATE) gegründeten Gemeinschaftsinitiative der ETH Zürich und der NRF, über zwei Forschungsstandorte.
Einen Wissenskreislauf schaffen
Das FCL Global baut auf das inzwischen abgeschlossene SEC-Programm Future Cities Laboratory (FCL) auf. In den letzten zehn Jahren hat sich das Forschungsprojekt FCL in Singapur mit verschiedenen Aspekten der nachhaltigen städtischen Entwicklung auseinandergesetzt. Im Zentrum standen das Verhältnis von Mensch zu Ökosystemen sowie die Rolle der Städteplanung bei der nachhaltigen und lebenswerten Gestaltung von Städten. Auf Grundlage der Forschungsergebnisse entwickelte das FCL Zukunftsszenarien und entsprechende Strategien für Entscheidungsträger.
Dank der engen Zusammenarbeit von Hochschulen, Regierungsbehörden und Industriepartnern Singapurs wurde das Programm ein voller Erfolg. Mit der Neuauflage FCL Global soll das Kooperationsmodell nun auch auf die Schweiz ausgeweitet und zwischen beiden Ländern ein Wissenskreislauf geschaffen werden.
«Das Programm ist ein Brückenschlag. Wir haben nun zwei Hubs in unterschiedlichen Klimazonen, die zu ähnlichen Fragen forschen und ihr Wissen sowie praxisorientierte Methoden für nachhaltige Städteentwicklungsstrategien austauschen», sagt ETH-Architekturprofessor und Co-Direktor des Programms Sacha Menz.
Das FCL Global befasst sich mit den grossen globalen Herausforderungen der zunehmenden Verstädterung durch die Ausdehnung bestehender und der Entstehung neuer Städte angesichts des rapiden Bevölkerungswachstums. Das neue Forschungsprogramm soll das Verhältnis von Stadt und Land eingehender erforschen und nachhaltiger gestalten. Das Forschungsspektrum aus Städtesicht wird daher auch auf Siedlungssysteme im städtischen Umland ausgeweitet.
«Die ökologischen und wirtschaftlichen Vorteile stark verdichteter, wenig Platz einnehmender Städte werden durch die Zersiedelung des Um- und Hinterlands zunichte gemacht. Inwieweit wir den Klimawandel in den nächsten Hundert Jahren eindämmen können, hängt davon ab, wie gut diese gegensätzlichen Stadtformen geplant werden», erklärt Professor Stephen Cairns, Co-Direktor des FCL Global und ETH-Architekturprofessor in Singapur.
Auswirkungen der Urbanisierung auf Stadt und Land
Während sich der Forschungsschwerpunkt des FCL-Programms auf Städte und ihre Entwicklung richtete, erweitert das FCL Global das Spektrum und bezieht Korridore und Netzwerke zwischen Stadt und Land, also Strassen, Häfen, Flüsse und Flughäfen, sowie ihren Einfluss auf Ökologie und Landnutzung in die Forschung ein. Daraus werden sich auch neue Forschungsmethoden und Denkweisen entwickeln, die dazu beitragen, Städteplanung ganzheitlicher zu gestalten.
Zahlreiche Projekte sind in Planung. Konkret arbeiten die Forschenden derzeit an acht Projekten, die sich mit den folgenden Themen befassen:
- Verdichtete grüne Bauten und Quartiere
- Neue Technologien für das Recycling von Baumaterial
- Bauweisen mit nachwachsenden Baustoffen, zum Beispiel Verbundmaterialien aus dem Wurzelnetzwerk von Pilzen
- Lösungen für belastete und hochwassergefährdete Städte und umliegende Regionen
- Lösungen für eine nachhaltige Lebensmittelproduktion in Städten und ihrem Umland
«Das Future Cities Lab Global verbindet von der Grundlagenforschung bis zur Anwendung mehrere Stärken der ETH», sagt Detlef Günther, ETH-Vizepräsident für Forschung. «In jedem Forschungsprojekt spielen wissenschaftliche Analyse, Design, Engineering und Governance zusammen.» Diese umfassende Herangehensweise sei notwendig für zukunftsorientierte Städteforschung und deren Umsetzung. Zudem sei diese Forschung ein wichtiger Schritt im Hinblick auf die Nachhaltigkeitsziele 2050 der UNO.
Dr. Khiang-Wee Lim, geschäftsführender Direktor des CREATE-Campus der NRF, sagt: «Die NRF freut sich über diese Zusammenarbeit, die mit dem Fachwissen der ETH Zürich und der Hochschulen von Singapur eine komplexe und vielschichtige Forschungsaufgabe bewältigen wird.»
Über das Singapore-ETH Centre
Das Singapore-ETH Centre for Global Environmental Sustainability (SEC) wurde 2010 von der ETH Zürich gemeinsam mit Singapurs National Research Foundation (NRF) als Teil von dessen CREATE-Campus gegründet. Als einziges Forschungszentrum der ETH Zürich ausserhalb der Schweiz stärkt es Singapur und die Schweiz in ihrer Forschungskapazität, um mit Programmen wie Future Cities Lab Global, Future Resilient Systems und Future Health Technologies nachhaltige Lösungen für globale Herausforderungen in Singapur, der Schweiz und den umliegenden Regionen zu finden.
Über die National Research Foundation Singapore
Als Abteilung unter Leitung des Premierministers ist die National Research Foundation (NRF) für die Ausrichtung Singapurs in Sachen Forschung, Innovation und Unternehmen (Research, Innovation and Enterprise, RIE) verantwortlich. Sie investiert in Wissenschaft, Technologie und Engineering, baut die technologischen Fähigkeiten unserer Unternehmen aus, kurbelt die Innovationstätigkeiten der Industrie zur Nutzung neuer Chancen für wirtschaftliches Wachstum an und fördert öffentlich-private Partnerschaften zur Bewältigung nationaler Herausforderungen.